Mensch & Arbeit

Kommunikation

Regeln für eine klare Kommunikation

Sich verständlich auszudrücken ist das oberste Gebot in der Kommunikation. Wer die Kriterien verständlicher Sprache beachtet, stellt sicher, dass die Menschen, die überzeugen werden sollen, die Aussagen überhaupt verstehen können. Welche Klarheitsbremsen dagegenstehen und wie sich diese lösen lassen, zeigt dieser Beitrag.
PDF Kaufen

Klarheitsbremse Nr. 1: Schachtelsätze

Reto Francioni kann den Titel als König der Phrasendrescher unter den Topmanagern in Deutschland für sich beanspruchen. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse AG brachte es bei seiner Rede zur Hauptversammlung 2013 auf unfassbare zweiundfünfzig Wörter in einem einzigen Satz: «Seit Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger waren der festgestellte Jahresabschluss und der ge­billigte Konzernabschluss, der zusammengefasste Lagebericht für die Deutsche Börse AG und den Konzern zum 31. Dezember 2012 sowie unser Vorstandsbericht nach Paragraph 289 Absatz 4 und 5 sowie Paragraph 315 Absatz 2 Nr. 5 und Absatz 4 des Handelsgesetzbuches zugänglich.»

Auf seine Botschaft reduziert bedeutet dieser Satz lediglich: «Unsere Zahlen waren pünktlich verfügbar.» Das dürften die Aktionäre vorher gewusst haben. Viele Worte und komplexe syntaktische Konstruktionen helfen in der freien Rede eben nicht viel, sondern sorgen nur für Verwirrung. Aus gutem Grund gilt als Kriterium für maximale Verständlichkeit der Massstab von Hörfunktexten: Dort müssen den Redaktoren im Schnitt etwa sieben bis acht Wörter pro Satz reichen, damit die Hörer noch folgen können.

Klarheitsbremse Nr. 2: Zahlenwüsten

Im Gegensatz zu vielen anderen Vorstandschefs neigt Dieter Zetsche von der Daimler AG nicht zu übermässig langen Sätzen. In eine andere typische Falle tappt jedoch auch er: Seine Rede bei der Hauptversammlung über das Geschäftsjahr 2011 strotzte nur so vor Zahlen. Natürlich kommt eine solche Rede vor Aktionären nicht ohne Zahlen aus. Nur könnte sie gleichzeitig für ein breites Publikum interessant sein, wenn die Zahlen nicht für sich stünden. Ein Auszug aus seiner Rede: «Unser Konzernumsatz stieg um 9 Prozent auf 106,5 Milliarden Euro. Unser Ebit lag bei 8,8 Milliarden Euro, aus dem laufenden Geschäft sogar bei 9 Milliarden. Das ist ein Plus von 20 beziehungsweise 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unser Konzernergebnis fiel mit 6 Milliarden Euro um 29 Prozent höher aus als 2010. [...] Auch unsere Kapitalkosten haben wir 2011 klar übertroffen und da­mit deutlich Wert geschaffen: 3,7 Mil­liarden Euro Value Added – das ist fast eine komplette Milliarde mehr als im Vorjahr. Unsere Kapitalrendite lag bei knapp 20 Prozent, also signifikant über unserem Verzinsungsanspruch von 8 Prozent.»

Der Effekt solcher «Zahlenwüsten»: Das Publikum schaltet ab. Eine Lösung für das Dilemma ist das Storytelling. Der Daimler-Chef hätte dem Image der Marke Vorschub leisten können, wenn er die Erfolge des Unternehmens und die Ziele für die Zukunft in verständliche Bilder gefasst hätte. Die Wachstumsziele hätte er so veranschaulichen können: «Stellen Sie sich vor, Sie und ich fahren heute im neuen Mercedes-Roadster durch den schicken Vorort XY. Die Sonne scheint. Das Verdeck ist offen. Der Blick auf die idyllische Gegend wird durch nichts getrübt. Ganz entspannt lassen Sie den Blick schweifen. Und stellen fest, dass hier in jeder vierten Einfahrt ein Mercedes steht. Nun stellen Sie sich vor, wir machen den gleichen Ausflug durch dieselbe Nachbarschaft im Sommer 2016 noch einmal. Dann wird in dieser Nachbarschaft vor jeder zweiten Garage ein Mercedes stehen. Das ist unser Ziel.» Auch abstrakte Zahlen lassen sich so greifbar und im Gedächtnis der Zuhörer verankern. Vorausgetzt, der Redner möchte das auch.

