Mensch & Arbeit

Mitarbeiterführung

Vom Leistungsdruck zur Leistungsfreude

Termin- und Leistungsdruck belasten Mitarbeiter wie Führungskräfte. Nicht selten führen diese Dauerbelastungen auch zu psychischen Problemen. Die Ausfälle wegen Krankheit steigen. Wie Unternehmen die äusseren Bedingungen für ihre Mitarbeiter stressfreier gestalten und damit auch deren Leistungsfähigkeit steigern können, zeigt dieser Beitrag.
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Führungskräfte im Mittelstand haben es täglich mit sehr verschiedenen Herausforderungen in einem komplexen Umfeld zu tun. Dabei sind sie in der freien Wildbahn Wirtschaft ganz ohne «Konzernpuffer» unterwegs: Jede Entscheidung, die sie treffen, hat direkt vollen Impact auf Unternehmen und Belegschaft. Ihre Aufgaben sind von Vielseitigkeit, Unmittelbarkeit und hoher Verantwortlichkeit geprägt. Sie müssen den Informationsfluss und die Kommunikationswege beherrschen sowie ihr Wissen auf dem aktuellen Stand halten. Sie brauchen Strategien, um gegen die «Grossen» wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie müssen global denken, obwohl sie von Hause aus vielleicht immer eher regional agiert haben.

Neben all diesen Aufgaben und Verantwortungen müssen Unternehmer von ihren Führungskräften fordern, die Motivation ihrer Mitarbeiter zu fördern. Viele Mitarbeiter, die zum Teamleiter oder Vorgesetzten befördert werden, haben aber nie gelernt, Menschen zu führen. Gerade in KMU wird der beste Mitarbeiter seines Bereiches oft zur Führungskraft gemacht. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn der beste Mitarbeiter ist nicht gleich auch automatisch ein guter Leader. Fehlbesetzungen haben zur Folge, dass die Führungskräfte mit ihren Aufgaben und Verantwortungen überfordert sind und irgendwann an die Grenze ihrer Produktivität und Kraft stossen. Oft reagieren sie auf solche Stresssituationen, indem sie den Druck an ihre Mitarbeiter weitergeben, anstatt diese wirkungsvoll zu führen und zu entwickeln.

Was können Unternehmen wirklich tun, um Motivation und Leistungsfreude für mehr Erfolg ihrer Mitarbeiter zu sichern? Klar ist: Der Mensch ist zu 50 Prozent selbst für sein Wohlbefinden verantwortlich. Das kann er über seine Einstellung, seinen Fokus und seine Motivation beeinflussen. Die anderen 50 Prozent werden von aussen gesteuert. Und diese äusseren Bedingungen sind nicht nur Zahlen und Fakten zur aktuellen Unternehmenslage, sondern das, was man allgemein unter «Betriebsklima» versteht.

Bei Massnahmen der Unternehmen, die ihre Mitarbeiter entlasten sollen, ist häufig schnell die Rede von flexibleren Arbeitszeiten, weniger Druck, mehr Freiräumen oder höheren Gehältern. Viel grösseren Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter aber haben die Führungskräfte, die ganz nah dran sind am Geschehen und an den Menschen. Um ihren Leuten dabei zu helfen, aus Leistungsdruck Leistungsfreude zu entwickeln, müssen Führungskräfte verstehen, was ihre Mitarbeiter motiviert und antreibt. Dazu ist es notwendig, die individuellen Motive der Menschen zu kennen und entsprechend zu bedienen.

Die Gehirnforschung hat bewiesen: Mitarbeitermotivation durch den Chef oder die Führungskraft in Form von Belohnung oder Bestrafung verursacht nur kurzzeitige Effekte. Neurowissenschaftler fanden heraus, dass beispielsweise Gehaltserhöhungen einen messbaren Effekt von lediglich rund 48 Stunden im Gehirn verursachen. Auch wenn Geld ein echter Motivator für Menschen sein kann, so reicht es nicht aus, die Gehälter zu erhöhen. Kurzfristig werden die Mitarbeiter zwar motiviert und die Qualität ihrer Arbeit steigt, weil sie dafür einen entsprechenden Gegenwert erhalten. Mittel- und langfristig allerdings ist eine Gehaltserhöhung nichts anderes als ein Anreiz von aussen, dessen Wirkung schneller verpufft, als es sich die meisten Führungskräfte wünschen.

Die Wirkung ist vergleichbar mit der von Koffein und Zucker. Kurzfristig ist eine Steigerung erkennbar, doch mittelfristig sinken Leistungsbereitschaft und Qualität der Ergebnisse – oft sogar unter das ursprüngliche Niveau. Wenn jemand Werte wie Motivation, Engagement und Mitgefühl fördern will, indem er entsprechende Handlungen belohnt, dann unterstützt er diese Entwicklung nicht, sondern schadet ihr. Mit Belohnung erreichen Führungskräfte am Ende das Gegenteil von dem, was sie eigentlich wollten.

Fünf Motivationsfaktoren

Wer andere Menschen häufig belohnt, in Form von Geld oder auch Lob, zieht die Aufmerksamkeit des Empfängers von dessen ursprünglicher Motivation ab und richtet sie auf den von aussen kommenden Impuls. Genau so wird Abhängigkeit geschaffen. Genau hier beginnen wir, andere zu bewerten. Führungskräfte werden ihrer Verantwortung, die Erfahrungen ihrer Mitarbeiter durch äussere Umstände positiv zu beeinflussen, so nicht gerecht. Und das macht – wenn wir uns an den Einstieg dieses Beitrags erinnern – einen Grossteil, nämlich 50 Prozent, des persönlichen Wohlbefindens des Mitarbeiters aus.

