Mensch & Arbeit

anavant-Präsidium

Roman Odermatt – 100 Tage im Amt

An der Generalversammlung am 22. März 2024 wählten die anavant-Mitglieder Roman Odermatt einstimmig zum Nachfolger des scheidenden Präsidenten Pascal Bühlmann. Nach 100 Tagen im Amt zieht er zusammen mit seinem Vorgänger ein erstes Fazit.

Roman Odermatt, wie fühlen Sie sich nach den ersten 100 Tagen im Amt? 

Immer noch gut (lacht). Ich durfte eine sehr spannende Aufgabe übernehmen und Pascal hat mich optimal darauf vorbereitet. Fast ein Dreivierteljahr haben wir intensiv zusammengearbeitet und die anstehenden Themen besprochen. Pascal und der Vorstand haben alles sehr gut aufgegleist, wir haben kompetente und topmotivierte Leute in der Organisation und es läuft gut. Selbstverständlich gibt es auch bei anavant Herausforderungen. Seit der Amtsübernahme erhalte ich einen vertieften Einblick, ich erkenne immer mehr, wie die einzelnen Akteure zusammenarbeiten und wie wir weiter vo­rankommen. 

Wo besteht Handlungsbedarf?

Mir ist es wichtig, dass wir unsere Aktivitäten verstärken. In der Öffentlichkeit ist zu wenig bekannt, dass wir der Trägerverband der Berufsprüfung für Technischer Kaufmann / Technische Kauffrau mit eidg. Fachausweis (TK) sind. Zudem wollen wir die Mitgliederzahl weiter erhöhen. Mit attraktiven Partnerschaften und weiteren Zusatzleistungen steigern wir den Nutzen für die aktuellen 1500 und die neuen Mitglieder. Langfristig sehe ich uns als Netzwerk-Plattform. Mit dem sehr speziellen Berufsbild des TK kann man uns keiner spezifischen Branche zuordnen. Unsere Absolventinnen und Absolventen stammen aus den unterschiedlichsten handwerklichen oder technischen Branchen, wobei die Auto-, Elektro- und Holzindustrie am stärksten vertreten sind. Diese Sonderstellung möchten wir verstärkt nutzen, um unterschiedliche Branchen unter einem Dach zu vernetzen.

Pascal Bühlmann, nach elf Jahren im Vorstand – davon neun Jahre als Präsident – haben Sie die Übergabe souverän vollzogen. Auf welche Meilensteine schauen Sie zurück?

Als Vorstand haben wir die Organisation dahin gebracht, wo sie jetzt ist. Das war ein langer Prozess, der immer unter der Thematik der Professionalisierung stand. Dazu gehörten auch personelle Entscheidungen, die sich als wertvoll für den Verband herauskristallisiert haben. In diesem Zusammenhang war die ­Rekrutierung und Einstellung des neuen Geschäftsführers Angelico Schneider ein wich­tiger Meilenstein. In der Schlussphase meiner Amtszeit galt es vor allem, für die infolge Pensionierungen zu besetzenden Schlüsselposi­tionen die richtigen Leute zu finden. 

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen, denen Technische Kaufleute heute gegenüberstehen?

Der Markt und die Bildungslandschaft verändern sich schnell und damit auch die Anforderungen an die Technischen Kaufleute. Der technologische Wandel wird die Prüfung deutlich verändern. Auch KI wird sich gewaltig auswirken. Diesem Umstand müssen wir Rechnung tragen und die TK-Ab­solventinnen und -Absolventen bestmöglich darauf vorbereiten. Ich bin überzeugt davon, dass Technische Kaufleute gegenüber Berufsleuten ohne betriebswirtschaftliche Weiterbildung weiterhin besser auf­gestellt sind. 

Und wie beurteilen Sie den Einfluss der künstlichen Intelligenz, Roman Odermatt?

Die 08/15-Standardprozesse im kaufmän­nischen Bereich werden künftig durch KI ausgeführt. Also müssen Berufsleute etwas mitbringen, das sich nicht durch künstliche Intelligenz ersetzen lässt. Die Kombination aus einer handwerklichen Lehre und einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung befähigt TKs, Inhalte zu interpretieren, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und die beteiligten Fachleute zu vernetzen. Nehmen wir als Beispiel die Baubranche: Es gilt, das Zusammenspiel zwischen Architekten, Bauleitern, Bauherren und ausführenden Gewerken zu koordinieren. 

Hat anavant schon auf die Entwicklungen reagiert, Pascal Bühlmann?

