Unternehmen benötigen viele Kompetenzen, um in ihrem Markt erfolgreich zu sein und zu bleiben. Mit dem systematischen Auf- und Ausbau dieser Kompetenzen sind zahlreiche Lernprozesse verbunden – auf der individuellen und organisationalen Ebene. Und damit einher gehen stets auch Prozesse des individu-ellen und organisationalen Verlernens – sei es, weil gewisse Aufgaben nicht mehr, seltener oder anders als bisher erledigt werden.
Beim Verlernen gilt es zwischen erwünschten und unerwünschten Verlern-Prozessen zu unterscheiden. Wie rasch ein Verlernen erfolgt, weiss jeder, der schon mal eine PC-Schulung besuchte und wenige Wochen – oder gar nur Tage – später nochmals dieselben Aufgaben erledigen wollte, welche gegen Ende der Schulung scheinbar im Schlaf beherrscht wurde. Dann stellt man häufig erschreckt fest: «Ups, ich weiss gar nicht mehr, wie das geht.»
Kompetenzen verschwinden
Ähnlich verhält es sich, wenn man Aufgaben, die man tatsächlich beherrschte, für eine lange Zeit nicht mehr ausgeübt hat und diese dann mal wieder erledigen möchte. Auch dann stellt man oft fest: «Ich kann das nicht mehr.» Oder zumindest: «Ich benötige hierfür mehr Zeit und muss stärker nachdenken.»
Ähnliche Prozesse finden auf der organisationalen Ebene von Unternehmen statt. Auch dort registriert man immer wieder, dass Kompetenzen, die bei einer Organisation «exzellent» waren (und weshalb sie zum Beispiel für ihre Kunden ein attraktiver Partner war), ungewollt verschwinden. So klagte zum Beispiel vor einiger Zeit der CEO eines Hightech-Konzerns: «Ich verstehe nicht, warum unsere Projekte im Bereich Anlagenbau heute fast alle scheitern. Vor drei, vier Jahren waren wir darin noch spitze und für unsere Mitbewerber die Benchmark. Und heute? Heute hat man oft den Eindruck, wir hätten in der Vergangenheit nur mit Lego-Bausteinen gespielt.»
Die Ursachen für solcherlei Entwicklungen – sei es im Bereich Projekt- oder Innovationsmanagement, Führung oder Vertrieb, Kundenorientierung oder Service oder allgemein Problemlösung und Strategieumsetzung – können vielfältig sein. Eine zentrale Ursache ist jedoch: Viele Unternehmensführer betrachten die Ausgaben in den Bereichen Aus- und Weiterbildung sowie Personal- und Kompetenzentwicklung als Investitionen. Das sind sie betriebswirtlich gesehen auch. Sie haben jedoch einen anderen Charakter als Sachinvestitionen.
Haben-Posten und Bilanz
Kauft ein Unternehmen, weil ein entsprechender Bedarf besteht, Maschinen oder Gebäude, dann kann es diese auf der Haben-Seite verbuchen. Es kann in der To-do-Liste sozusagen einen Haken hinter dem Job «Maschinen anschaffen» oder «Bürogebäude kaufen» machen, weil der Bedarf zumindest vorläufig gedeckt ist.
Anders ist es, wenn ein Unternehmen Mitarbeiter zum Beispiel im Bereich Führung, Projektmanagement oder aktive Marktbearbeitung schult. Dann ist die Sache danach nicht erledigt. Denn das Unternehmen hat sozusagen nur ein Feuer entfacht. Dafür dass es weiter lodert und die gewünschte Wärme entfaltet, muss es bildhaft gesprochen regelmässig Holzscheite nachlegen – sonst ist das Feuer nur ein Strohfeuer, das bald wieder erlischt – und alle bisherigen Investitionen an Zeit und Geld waren vergebens.
Dieses Nachlegen von Holzscheiten ins Feuer «Personal- und Kompetenzentwicklung» ist unter anderem aus folgendem Grund vonnöten: In jedem grösseren Unternehmen findet neben einer gewissen Job-Rotation auch ein permanenter Personalwechsel statt. Die Mitarbeiter kommen und gehen. Deshalb ist es, selbst wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter intensiv zum Beispiel in den Bereichen Führung oder Projektmanagement schulte, nicht garantiert, dass zwei, drei Jahre später noch alle Mitarbeiter dasselbe Führungs- und Projektmanagement-Verständnis (und -Know-how) haben. Ein solches Alignment, also mentales Commitment, bleibt nur bestehen, wenn das Unternehmen alle Mitarbeiter, die eine entsprechende Position oder Funktion neu übernehmen, konsequent schult.