Richtig kommt die Bedeutung von Führungskräften in Unternehmen dann zum Tragen, wenn man ihre Hauptaufgabe betrachtet: Sie sollen für positive Erfahrungen ihrer Mannschaft sorgen und die Menschen entwickeln. Hierarchisch stehen Führungskräfte heute über ihren Mitarbeitern, doch als Mensch hat jeder im Unternehmen exakt den gleichen Wert. Gleichwertig, jedoch nicht gleichberechtigt. Deshalb gilt es, konkrete Faktoren und Regeln zu beachten, um Menschen erfolgreich zu führen.

Erfolgsfaktor 1: Respekt

Menschen wollen geführt werden – nicht vorgeführt. Wer also nicht jeden Menschen in einem Team wertschätzt, der verliert den Respekt von vielen und vor vielen. In schwierigen Zeiten einzelne Personen für deren schwächere Leistungen zu ignorieren, führt nirgendwo hin, ausser direkt in den Abgrund. Menschen, die man nicht respektiert, werden zu Menschen, die ihrerseits nicht respektieren – weder Autoritäten noch Ziele und Werte noch Spielregeln.

Erfolgsregel 1

Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter nicht als Personal, sondern als Persönlichkeiten. Stellen Sie sicher, dass sich jeder zu jederzeit wertgeschätzt und als Mensch, nicht als Arbeitskraft, respektiert fühlt.

Erfolgsfaktor 2: Freude und Spass

Aus der Gehirnforschung weiss man schon lange, dass Lernen nur dann effektiv möglich ist, wenn der Mensch dabei Freude empfindet. Das Gleiche gilt für Topleistungen. Ohne Freude sind nachhaltige Spitzenleistungen unmöglich, weil der Antrieb zum Lernen fehlt. Natürlich ist nicht alles im Job lustig, doch wenn sich Arbeit wie eine Strafe anfühlt, dann tötet man die Leistungsfreude eines jeden Menschen unvermeidbar ab.

Erfolgsregel 2

Wo nicht gelacht wird, kann auch nicht gewonnen werden. Menschenführung ist ohne Freude, Spass und positive Begeisterung unmöglich.

Erfolgsfaktor 3: Freiheit

Ein menschliches Grundmotiv ist Freiheit. Wer seine Mitarbeiter zu stark einengt, kontrolliert und an die Kette legt, bekommt sehr bald die Quittung dafür. Genau das ist der Unterschied zwischen Menschenführung und Menschenunterdrückung. Auf den Verlust von Freiheit wird eine Person immer auf eine von zwei verschiedenen Weisen reagieren. Entweder sie verblüht und gibt auf. Die Folge: Der Mensch kündigt innerlich und wirkt frustriert oder antriebslos. Wer nicht resigniert, wird aggressiv, lehnt sich massiv auf, betreibt Mobbing, Machtkämpfe, wird egozentrisch und bricht jegliche emotionale Beziehung zu demjenigen ab, der für das mangelnde Freiheitsgefühl verantwortlich ist. Die Folge: Die Führungskraft erreicht ihr Team nicht mehr.

Erfolgsregel 3

Menschen bringen Topleistungen, wenn man sie entfaltet, anstatt sie zusammenzufalten. Je grösser der Raum für persönliche Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten ist, desto eher kann ein Mitarbeiter über kurz oder lang seine volle Grös­se zeigen.

Erfolgsfaktor 4: Selbstbewusstsein

Ein einfaches Prinzip der erfolgreichen Menschenführung lautet: Stärken stärken, Schwächen managen. Wer oft hört, was er alles nicht kann, der weiss darüber auch sehr bald sehr gut Bescheid. Spitzenleistungen im Team werden nur möglich, wenn sich jeder Einzelne darüber bewusst ist, welche individuellen Qualitäten ihn auszeichnen. Das bedeutet nicht, dass man Probleme und Schwächen ignorieren muss. Im Gegenteil: Es geht darum, die vorhandenen Stärken, Ressourcen und Potenziale dafür zu nutzen, um diese Schwachstellen auszubügeln und Probleme zu lösen.

Erfolgsregel 4

Der Input bestimmt den Output. Das, was Sie Ihren Mitarbeitern am häufigsten sagen bzw. sie am häufigsten spüren lassen, ist entscheidend dafür, was am Ende als Folge dessen herauskommt.

Erfolgsfaktor 5: Fehler-Toleranz

Babys fallen beim Versuch, gehen zu lernen, durchschnittlich 270 Mal auf den Hintern. Erfolg ist ohne Fehler unmöglich, denn Erfolg basiert auf Erfahrungen. Erfahrungen resultieren ihrerseits allerdings wieder aus Fehlern und Misserfolgen. Wer Mitarbeitern den Mut nimmt, Fehler machen zu dürfen, der verursacht Angst. Denn jeder weiss: Ich kann keine Topleistungen bringen, ohne auch mal Fehler zu machen. Die Folge: Stagnation und fehlende Bewegung durch Verkrampfung.

Erfolgsregel 5

Halten Sie sich an die drei Grundsätze, die Google in den USA seinen Mitarbeitern mitgibt: 1. Machen Sie Fehler. 2. Machen Sie viele Fehler, aber keinen Fehler mehrfach. 3. Machen Sie diese Fehler schnell. Genau diese Form von Menschenführung führt zum notwendigen Quantensprung, von der Ressourcennutzung hin zur Potenzialentfaltung. «

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