Mensch & Arbeit

Organisationspsychologie

Innere Kündigung – Hintergründe und Möglichkeiten zur Gegensteuerung

Die innere Kündigung ist in den meisten Unternehmen kein diskutiertes Thema. Entweder wird es schlicht tabuisiert oder die Ursachen und Auswirkungen fallen nicht sehr stark auf. Dennoch besteht Handlungsbedarf gegenzusteuern, denn Mitarbeitende ohne Leistungsmotivation schaden dem Unternehmen und letztlich sich selbst.
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Seit Jahren ist eine stete Zunahme psychischer Erkrankungen zu verzeichnen. Jüngst hat insbesondere Burnout eine grosse öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Arbeitgeber begegnen diesem Umstand primär mit der Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Ein Phänomen spielt jedoch im BGM bislang kaum eine Rolle: die «innere Kündigung». Innere Kündigung wird oft beschrieben als «Dienst nach Vorschrift» oder «Leistungsverweigerung durch Minimalleistung». Kaum Beachtung erfährt das Phänomen einerseits deshalb, weil sich die innere Kündigung nicht so eindeutig äussert wie psychische Störungen (z. B. Burnout oder Depression) und somit leicht «übersehen» wird. Andererseits erfolgt eine gewisse Tabuisierung, da innere Kündigung immer direkt durch die Arbeit bedingt ist und so eine kritische Reflexion der Arbeitsbedingungen seitens der Organisation erfordert.

Sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht als auch aus Gründen der sozialen Verantwortung für die Beschäftigten ist es ratsam, sich mit den Ursachen, Symptomen, Auswirkungen und Gegensteuerungsmassnahmen der inneren Kündigung zu befassen. Innerlich Gekündigte messen ihrer Tätigkeit eine geringe Bedeutung bei und identifizieren sich nicht mehr mit ihrem Arbeitgeber. Sie sind dauerhaft unmotiviert, desinteressiert und unzufrieden mit ihrer Tätigkeit. Ihre Leistung beschränkt sich auf «Dienst nach Vorschrift», sie engagieren sich kaum noch und werden damit zu «Minderleistern». Da sie ihre Tätigkeit als nicht erfüllend und/oder sinnlos erleben, werden sie zunehmend stressintoleranter (auch eine mittlere Arbeitsbelastung wird in dem Fall als «Stress» erlebt).

Häufig ergeben sich Ausstrahlungseffekte auf Kollegen, so dass die Stimmung und Motivation im Team sinken. Innerlich Gekündigte äus­sern häufig ihren Unmut und beschweren sich, während sie gleichzeitig weniger mit ihren Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten kommunizieren sowie kaum konstruktive Kritik und Ideen einbringen. Es besteht daher die Gefahr der «Ansteckung» weiterer Kollegen. In der Folge ziehen sich die Betroffenen weiter zurück, nehmen nicht mehr an gesellschaftlichen Veranstaltungen des Arbeitgebers teil (z. B. Weihnachtsfeier) und sind häufiger erkrankt, wobei die Diagnosen vielfältig sind (z. T. Bagatellerkrankungen). Die «äussere Kündigung» wird bei alldem nicht in Betracht gezogen, da keine Alternativen zur aktuellen Tätigkeit gesehen und Einbussen befürchtet werden.

Im Gegensatz zu psychischen Störungen wie Burnout oder Depressionen ist die innere Kündigung unmittelbar mit dem Job verbunden, durch ihn ausgelöst und auf ihn bezogen. Die Ursachen sind deshalb auch ausschliesslich im Arbeitskontext zu suchen. Diese können

› sowohl im unmittelbaren Arbeitsumfeld des Betroffenen zu finden sein (Führungsverhalten der unmittelbaren Vorgesetzten, Abnahme verantwortungsvoller Tätigkeiten, Zurücksetzung bei Beförderungen, Abnahme der beruflichen Perspektiven)

› als auch mit der Gesamtsituation in der Organisation z. B. aufgrund einschneidender Umstrukturierungen, die nicht akzeptiert werden können, zusammenhängen.

