Roman Odermatt, wie fühlen Sie sich nach den ersten 100 Tagen im Amt?
Immer noch gut (lacht). Ich durfte eine sehr spannende Aufgabe übernehmen und Pascal hat mich optimal darauf vorbereitet. Fast ein Dreivierteljahr haben wir intensiv zusammengearbeitet und die anstehenden Themen besprochen. Pascal und der Vorstand haben alles sehr gut aufgegleist, wir haben kompetente und topmotivierte Leute in der Organisation und es läuft gut. Selbstverständlich gibt es auch bei anavant Herausforderungen. Seit der Amtsübernahme erhalte ich einen vertieften Einblick, ich erkenne immer mehr, wie die einzelnen Akteure zusammenarbeiten und wie wir weiter vorankommen.
Wo besteht Handlungsbedarf?
Mir ist es wichtig, dass wir unsere Aktivitäten verstärken. In der Öffentlichkeit ist zu wenig bekannt, dass wir der Trägerverband der Berufsprüfung für Technischer Kaufmann / Technische Kauffrau mit eidg. Fachausweis (TK) sind. Zudem wollen wir die Mitgliederzahl weiter erhöhen. Mit attraktiven Partnerschaften und weiteren Zusatzleistungen steigern wir den Nutzen für die aktuellen 1500 und die neuen Mitglieder. Langfristig sehe ich uns als Netzwerk-Plattform. Mit dem sehr speziellen Berufsbild des TK kann man uns keiner spezifischen Branche zuordnen. Unsere Absolventinnen und Absolventen stammen aus den unterschiedlichsten handwerklichen oder technischen Branchen, wobei die Auto-, Elektro- und Holzindustrie am stärksten vertreten sind. Diese Sonderstellung möchten wir verstärkt nutzen, um unterschiedliche Branchen unter einem Dach zu vernetzen.
Pascal Bühlmann, nach elf Jahren im Vorstand – davon neun Jahre als Präsident – haben Sie die Übergabe souverän vollzogen. Auf welche Meilensteine schauen Sie zurück?
Als Vorstand haben wir die Organisation dahin gebracht, wo sie jetzt ist. Das war ein langer Prozess, der immer unter der Thematik der Professionalisierung stand. Dazu gehörten auch personelle Entscheidungen, die sich als wertvoll für den Verband herauskristallisiert haben. In diesem Zusammenhang war die Rekrutierung und Einstellung des neuen Geschäftsführers Angelico Schneider ein wichtiger Meilenstein. In der Schlussphase meiner Amtszeit galt es vor allem, für die infolge Pensionierungen zu besetzenden Schlüsselpositionen die richtigen Leute zu finden.
Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen, denen Technische Kaufleute heute gegenüberstehen?
Der Markt und die Bildungslandschaft verändern sich schnell und damit auch die Anforderungen an die Technischen Kaufleute. Der technologische Wandel wird die Prüfung deutlich verändern. Auch KI wird sich gewaltig auswirken. Diesem Umstand müssen wir Rechnung tragen und die TK-Absolventinnen und -Absolventen bestmöglich darauf vorbereiten. Ich bin überzeugt davon, dass Technische Kaufleute gegenüber Berufsleuten ohne betriebswirtschaftliche Weiterbildung weiterhin besser aufgestellt sind.
Und wie beurteilen Sie den Einfluss der künstlichen Intelligenz, Roman Odermatt?
Die 08/15-Standardprozesse im kaufmännischen Bereich werden künftig durch KI ausgeführt. Also müssen Berufsleute etwas mitbringen, das sich nicht durch künstliche Intelligenz ersetzen lässt. Die Kombination aus einer handwerklichen Lehre und einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung befähigt TKs, Inhalte zu interpretieren, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und die beteiligten Fachleute zu vernetzen. Nehmen wir als Beispiel die Baubranche: Es gilt, das Zusammenspiel zwischen Architekten, Bauleitern, Bauherren und ausführenden Gewerken zu koordinieren.
Hat anavant schon auf die Entwicklungen reagiert, Pascal Bühlmann?
Mit der Überarbeitung der Prüfungsordnung haben wir den Weg schon eingeschlagen und den mündlichen Teil massiv ausgebaut. Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren wird noch lange nicht von KI übernommen werden. Wie Roman schon sagte: Die Kombination von technisch-handwerklichem und kaufmännischem Know-how macht den Erfolg des TK aus. Nun gilt es, dieses Know-how mit Kompetenzen hinsichtlich des rasanten technologischen Wandels auf die neue Ebene zu bringen.
Roman Odermatt, wie stärkt anavant Technische Kaufleute gegenüber Studienabgängern?
Mit dem dualen Bildungsweg bietet sich Berufsleuten in der Schweiz eine hervorragende Möglichkeit, nach der Lehre eine höhere Berufsbildung zu absolvieren. Der hohe Praxisbezug und die vorgängige Berufslehre sind klare Vorteile gegenüber dem rein akademischen Weg. In Zusammenarbeit mit anderen Berufsverbänden erhalten wir mehr Gewicht, um die höhere Berufsbildung zu stärken. Das ist wichtig, denn die Bildungslandschaft verändert sich rasant und die Hochschulen bieten ein immer breiteres Bildungsangebot auch in der beruflichen Weiterbildung an. Diesem Fakt müssen sich die Schulen und wir als Berufsverband stellen.
Die Einführung der Titelzusätze «Professional Bachelor» und «Professional Master» ist Mitte Juni in die Vernehmlassung gegangen – für uns ein grosser Schritt. Damit erhält die höhere Berufsbildung hoffentlich bald die verdiente Anerkennung und Gleichwertigkeit.