Mensch & Arbeit

Arbeitswelten

Kollaborative Arbeitslandschaften in Post-Corona-Zeiten

Homeoffice und Videokonferenz werden auch nach Corona Hochkonjunktur haben. Das macht den Arbeitsplatz im alten Stil zunehmend entbehrlich. Die Büros der Zukunft werden sich zu sozialen Orten entwickeln, in denen man menschliche Nähe pflegt. Denn Einfallsreichtum und Schöpferkraft entstehen allein zu Haus und in Videokonferenzen nur sehr schwer. Tuchfühlung und ein befruchtender Austausch sind die beste Basis für gute Ideen.

Die Arbeitswelt befindet sich in einem umfassenden Wandel. Sie ist agiler, adaptiver und auch vernetzter geworden. Innovationen entstehen interdisziplinär. Kundenprojekte werden in sich selbst organisierenden Teams entwickelt. Prozesse werden über Silogrenzen hinweg optimiert. All dies benötigt ein Arbeitsumfeld, das Kreativität fördert und physisches Miteinander begünstigt.

Das Setting einer Videokonferenz sorgt für Versachlichung, für Versteifung und für emotionale Distanz. Gut gemachte Arbeitslandschaften hingegen bringen Ideen ins Rollen. Passende Umfelder sind mitentscheidend dafür, dass zunächst kraftvolle Beziehungen und auf dieser Basis dann kraftvolle Arbeitsergebnisse entstehen. Sie machen das crossfunktionale Zusammenarbeiten überhaupt erst möglich.

Dazu werden die tristen, uniformen, einer industriellen Denke entsprungenen «Schreibtischfarmen» früherer Tage zu flexiblen, farbenfrohen, inspirierenden Raumwelten mit perfekter technischer Ausstattung umfunktioniert. Das eigene Büro als Statussymbol hat ausgedient. Vielmehr entstehen Begegnungsorte, an denen weder Silos noch Machtgefüge eine Chance haben.

Umfeld formt Arbeitsergebnisse

Ins triste Einheitsgrau der seelenlos standardisierten Einzelzellen eingepfercht trägt Wissensarbeit kaum reiche Früchte. Damit das Gehirn auf Hochtouren kommt, brauchen wir wohlige, offene, flexible Flächen, die auf die neuen Formen der Arbeit abgestimmt sind und sowohl konzentriertes Vorgehen als auch einen regen Austausch ermöglichen.

Wir suchen unsere Mitmenschen am liebsten auf gleicher Ebene auf, das ist ein Relikt aus unserer Zeit als Savannenmenschen. So ist in Jungunternehmen die in die Breite gehende Zusammenarbeitsfläche längst dominierend. Dort werden die Arbeitsplätze nicht nach hierarchischen, sondern nach funktionalen Gesichtspunkten gestaltet. Orte intensiver Arbeit, Räume der Geselligkeit und Räume der Ruhe gehören dazu.

Wo Kopfarbeit sich bis in die Freizeit erstreckt, da muss man auch Freizeit an den Arbeitsplatz lassen. Und da, wo eine physische Zusammenarbeit erwünscht ist, weil sie zu den besten Ergebnissen führt, da müssen Arbeitsumgebungen so attraktiv sein, dass sie die Vorteile eines Homeoffices überstrahlen. Zudem wird es im Homeoffice auf Dauer auch an Wertschätzung fehlen, weil die Arbeit dort nicht gesehen wird.

Kopfarbeit sinnvoll unterstützen

Um in Zukunft krisenfester zu werden, sind frische, neue, unkonventionelle Ideen elementar. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Denkarbeit des Gehirns in vier Phasen verläuft: Inspirieren, konzentrieren, aktivieren, regenerieren. Diesen Rhythmus gilt es durch freie Zeiteinteilung zu unterstützen. Und: Gehirne ermüden sehr schnell.

Doch Phasen der geistigen Regeneration kommen im klassischen Arbeitsleben vielfach zu kurz. «Bitte kein Sofa», hört man von so manchem Chef, wenn es um die architektonische Büroneukonzeption geht. «Meine Leute sollen arbeiten und nicht rumhängen», heisst es zur Begründung. Tja, vom Wesen der Kopfarbeit hat man dort nichts verstanden.

