Mensch & Arbeit

Empowerment

Unternehmerischer Mut lässt sich erlernen

Viele Menschen denken, unternehmerischen Mut hat man – oder eben nicht. Das jedoch ist ein Irrglaube. Unternehmerischer Mut kann entwickelt werden. Wie das funktioniert, zeigt nachstehender Beitrag.
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Mehr Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, mehr Motivation, mehr Einsatz, mehr lösungsorientiertes Vorgehen …. – in Sachen Intrapreneurship besteht in vielen mittelständischen Unternehmen Handlungsbedarf. Die Motivation, im Selbstverständnis des Betriebs eigenständig zu handeln und konsequent Veränderung anzugehen, ist zwar bei den meisten Mitarbeitern vorhanden. Sie wird aber häufig überlagert durch Angst und Frust. Oder es hakt bei der Umsetzungskompetenz. Was fehlt, ist das Empowerment – die Befähigung, Veränderungen mit Mut anzugehen.

Eine Grundsatzentscheidung

Doch wie kann das gelingen? Entscheidend ist das «Ja» vom Mitarbeiter. Denn beim unternehmerischen Mut geht es letztlich um eine Grundsatzentscheidung für das eigene Feuer. Es geht damit um eine Haltung, die Sie als Führungskraft und Mitarbeiter spontan und zugleich rational einnehmen sollten. Die Entscheidung muss immer wieder neu getroffen werden, bis Sie tief in sich spüren: «Ich lebe diesen Mut!» Diese innere Entschlossenheit zu entwickeln geht manchmal schneller, als man denkt. Es kann aber auch Jahre dauern, denn es betrifft eine sehr tiefe Ebene unseres Seins. Zudem kämpft unser innerer Schweinehund dagegen an.

Wichtig ist: Die grundsätzliche Entscheidung, ein mutiger Mensch werden zu wollen, darf nicht verwechselt werden mit grundlegenden wichtigen Entscheidungen wie eine Unternehmensgründung oder eine Investition. Ich höre oft, dass Menschen sagen: «Wenn die Gelegenheit da ist, werde ich meinen Mut zeigen.» Es sollte sich aber vielmehr so verhalten, dass Mut über Jahre eingeübt wird. Nur dann kann ich neue Heraus­forderungen, worin auch immer diese bestehen, handlungssicher angehen.

Mut ist nicht angeboren

Unternehmerischer Mut braucht also einen Prozess, den sich Menschen und Organisationen stellen können. Diese Erkenntnis, dass sich unternehmerischer Mut entwickeln lässt, ist von grosser Bedeutung, denn viele Menschen gehen davon aus, dass unternehmerischer Mut angeboren ist. Erst wenn diese Barriere intellektuell geknackt ist, kommt die zweite Barriere: Will ich das?

Neben dem Wollen braucht unternehmerischer Mut freilich noch mehr: das notwendige Können sowie die Möglichkeit, dass sich das Feuer entwickeln kann. Aus Sicht des Autors ist das Wollen jedoch das Schwierigste – sich dem Prozess stellen, ihn aushalten, dranbleiben. Dafür ist unter anderem ein dynamisches Selbstbild nötig, das Veränderungsmöglichkeiten voraussetzt: Sie müssen an Entwicklungschancen glauben und an sich selbst die Forderung zur ständigen Weiterentwicklung stellen. Statt «Das kann ich nicht!» sollte «Das kann ich noch nicht!» Ihr Motto sein, statt «Ich muss!» «Ich will!». Und anstatt zu sagen «So bin ich einfach!» und «Das ist hoffnungslos!» sollten Sie sich fragen, ob Sie sich ändern wollen beziehungsweise überlegen, welche Alternativen es gibt.

Prozess-Hilfen

Holen Sie sich immer wieder Ihr inneres «Ja» ab. Das ist wie ein Vertrag mit Ihnen selbst. Und es ist Ihr erster Brandbeschleuniger, um das Feuer des unternehmerischen Mutes zu entfachen und am Laufen zu halten. Kommt Ihnen auf die Frage «Wollen Sie unternehmerischen Mut in Ihrem Leben?» kein «Ja» von den Lippen, sind Sie sich einfach nicht sicher, ist das kein Grund resigniert zu sein. Es bedeutet lediglich: Gut Ding will Weile haben. Die Erkenntnis, dass Ihr Prozess Zeit braucht, wird Ihnen weiterhelfen. Durchhaltevermögen ist Brandbeschleuniger Nummer zwei.