Mit der Überarbeitung der Prüfungsordnung haben wir den Weg schon einge­schlagen und den mündlichen Teil massiv aus­gebaut. Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren wird noch lange nicht von KI übernommen werden. Wie Roman schon sagte: Die Kombination von technisch-handwerklichem und kaufmännischem Know-how macht den Erfolg des TK aus. Nun gilt es, dieses Know-how mit Kompetenzen hinsichtlich des rasanten technologischen Wandels auf die neue Ebene zu bringen. 

Roman Odermatt, wie stärkt anavant Technische Kaufleute gegenüber Studienabgängern?

Mit dem dualen Bildungsweg bietet sich Berufsleuten in der Schweiz eine hervorragende Möglichkeit, nach der Lehre eine höhere Berufsbildung zu absolvieren. Der hohe Praxisbezug und die vorgängige Berufslehre sind klare Vorteile gegenüber dem rein akademischen Weg. In Zusammenarbeit mit anderen Berufsverbänden erhalten wir mehr Gewicht, um die höhere Berufsbildung zu stärken. Das ist wichtig, denn die Bildungslandschaft verändert sich rasant und die Hochschulen bieten ein immer breiteres Bildungsangebot auch in der beruflichen Weiterbildung an. Diesem Fakt müssen sich die Schulen und wir als Berufsverband stellen. 

Die Einführung der Titelzusätze «Professional Bachelor» und «Professional Master» ist Mitte Juni in die Vernehmlassung gegangen – für uns ein grosser Schritt. Damit erhält die höhere Berufsbildung hoffentlich bald die verdiente Anerkennung und Gleichwertigkeit.

Braucht es den Titel «Professional Bachelor?»

In der Schweiz wird derzeit intensiv über die Einführung der neuen Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» diskutiert. Diese Titel sollen für Absolventen der höheren Berufsbildung (HBB) eingeführt werden, um deren Abschlüsse besser im internationalen Kontext vergleichbar zu machen und deren Anerkennung zu stärken. Ein entsprechender Vorschlag ist aktuell in der Vernehmlassung.

Hintergrund

Die höhere Berufsbildung in der Schweiz geniesst einen hervorragenden Ruf und trägt wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft bei. Bisher führten die Abschlüsse jedoch zu Verwirrung, da sie nicht direkt mit den akademischen Bachelor- und Master-Abschlüssen vergleichbar sind. Diese Diskrepanz hat oft zur Folge, dass die hohe Qualität und Praxisnähe der HBB-Abschlüsse im Ausland nicht vollständig anerkannt werden.

Befürworter der Einführung der neuen Titel – wie anavant, als Träger der eidgenössischen Berufsprüfung der Technischen Kaufleute – argumentieren, dass «Professional Bachelor» und «Professional Master» die Attraktivität der höheren Berufsbildung erhöhen und deren internationale Anerkennung verbessern würden. Dies könnte dazu beitragen, mehr junge Menschen für diese Bildungswege zu gewinnen und somit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Gegner – allen voran die traditionellen Universitäten – befürchten jedoch, dass die Einführung der neuen Titel zu einer Verwäs­serung der bestehenden akademischen Abschlüsse führen könnte und Verwirrung stiften würde, wenn die Unterschiede zwischen den akademischen und den profes­sionellen Abschlüssen nicht klar kommuniziert werden.

Argumente pro Einführung

  • Internationale Vergleichbarkeit: Die neuen Titel würden die Abschlüsse der höheren Berufsbildung international besser verständlich machen und deren Anerkennung fördern.
  • Attraktivität der HBB: Durch die Einführung der Titel könnte die höhere Berufsbildung (wie die TK-Weiterbildung) an Attraktivität gewinnen, was mehr Stu­dierende anziehen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken könnte.
  • Stärkung des dualen Bildungssystems: Die Titel könnten das duale Bildungssystem weiter stärken, indem sie die Karrierechancen der Absolventen der höheren Berufsbildung verbessern.

Unsere Empfehlung

Die Einführung der Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» sollte unterstützt werden. Sie bietet eine wertvolle Möglichkeit, die höhere Berufsbildung in der Schweiz zu stärken und deren internationale Anerkennung zu fördern. Es ist jedoch wichtig, klare Kommunikationsstrategien zu entwickeln, um die Unterschiede zu den akademischen Abschlüssen deutlich zu machen und somit Missverständnisse zu vermeiden. (Juni 2024, Rolf Meyer, Präsident Prüfungskommission Berufsprüfung TK)