Kreativität entsteht nicht nach Stundenplan und auf Befehl. Passende Rückzugsorte erleichtern das konzentrierte Arbeiten in der geforderten hohen Geschwindigkeit. Stille Plätze im Grünen sind dabei sehr willkommen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen neben den Farben auch Düfte und Musik: Hierüber lassen sich Stimmungen modulieren.

Eine gut ausgestattete bistroähnliche Küche ist in modernen Bürogebäuden elementar. Sie ist ein Erholungsort und macht Plauschpausen möglich. Einfallsreichtum entsteht ja vor allem dann, wenn unser Denkapparat entspannt ist und Gedankenrohlinge mit anderen teilt. So kann man sich dort auch ganz ungezwungen in Form von «Blind Dates» mit Kollegen aus anderen Arbeitsbereichen treffen, um sich zu vernetzen.

Arbeitslandschaften bei Google

Das Konzept der Arbeitslandschaften bei Google dient vielen als Vorbild. Jason Harper, Real Estate Project Executive Europe hat es in der Trendstudie New Work Order so erklärt: «Wir wollen, dass es den Leuten wirklich gut geht, dass das Büro ihr Leben vereinfacht und die Mitarbeiter sich freuen, hier zu sein.» Weiter führt er folgendes aus: «Wir arbeiten nicht non-territorial. Non-territoriales Arbeiten bietet sich an für Unternehmen, bei denen die Mitarbeiter nur selten im Büro sind. Bei uns ist das nicht möglich und auch nicht erwünscht. Hier hat jeder einen eigenen Schreibtisch. In Hamburg sitzen zirka 30 Mitarbeiter in jeder Büroeinheit. Die Open Spaces sind immer in einer Sackgasse platziert, um Durchgangsverkehr zu vermeiden.

An Laufzonen haben wir auf jedem Stockwerk Treffpunkte wie die Microkitchens ausgebildet. Kommunikation ist das A und O. Aber weil jeder auch mal einen ruhigen Platz zur Konzentration braucht, haben wir kleine Besprechungs-und Rückzugsecken und abgeschlossene Räume für Videokonferenzen geschaffen. Rückzugsorte sind genauso wichtig wie Treffpunkte.» Natürlich muss es nicht überall wie bei Google aussehen. Doch die grobe Richtung, die stimmt.

Mitarbeiter in Planung einbeziehen

Wenn Sie einen Umbau planen, dann lassen Sie die Mitarbeitenden das unbedingt selbst gestalten, damit diese am Ende sagen: «Das ist genau der Ort, an dem ich gerne bin und bestens arbeiten kann.» Ein gravierender Fehler: Das Grossraumbüro für alle, das derzeit wieder so gern von «Oben» aus angeordnet wird. Wissensarbeit braucht zwar Austausch, aber unbedingt auch Orte der Stille.

«Sowohl als auch» ist der richtige Weg. Projektgruppen benötigen andere Räumlichkeiten als Scrum-Teams. Design Thinking braucht einen anderen Ort als die Routinearbeit. Zudem ist zum Beispiel der Rechtsbereich mit seinem hohen Anteil an vertraulicher Arbeit und die Personalverwaltung, die mit datenschutzsensiblen personenbezogenen Daten hantiert, in abgeschotteten Bereichen besser aufgehoben.

Grundsätzlich müssen sich Arbeitsorte den Anforderungen der Mitarbeitenden anpassen - und nicht umgekehrt. Zudem müssen sie, genauso wie die unternehmensinternen Strukturen, unkompliziert wandelbar sein, um sich den ständigen Veränderungen, die die Zukunft mit sich bringt, jederzeit gewachsen zu zeigen.

In wandelbaren Arbeitslandschaften bleiben auch die Mitarbeitenden in Bewegung und eisen nicht in Routinen ein. Man stumpft irgendwann ab, wenn man immer in gleichförmiger Umgebung ist. Neue Reize hingegen bringen einen auf neue Gedanken. Eine moderne Arbeitsumgebung steigert zudem die Arbeitgeber-Attraktivität. Sie lockt vor allem die heiss umworbenen jungen Talente an.

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