Brandbeschleuniger drei: Sie haben einen intuitiven Zugang zu Ihrem Mut, eine innere Vorstellung davon. Was heisst das? Jeder unternehmerische Zugewinn an Wissen und Erkenntnis wird von Ihnen Im Kern als Prinzip so einfach und klar wie möglich abgespeichert. Dies führt letztlich dazu, dass Leistungen selbstverständlich werden. In meiner Zeit als Jongleur habe ich oft den Satz «Das würde ich nie hinkriegen!» gehört. Dabei habe ich für das Jonglieren mit sieben Bällen nur ein paar Jahre geübt, was dazu geführt hat, dass mir das Vorführen immer leicht gefallen ist. Genau darum geht es: Wenn Sie beim unternehmerischen Denken und Handeln dranbleiben, werden die Dinge in Ihnen selbstverständlich. Es wird Ihnen einfach und klar.

Wichtig ist darüber hinaus – und das ist Brandbeschleuniger Nummer vier –, dass Sie unterstützende Wegbegleiter um sich haben. Wir alle brauchen Menschen, die an uns glauben. Gerade in den ersten Monaten als neue Führungsperson oder den ersten Jahren einer selbstständigen Existenz muss unser inneres Feuer mithilfe von fördernden Chefs, Mentoren oder Freunden am Lodern gehalten werden. Es gibt keine Motivationsrambos, die immer aus sich heraus top motiviert sind. Motivation entsteht über Beziehung.

Kommen wir zu Brandbeschleuniger fünf: dem produktiven Umgang mit Rückschlägen. Rückschläge wird es in Ihrem Berufsleben immer geben. Entscheidend ist, wie Sie damit umgehen. Je nachdem können Rückschläge Kraft geben, denn man kann aus ihnen lernen – sei es etwas über Strategie, über den Markt, über das Produkt oder über das Marketing. Voraussetzung: Sie müssen sich den unbequemen Fragen der Rückschläge stellen:

  • Worum geht es eigentlich?
  • Wie ist es zum Scheitern / zum Fehler gekommen?
  • Was ist Ihr Anteil daran?
  • Was können Sie daraus lernen?
  • Wollen Sie die Konsequenzen daraus umsetzen?

Der grösste Brandbeschleuniger ist der sechste: Sie brauchen eine innere Ausrichtung – vom Selbstverständnis bis hin zur Vision. Damit Sie Ihre Ziele klar benennen können, eine positive Identität in Ihrem Berufsleben finden und letztlich Selbstbewusstsein und unternehmerischen Mut entwickeln, ist es sinnvoll, dass Sie sich mit Ihrer Biografie beschäftigen. Konkret: Es gilt, die vielen «losen Enden des Lebens» zusammenzuführen und Ihren Werdegang unter dem Blickwinkel des eigenen beruflichen Feuers zu betrachten.

Persönliche Lebensstrategie

Für das Erarbeiten Ihrer persönlichen Lebensstrategie empfehle ich das Em­powerment-Systemmodell (siehe Ab­bildung Seite 3). Dieses wird Sie in die Lage versetzen, die «Schätze» Ihres Lebensweges besser kennenzulernen und sich Ihrer Motivatoren bewusst zu werden, um Ihre Ziele zu erreichen.

So erlaubt es einen intuitiven Zugang zum roten Faden im eigenen Leben und wie dieser weiter gesponnen wird. Dabei geht es zunächst darum, die eigenen Ressourcen zu erkunden.

1. Stationen Ihres Lebens / Werdegang

Schreiben Sie (in Schlagworten), Ihren Werdegang, die Stationen Ihres Lebens nieder. Hierzu gehören auch Auslandsaufenthalte, lange Reisen oder Nebenjobs, intensive Hobbys, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen und nicht abgeschlossene Ausbildungen. Sollte es Stationen geben, die Sie nie wieder erleben wollen, machen Sie dahinter einen roten Blitz. Streichen Sie diese Station aber nicht, denn die dabei erworbenen Ressourcen haben Sie in Ihrem Leben verankert. Aus dem gleichen Grund ist es wichtig, auch «Störungen» wie eine ungerechtfertigte Kündigung oder ein erlebtes Burn-out in den Erfahrungsschatz aufzunehmen.

2. Fähigkeiten und Erfahrungen

Schreiben Sie als Nächstes Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen auf. Notieren Sie die ersten zehn Dinge, in denen Sie richtig fit sind. Welche Probleme können Sie gut lösen? Wo sind Sie besonders kreativ? Wo liegt Ihre grosse Fachkompetenz? Wenn Sie die ersten Gedanken zu Papier gebracht haben, schauen Sie sich Ihre Stationen an und prüfen Sie bei jeder Station Ihres Werdegangs, ob Sie die jeweils damit verknüpfte Fähigkeit oder Erfahrung aufgeschrieben haben. Manchmal kommt es dabei zu überraschenden Momenten. Beispiel: Eine Klientin von mir hatte neben ihrem Studium einige Jahre als Türsteherin gearbeitet. «Da lernte ich, dass ich selbst in den schwierigsten Situationen in jedem Job immer relaxed reagieren sollte und das auch kann», beschreibt sie ihren Gewinn aus der Zeit.