Klarheitsbremse Nr. 3: Wortungetüme

Die Wortwahl vieler Chefs scheint nicht auf maximale Verständlichkeit abzuzielen. Forscher der Universität Hohenheim zitierten Konzernchefs in einer ihrer Studie mit Wortungetümen wie «Business-to-Business-to-Consumer-Wirtschaft» oder auch «Nicht-Leben-Rückversicherungsgeschäft». Fachbegriffe und Kettenwörter gelten weithin als Glaubwürdigkeitsanzeiger. Deshalb sind Reden und auch Präsentationen oft nur so damit gespickt. Die Botschaft: Ich kenne mich aus, ich weiss, wovon ich rede, also zweifelt ja nicht an meinen Worten. Die inflationäre Verwendung von Fachbegriffen und zusammengesetzten Endloswortschöpfungen bewirkt tatsächlich genau den gegenteiligen Effekt: Menschen, die wir nicht verstehen, vertrauen wir nicht. Mit dem Versuch, Kompetenz zu suggerieren, handeln sich viele Redner also im Gegenteil ein Glaubwürdigkeitsproblem ein – und sind sich dessen nicht einmal bewusst. Zugleich berauben sie sich selbst eines grösseren Wirkungskreises. Ein breites Publikum wird von Fachchinesisch eher abgestossen als beeindruckt sein. Denn was die Zuhörer nicht verstehen, das kann sie auch nicht begeistern. Genau darum jedoch geht es in der freien Rede: wichtigen Botschaften zur ihnen gebührenden Wirkung zu verhelfen. Und eine maximal wirksame Rede ist vor allem verständlich, emotional und unterhaltsam.

Klarheitsbremse Nr. 4: Euphemismen / Dysphemismen

Euphemismen gehören ebenfalls zu den Sprachfiguren, die den Gehalt einer Aussage vernebeln können. Gefährlich sind sie, weil sie häufig sehr prägnant sind – und deshalb schnell in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen. Ein verbreiteter Euphemismus ist das Wort »Kollateralschaden«. Der Begriff stammt aus der Militärsprache. Er findet inzwischen in den verschiedensten Kontexten Verwendung; in der Wirtschaft im Zusammenhang mit Stellenabbau oder Insolvenzen. Klarheit heisst aber auch: wahrhaftig sein und den Leuten auch mal etwas zumuten, was nicht nach heiler Welt und Selbstbeweihräucherung klingt.

Klarheitsbremse Nr. 5: Unzulässige Zuspitzungen

Um ihre Botschaften unmissverständlich an den Mann zu bringen, formulieren Journalisten und Redner ihre Aussagen oft «überdeutlich». Das heisst: Sie verleihen ihrer Aussage durch maximal eindrucksvolle Wortwahl und Verkürzung mehr Prägnanz.

Selbst Päpsten kann das im Bemühen um Aufmerksamkeit für eine wichtige Botschaft passieren. Papst Franziskus etwa ist auch für seine kritische Haltung zum Kapitalismus bekannt. Er hat wiederholt darauf hingewiesen, dass wirtschaftliche Interessen einzelner Akteure oder Staaten nicht als Rechtfertigung für Kriege missbraucht werden dürfen. So äusserte er im Interview mit der spanischen Zeitung La Vanguardia im Sommer 2014: «Das Wirtschaftssystem sollte im Dienst des Menschen stehen. Aber wir haben das Geld in den Mittelpunkt gerückt, das Geld als Gott.»

Problematisch ist die Zuspitzung solcher Äus­serungen, die der Papst Franziskus im Evangelii Gaudium vorgenommen hat: «Der Kapitalismus tötet.» Das ist keine kritische Äus­serung mehr, sondern eine unzulässige Zuspitzung der Tatsachen – und sachlich falsch. Genauso falsch wie die von Islamkritikern angeführte Generalverurteilung, dass der Islam töte. Religionen töten nicht. Wirtschaftsordnungen töten nicht. Politik tötet nicht. Streng genommen töten nicht einmal Kriege. Es sind immer Menschen, die töten – aus den unterschiedlichsten Motiven.
 
Zuspitzungen sind in vielen Zusammenhängen ein sinnvolles Instrument zur Verstärkung von Thesen, solange die Verkürzung des Satzes und die Dramatisierung der Wortwahl kein inhaltlich oder sprachlich sinnentstellendes Ausmass annehmen. Ob eine Zuspitzung zulässig ist oder nicht, hängt in erster Linie vom Kontext der Aussage ab.

Porträt