Mit steigender Berufserfahrung nimmt in der Regel der Umfang an Entscheidungsbefugnissen zu. Dies wird meist damit begründet, dass mit der Erfahrung das Wissen und die Kompetenzen zunehmen und dadurch schneller bessere Entscheidungen getroffen werden können. Doch diese einfache Gleichung, mehr Erfahrung = bessere Entscheidungen trifft nicht zu.
Vielmehr steigt durch Erfahrung das Risiko an, in gewisse Denkfallen zu geraten, die die Qualität von Entscheidungen mindern können. So nimmt mit der Erfahrung das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen zu. Die subjektive Gewissheit, richtig zu entscheiden, steigt an.
Denkfalle Planungsfehler
Die Folge ist, dass schneller entschieden wird, verfügbare Informationen ignoriert oder in ihrer Bedeutung herabgemindert werden und weniger Vorkehrungen gegen die Folgen von Fehlentscheidungen getroffen werden. Dies kann gravierende Folgen haben. So kosten Fehldiagnosen von Ärzten mit übermässigem Selbstvertrauen fast täglich Menschenleben.
Doch Erfahrung birgt nicht nur Risiken, sie kann auch gegen Fehler bei Entscheidungen schützen. Wann was der Fall ist und welche Denkfallen zu vermeiden sind, soll dieser Beitrag aufzeigen.
Erstaunlich viele Projekte werden nicht termingerecht fertig. Und dies betrifft nicht nur Grossprojekte wie den Bau von Flughäfen oder Militärtransportern. Genau genommen sind Planungsfehler gerade bei hochkomplexen Projekten zu erwarten. Nehmen Sie zum Beispiel die Entwicklung von neuen Waffensystemen wie den Bau eines Flugzeugträgers. Die Entwicklungszeit beträgt über zehn Jahre. In dieser Zeit wird eine Vielzahl von technischen Neuerungen entwickelt. Hierzu gehören unter anderem neue Chiptechnologien und neue Betriebssysteme für die Rechneranlagen.
Nun sollen diese Neuerungen in die laufende Entwicklung mit einbezogen werden, so dass das fertig entwickelte Produkt auf dem neusten Stand ist. Die Planer können aber schlecht absehen, welche Neuerungen es in den nächsten zehn Jahren geben wird.
Die Folge ist, dass sie so planen müssten, dass sie gegebenenfalls neu planen könnten, wenn es relevante Innovationen gibt, ohne dass die Entwicklungszeit selbst verlängert wird. Dass dies sehr schwierig bis unmöglich ist, ist nachvollziehbar. Die Folge ist, dass Hersteller und Kunde mit dem fertig entwickelten Produkt nicht vollständig zufrieden sind, da sie wissen, dass es Stand heute besser hätte sein können.
Falsche Projektplanung
Aber wie ist es mit Projekten, die in ähnlicher Form bereits mehrfach realisiert wurden. Solche Projekte haben einen wesentlich kürzeren Planungshorizont, und etwaige Neuerungen im Verlauf des Projekts, zum Beispiel neue Software-Releases, sind gut absehbar. Bei solchen Projekten sollte es eigentlich zu keinen Verzögerungen oder Überstunden zur Einhaltung der Termine kommen. Doch weit gefehlt. Auch hier kommt es zu weitreichenden Planungsfehlern. Der Aufwand wird hier sehr häufig deutlich unterschätzt.
Woher kommt dies? Ein Teil der Gründe liegt beim jeweiligen Unternehmen und dem Vorgehen bei der Projektplanung. Aber es gibt auch psychologische Gründe. Der erste ist, zu glauben, dass durch die gemachte Erfahrung ein ähnliches Projekt beim nächsten Mal deutlich schneller realisiert werden kann. Diese Einschätzung ist leider falsch. In der Regel ist die beste Schätzung, dass es genauso lange wie bei den letzten Projekten dauern wird.
Der zweite Grund ist, dass bei der Planung meist nur die zu leistende Arbeit zur Erreichung der Projektziele eingeplant wird. Die Gesamtdauer eines Projekts ist aber nicht nur durch diese Arbeit bestimmt. Kommunikation, Koordination und die Reaktion auf neue Wünsche vonseiten des Kunden erzeugen erhebliche Aufwände.
Vermeintlich unvorhersehbar
Und schliesslich kommen auch «unvorhersehbare» Ereignisse dazwischen, die zusätzlich bewältigt werden müssen. Doch die meisten dieser vermeintlich unvorhersehbaren Ereignisse sind zu erwarten. So ist beispielsweise die Erkrankung von wichtigen Projektmitarbeitern ziemlich vorhersehbar.
Eine Liste der unvorhersehbaren Ereignisse aus den letzten Projekten bietet hierfür einen sehr guten Anhaltspunkt. Dummerweise allerdings werden diese letztgenannten Punkte, obwohl sie bekannt sind, sehr häufig bei Planungen vernachlässigt.
Heisst das, dass man Projekte besser mithilfe von sogenannten Worst-case- Szenarien planen sollte? Nein, denn solche Szenarien, in denen alles Denkbare schiefgeht, sind genauso unrealistisch wie Best-case-Szenarien, in denen einfach alles glatt läuft. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass wir intuitiv zum Best-case-Szenario neigen und diesen Hang korrigieren müssen.