Hier zeigt sich somit ein deutlicher Unterschied zu Burnout. Burnout wird zwar durch die Arbeit begünstigt, jedoch spielen hier individuelle Faktoren im Privatleben eine genauso wichtige Rolle. Während bei einem Burnout ein Grossteil der Verantwortung bei der betroffenen Person selbst liegt, erfordert das Thema innere Kündigung eine noch kritischere Reflexion der Arbeitsbedingungen seitens der Organisation.

Die Folgen, die mit einer inneren Kündigung für den Betroffenen als auch für den Arbeitgeber einhergehen, sind weitreichend. Auf der Ebene der individuellen Gesundheit des innerlich Gekündigten zeigen empirische Studien deutliche psychische Beeinträchtigungen (z. B. Lustlosigkeit, Niedergeschlagenheit) sowie körperliche Beschwerden (z. B. Rückenschmerzen). Zudem erkranken sie nicht selten an psychosomatischen körperlichen Erkrankungen bzw. fallen sehr häufig wegen Bagatellerkrankungen aus. Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene ergeben sich folglich hohe Ausfallkosten, Personalmangel, Folgekosten durch Minderleistung und Zusatzbelastungen für Kollegen, die die Ausfälle kompensieren müssen.

Empirisch lassen sich als wesentliche Einflussfaktoren für die innere Kündigung vor allem das Führungsverhalten sowie die Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung identifizieren. Das Ausmass der inneren Kündigung hängt wiederum massgeblich mit der subjektiv erlebten Arbeitsfähigkeit zusammen. Innerlich gekündigte Personen schätzen ihre Arbeitsfähigkeit in Bezug auf psychische und körperliche Arbeitsanforderungen deutlich ungünstiger ein als andere Mitarbeiter. In der Abbildung sind zentrale Einflussfaktoren und die Auswirkungen innerer Kündigung in einem Gesamtmodell dargestellt.

Vor diesem Hintergrund stellen sich für Organisationen folgende Fragen: Wie kann mit innerer Kündigung umgegangen werden? Und noch wichtiger: Wie kann sie vermieden werden? Grundlegend bedarf es dafür eines Konzepts zur Führungskräfteentwicklung, da diese massgeblichen Einfluss auf die Entstehung bzw. Vermeidung innere Kündigung haben. Führungskräfte sollten in der Lage sein, einerseits für ein positives Betriebsklima zu sorgen, andererseits bereits erste Anzeichen innerer Kündigung bei den Mitarbeitern zu erkennen.

Schliesslich muss der Umgang mit innerlich gekündigten Beschäftigten «trainiert» werden. Dazu zählen

› die Intensivierung des Kontaktes und Gespräche

› eine bedachte Kommunikation (Vermeidung von Sarkasmus, abwertenden Kommentaren, ehrliches, regelmässiges, konstruktives Feedback)

› die Fähigkeit, klare Erwartungen und Ziele an die Mitarbeiter zu kommunizieren

› eine deutliche Wertschätzung von Leistungen

› die Übertragung anspruchsvoller Aufgabenbereiche sowie

› eine Stärkung des Zusammenhaltes im Team, die Verdeutlichung der Teamziele und die Schaffung eines positiven Arbeitsklimas

Die besondere Herausforderung für Führungskräfte besteht in einer ausgewogenen Kommunikation bezogen auf die Leistungsträger auf der einen und die innerlich Gekündigten auf der anderen Seite. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass innerlich Gekündigten besondere Aufmerksamkeit zuteil wird, gemäss dem Motto «Man muss sich nur ausreichend daneben benehmen, damit man zum Zug kommt …». Der Umgang mit innerlich gekündigten Mitarbeitern erfordert ein Höchstmass an sozialer Kompetenz und sollte entsprechend unterstützt werden.

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