Schon von Kindesbeinen an lernen wir, dass Wettbewerb uns erfolgreich(er) macht: Der Bessere, Stärkere oder Schnellere gewinnt. Im Wirtschaftsleben heisst es gerne «Konkurrenz belebt das Geschäft». Doch dass Konkurrenz ein Nullsummenspiel ist, wird häufig übersehen – denn wo es Gewinner gibt, gibt es immer auch Verlierer. Früher frassen die Grossen die Kleinen, dann überholten die Schnellen die Langsamen und jetzt haben die Kooperativen die Nase vorn. Wer also nicht als Konkurrenz-Dinosaurier auf der Strecke bleiben will, für den bedeutet das umdenken und umlernen. Die vier Disziplinen kooperativen Handelns heissen Verbundenheit, Ko-Zentrieren, Teilen und Vertrauen.
Perspektivwechsel
Kooperation verändert die Perspektive und macht kreativer. Kooperation inspiriert, den zu verteilenden Kuchen grösser zu machen, sodass alle Beteiligten gewinnen. Kooperatives Handeln fördert das Wohlbefinden, schafft ein besseres Arbeitsklima und macht Individuen und Unternehmen erfolgreicher. Wie man durch Kooperation gemeinsam gewinnt, beschreibt nachfolgende Geschichte: Gerd ist Anthropologe und besucht einen Stamm in Malawi, Südostafrika. An diesem Tag hat er einen Korb voller frischer, duftender, leuchtender Mangos dabei. Er will den Kindern ein neues Spiel zeigen. Also zeigt er ihnen die Mangos, woraufhin sie natürlich grosse Augen bekommen, in denen man praktisch lesen kann: «Wie komme ich an die Mangos?» Dann stellt er sie 300 Meter entfernt unter einen Affenbrotbaum. Er sagt den Kindern: «Wir machen ein Wettrennen, ich zähle bis drei, bei drei rennen alle los und wer zuerst beim Korb ist, der gewinnt die Mangos!» Gerd zählt, doch die Kinder laufen zu seiner Überraschung nicht sofort los. Sie schauen sich in die Augen, fassen sich an den Händen und spurten erst dann los. Kurz vor dem Korb bleiben sie noch einmal stehen, vergewissern sich, dass sie gleichauf sind und gehen dann absolut gleichzeitig über die Ziellinie. Die Kinder jubeln und beratschlagen, was sie mit den Mangos machen, damit alle etwas davon bekommen.»
Eine hübsche Geschichte, nicht wahr? Doch gleich folgt der Gedanke «Ja, eine Geschichte eben und zu schön, um wahr zu sein». Umso mehr, wenn wir versuchen, diese Geschichte in unseren Arbeitsalltag zu übertragen. Da findet sich bestimmt sofort jemand, der sagt: «Moment, wir sind ein Unternehmen und kein Kindergarten. Bei uns geht es schliesslich um Leistung.»
Konkurrenzdenken
Zugegeben, das Verhalten dieser Kinder können wir nur schwer nachvollziehen. Es wirkt unnatürlich auf uns. Wir wären in diesem Moment nicht im Traum darauf gekommen, so zu handeln. Und wenn doch, hätten wir diese Idee gleich wieder verworfen. Wir sind anders konditioniert. Wir haben offensichtlich ein anderes mentales Standard-Programm laufen, das lautet «Wettbewerb und Konkurrenz». Darauf sind wir von Kindesbeinen an trainiert: Wer am schnellsten rennt, bekommt die Medaille. Wer sich am schnellsten meldet, bekommt des Lehrers Aufmerksamkeit und wer die besten Noten hat, bekommt den Studienplatz und den Wunschjob. Und genau dieses Programm «Wettbewerb und Konkurrenz» wird bei einer Herausforderung sofort aktiviert. Das hat natürlich auch seine gute Seite: Wir haben Wohlstand und Erfolg und können uns unsere Mangos selbst kaufen. Die Frage ist nur: Wird uns das, was uns bis hierher gebracht hat, auch in Zukunft erfolgreich machen?
Warum berührt uns diese Geschichte mit den Kindern überhaupt? Während unser Kopf noch meint, dass Konkurrenz und Gewinnen erfolgversprechender sind als Kooperation und Teilen, erinnern sich unser Herz und unsere Seele daran, dass wir auch zutiefst soziale Wesen sind. Vor Kurzem wurden 2000 Berufstätige aus unterschiedlichsten Bereichen gefragt, wie sie mit ihrem Arbeitsleben zufrieden sind. 80 Prozent sagten, dass sie unzufrieden sind. Der Grund: Zu hohe Einzelverantwortung, Leistungsdruck und zunehmender Egoismus.
Das Mindset verändern
Die Kooperationsfähigkeit, die diese Kinder zeigen, ist nicht nur ein netter Soft Skill. Sie ist das berufliche Überlebenshandwerkszeug der Zukunft. Um kooperativ handeln zu können, brauchen wir – gerade wenn es um Leistung geht – eine kooperative Grundhaltung. Und die wird von unserem aktuellen mentalen Programmstand leider nicht so unterstützt, dass sie auch unter Stress stabil bleibt. Das heisst, wir brauchen möglicherweise ein paar Updates. Die Mango-Geschichte gibt uns vier klare Hinweise darauf, wo wir unser Mindset verändern müssen, um kooperativ erfolgreich zu sein.