3. Job / Projekt

Kommen Sie als Nächstes zu Ihrem Job /Ihrem Projekt. Beschreiben Sie in kurzen Sätzen oder einer Stichwortkette Ihren Arbeitsplatz beziehungsweise das, was Sie dort vorhaben – etwa ein gross angelegtes Projekt oder den nächsten Karriereschritt, den Sie gehen wollen.

4. Team

Anschliessend gehen Sie zum dritten Bereich über: das Team, mit dem Sie täglich arbeiten. Listen Sie die fünf bis zehn wichtigsten Bezugspersonen aus Ihrem Berufsalltag mitsamt deren Funktionen auf. Sie können dahinter auch Ihre Arbeitsbeziehung zu diesen Kollegen gewichten – etwa mit Smileys. Sinnvoll ist dies auch bei einem angehenden Job unter der Fragestellung, wen Sie auf jeden Fall in Ihrem Team vorfinden wollen. Hier sind im Übrigen keine namentlichen Personen gemeint, sondern Positions- und Funktionsträger, die über Kompetenzen verfügen, die Sie unbedingt benötigen, um Ihr Wunschprojekt zu realisieren oder Ihren Arbeitsplatz nach Ihren Vorstellungen zu gestalten.

5. Ziele und Ertrag

Welche Ziele wollen Sie mit Ihrer Arbeit erreichen? Was wünschen Sie sich als Ertrag Ihrer Arbeit? Notieren Sie Ihr realistisch zu erwartendes oder erwünschtes Monatseinkommen – sowohl den monatlichen Bruttobetrag im kommenden Jahr als auch den Wunschbetrag in drei Jahren und in sieben Jahren. Tragen Sie zudem jegliche nicht-materiellen Ziele ein – etwa Zufriedenheit über Ergebnisse, Anerkennung, innerliches Wachstum etc.

6. Werte und Prinzipien

Im Zentrum des Empowerment-Systemmodells steht Ihr eigener Kern. Es gilt, dass Sie sich Ihrer inneren Werte und Prinzipien bewusst werden. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Daher einige Tipps:

  • Achten Sie darauf, worüber Sie sich so richtig ärgern. Nicht selten ärgert man sich nämlich über Dinge, die einem wichtig sind, die man aber nicht ausleben kann oder bislang übersehen hat beziehungsweise übergangen ist.
  • Wohin gehen Ihre Gedanken beim Einschlafen? Welches Thema wiederholt sich da? Oft korrelieren diese Tagträume mit den eigenen Werten.
  • Vergleichen Sie alle aufgeschriebenen Werte miteinander und priorisieren Sie. Ähneln sich manche Werte stark? Welcher ist stärker ausgeprägt? Schauen Sie auch, ob Sie vielleicht nicht manche Werte einfach von Ihrem Umfeld übernommen haben, ohne wirklich hinter ihnen zu stehen.

Entscheidungen mit System

Nachdem Sie alles eingetragen haben, verknüpfen Sie die einzelnen Bereiche mit Pfeilen: Werdegang sowie Fähigkeiten und Erfahrungen führen zum Job /Projekt, Ihr Job ist direkt mit dem Team verknüpft, das Team (Chef) mit dem Ertrag. Von dort geht wiederum ein Pfeil zu den Ressourcen, denn mit dem Ertrag können Sie Ihren Ressourcenpool vergrössern. In der Mitte stehen die Werte und Prinzipien, die in alle anderen Bereiche hineinreichen. Achten Sie darauf, wo es Spannungen und wo es Entwicklungsmöglichkeiten gibt.

Sinn und Zweck der Übung: Sie werden sich Ihrer Pläne und Projekte bewusster und erhalten Aufschluss über die Mittel und Möglichkeiten, die Ihnen für die systematische und zielorientierte Realisierung zur Verfügung stehen. Prüfen Sie, welche Parameter Sie ändern sollten. Insgesamt wird Ihnen zudem klarer, wie Sie Ihre Passung von Lebenslauf, Werten und Zielen sinnvoll im Job einsetzen können. All dies wird Sie zu verantwortbaren Entscheidungen führen – die Grundlage schlechthin, Veränderungen künftig mit Mut anzugehen.

Porträt