«Unsere Mitarbeiter müssen mehr Eigeninitiative entfalten und mehr Eigenverantwortung zeigen.» Solche Aussagen hört man in den letzten Jahren immer häufiger aus den Chefetagen der Unternehmen. Denn in vielen Unternehmen ist der Veränderungsbedarf so gross, dass er top-down weder erfasst noch befriedigt werden kann – schon gar nicht in der erforderlichen kurzen Zeit.
Also müssen die Mitarbeiter auf der sogenannten operativen Ebene aktiv werden. Sie sollen mehr Verantwortung übernehmen und beispielsweise die Initiative zum Steigern der Qualität der Leistung ergreifen. Das können sie zumindest theoretisch auch, denn im Betriebsalltag registrieren sie viel früher als ihre Vorgesetzten auf den Top-Ebenen, wenn Sand im Getriebe des Unternehmens ist – sei es in der Produktion, im Kundenkontakt oder schlicht bei der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit, um nur einige Beispiele zu nennen.
Eigenverantwortung erwünscht
Doch wann ergreifen Mitarbeiter die Initiative? Und wann übernehmen sie bereitwillig mehr Verantwortung? Selbstverständlich müssen dafür zuerst die Rahmenbedingungen gegeben sein. So sollte im Unternehmen zum Beispiel eine Struktur bestehen, die es den Mitarbeitern ermöglicht, im Rahmen ihres Aufgabengebiets eigenständig Entscheidungen zu treffen. Ausserdem sollte eine Kultur existieren, in der Mitarbeiter, wenn sie bei ihrer Arbeit begründet neue Wege gehen, nicht befürchten müssen, bei einem Scheitern am Pranger zu stehen. Das alles sind zwar notwendige Voraussetzungen dafür, dass Mitarbeiter mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen, doch das allein reicht nicht aus.
Im Betriebsalltag stellt man immer wieder fest, dass sich Mitarbeiter – selbst wenn die genannten Rahmenbedingungen gegeben sind – beim Wahrnehmen bestimmter Aufgaben völlig unterschiedlich verhalten. Während manche Mitarbeiter die ihnen gewährten Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume begeistert nutzen und zur Höchstform auflaufen, dümpeln andere weiter so vor sich hin und machen ihren «Job» – mehr schlecht als recht – nach dem gewohnten Schema F. Und wenn man sie zum Beispiel als Führungskraft darauf anspricht, warum sie sich in einer Situation so und nicht anders verhalten haben? Dann erwidern sie: «Das hat mir keiner gesagt.» Oder: «Das haben wir doch schon immer so gemacht», statt kurz nachzudenken und dann beispielsweise zu erwidern: «Da hätte ich vermutlich anders reagieren sollen. Ich lerne daraus für die Zukunft.»
Stärken individuell verschieden
Doch warum reagieren die Menschen so verschieden in ein und derselben Situation? Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Persönlichkeiten, und manche Menschen scheinen zu träge zu sein, um sich überhaupt aufzuraffen. Doch dies ist eher die Ausnahme. Viel entscheidender ist: Wir alle haben unterschiedliche Talente und Stärken.
Ein allgemein bekanntes Sprichwort lautet: «Aus einem Ackergaul kann man kein Rennpferd machen.» Ebenso gilt umgekehrt: «Aus einem Rennpferd kann man keinen Ackergaul machen.» Ähnliches gilt für Menschen. Auch sie haben aufgrund ihrer persönlichen Disposition verschiedene Talente und aufgrund ihrer Sozialisation unterschiedliche Stärken. Deshalb begeistern sie sich für unterschiedliche Aufgaben. Während der eine beispielsweise zu Topform aufläuft, wenn er alleine für sich, im stillen Kämmerchen eine komplexe Aufgabe lösen kann, blüht der andere auf, wenn er sich bei seiner Arbeit mit möglichst vielen Menschen austauschen und neue Ideen entwickeln kann.
Intrinsische Motivation
Psychologen und HR-Experten nennen Personen, die bei einer Tätigkeit regelrecht aufblühen, «intrinsisch motiviert». Das heisst, sie brauchen keinen Antrieb von aussen. Auch wie viel Anerkennung sie – monetär oder ideell – im Erfolgsfall bekommen, ist ihnen zumindest beim Erfüllen der Aufgabe «egal». Denn die Aufgabe selbst reizt sie und macht ihnen Freude. Solch intrinsisch motivierte Mitarbeiter brauchen Unternehmen künftig in der von rascher Veränderung und geringer Planbarkeit geprägten «Vuca»-Welt verstärkt, wenn sie erfolgreich sein wollen. Doch wie können Unternehmen diese Mitarbeiter gewinnen – in einem Arbeitsmarkt, der heute schon geprägt ist durch einen Mangel an qualifizierten und motivierten Fach- und Führungskräften? Die klassische Antwort auf diese Frage lautet: Wir müssen als Unternehmen ein gezieltes Talent-Management betreiben – also durch ein entsprechendes Recruiting und eine strategisch orientierte Personalentwicklung dafür sorgen, dass wir auch noch in drei, fünf oder gar zehn Jahren, die Mitarbeiter mit den erforderlichen Kompetenzen haben.