Update Nummer 1: Verbundenheit erkennen
Die Kinder sehen sich in die Augen und fassen sich an den Händen. Sie haben ein gemeinsames Ziel: Nämlich, dass alle gewinnen, um die Früchte gemeinsam zu verspeisen. Wir hingegen sprechen häufig über das, was uns trennt, anstatt über das, was uns verbindet. Das Aufgabengebiet, die Abteilung, die Ziele, das Budget, die Sprache, der Arbeitsstil – das alles hilft uns dabei, uns abzugrenzen und durchzusetzen. Auf der Suche nach unserer Kooperationsfähigkeit lauten jedoch die wichtigen Fragen: Wie verbunden fühlen wir uns im Arbeitsleben? Wo haben wir gemeinsame Ziele? Mit dem Chef, den Kollegen, den Mitarbeitern geht das vielleicht noch ganz gut. Doch wie sieht es mit den Kollegen der anderen Abteilung, am anderen Standort, im anderen Land oder gar den Mitbewerbern aus? Eine Studie unter MBA-Studenten hat gezeigt, dass die Suche nach Gemeinsamkeiten die nachfolgenden Verhandlungen kooperativ erfolgreicher macht. Einige Gruppen beauftragte man, keine Zeit zu verlieren und direkt in die Verhandlung einzusteigen. In diesen Gruppen kamen rund 55 Prozent zu einer Einigung. Die Mitglieder anderer Gruppen sollten zunächst persönliche Informationen austauschen und nach Gemeinsamkeiten suchen, bevor sie mit der Verhandlung beginnen. In diesen Gruppen kamen rund 90 Prozent zu einer Einigung.
Fazit: Um das Update «Verbundenheit erkennen» zu aktivieren, müssen wir nach dem suchen, was uns mit anderen verbindet, anstatt nach dem, was uns trennt. Und es gibt immer eine Gemeinsamkeit. Denn am Ende sitzen wir doch irgendwie alle im selben Boot.
Update Nummer 2: Ko-zentriert denken
Bevor die Kinder die Ziellinie überschreiten, kontrollieren sie ihre eigene Position und die Position der Gruppe, um sicherzustellen, dass sie alle gemeinsam das Ziel erreichen. Diese Kinder haben sowohl sich selbst als auch die Gruppe gleichzeitig im Blick. Das ist ein ko-zentrierter Blick. Wir haben eher den konzentrierten Blick. Eine Art Tunnelblick, der vor allem dann auftritt, wenn wir unter Stress kommen. Und das ist bei zwei Drittel der Menschen im Berufsleben heute regelmässig der Fall. Wir konzentrieren uns dann nur noch darauf, wie wir überleben können. Indem wir uns durchsetzen und die Interessen der anderen hinten anstellen oder indem wir uns unterwerfen und unsere eigenen Interessen hinten anstellen und uns nur noch fragen, wie wir es den anderen recht machen können.
Konzentriert zu denken, bedeutet «entweder oder». Gewinnen oder verlieren. Selbst der Kompromiss fällt in diese Kategorie. Denn jeder gewinnt ein wenig und jeder verliert ein wenig. Die ko-zentrierte Haltung baut auf «sowohl als auch». Nicht entweder gewinne ich und der andere verliert oder der andere gewinnt und ich verliere, sondern wie können sowohl ich als auch der andere dabei gewinnen? Dazu müssen wir uns sowohl mit dem Gegenüber beschäftigen als auch mit uns selbst. Was sind unser beider Motive und Interessen? Der Vorteil dabei ist, dass wir viel öfter das bekommen, was wir möchten. Denn ko-zentriertes Denken ist die Grundlage der Win-win-Strategie, die hilft, Konflikte erfolgreich zu lösen.
Fazit: Um das Update «Ko-zentriert denken» zu aktivieren, sollten wir uns – bevor wir kämpfen oder uns unterwerfen – öfter fragen, «Was will ich» und «Was will der andere» und nach einer Lösung suchen, die beides möglich macht.
Update Nummer 3: Teilen
Die Kinder sind von Anfang an bereit, die Früchte zu teilen. Sie sind der Meinung: Es ist genug für alle da. Und wenn wir teilen, haben wir alle mehr davon. Das wichtigste Arbeitsgut sind heute Informationen. Wie bereit sind wir, unser Wissen zu teilen? Betrachten wir das eher als Hol- oder als Bringschuld? Wer von uns hat nicht schon einmal folgende Sätze benutzt oder gehört: «Du hättest mich ja nur fragen brauchen.» Oder «Mich hat ja keiner gefragt.» Informationsaustausch wird eher als Holschuld denn als Bringschuld betrachtet. Wir horten Wissen, als würde es verschwinden, wenn wir es teilen. Dabei ist Teilen der einzige Weg, es zu vermehren.
Wir meinen häufig, wir hätten die ganze Wahrheit und sind dann überrascht, wenn hinterher Informationen auftauchen, von denen wir nichts wussten. Die meisten Themen sind heute selbst für Experten zu komplex. Je früher wir unser Wissen teilen, desto eher bekommen wir ergänzende Informationen. Ausserdem gilt das Gesetz der Reziprozität. Wenn wir anderen einen Gefallen tun, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch uns einen Gefallen tun.
Fazit: Um das Update «Teilen» zu aktivieren, beginnen wir am einfachsten damit, unser Wissen zu teilen. Fragen wir uns, für wen diese Information noch nützlich sein könnte und teilen diese dann aktiv. Davon leben Wissensforen.