Mensch & Arbeit

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Erfolgsfaktor für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung

Ein Ungleichgewicht von Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz kann die Gesundheit und die Motivation von Mitarbeitenden negativ beeinflussen. Ebenso gilt, dass ein betriebliches Gesundheitsmanagement positive Auswirkungen auf die Produktivität hat und Fehlzeiten reduzieren kann. Zwei Beispiele zeigen Ansatzpunkte.
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Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) wird in Grossunternehmen schon lange gefördert und erfolgreich eingesetzt. Erfahrungen von Grossunternehmen zeigen, dass die Belegschaft motivierter arbeitet und seltener krank ist. In KMU ist das Thema noch nicht flächendeckend etabliert. Vielerorts weiss man zu wenig über das BGM und ist kaum sensibilisiert.

Gesundheitsförderlich gestalten

Doch was wird unter einem betrieblichen Gesundheitsmanagement verstanden? Das BGM verfolgt das Ziel, betriebliche Strukturen so zu formieren, dass das Arbeitsumfeld, die Prozesse sowie die Organisation gesundheitsförderlich gestaltet werden. Dabei profitieren sowohl die Mitarbeitenden wie auch die Unternehmen.

Ein Ungleichgewicht von Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz kann die Gesundheit und die Motivation von Mitarbeitenden negativ beeinflussen. Der Job-Stress-Index der Gesundheitsförderung Schweiz stellt das Verhältnis von Arbeitsbelastung und Arbeitsressourcen dar. Gemäss den Resultaten 2018 verfügen 46,4 Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden über genügend Ressourcen für die zu bewältigenden Aufgaben (sensibler Bereich). Für 26,5 Prozent existiert sogar ein Ressourcenüberschuss (grüner Bereich).

27,1 Prozent der Erwerbstätigen befinden sich im kritischen Bereich. Das bedeutet, dass die Belastung die zur Verfügung stehenden Ressourcen übersteigt. Die Analyse der Resultate des Job-Stress-Index 2018 zeigte, dass ein Anstieg des Index (mehr Belastung, weniger Ressourcen) mit einem gesundheitsbedingten Produktivitätsverlust einhergeht. Folglich sind betriebliche Gesundheitsmassnahmen prädestiniert, welche die Ressourcen der Mitarbeitenden unterstützen und Belastungen vermindern. 

Weniger Fehlzeiten

Was ist der Vorteil von BGM? Dies fragten sich insbesondere Grossunternehmen wie zum Beispiel die Postfinance vor rund 10 bis 15 Jahren. In der Zwischenzeit konnte aufgezeigt werden, dass die Einführung eines BGM oft schnelle und markante Reduktionen von Fehlzeiten zur Folge hat. Zahlen und Fakten von Vergleichsfirmen überzeugten und BGM setzte sich auch bei der Finanzdienstleisterin Postfinance flächendeckend durch. Weitere Unternehmen folgten dem Trend. Mittlerweile gehört ein BGM-Programm zum Standard eines Grossunternehmens. 

Als Beispiel setzt Postfinance Massnahmen wie gesunde Betriebsverpflegung, kostenloses Früchte- und Wasserangebot, Vergünstigungen im Bereich Fitness und Gesundheit, Teilnahme bei «bike to work» (eine schweizweite Aktion zur Gesundheitsförderung in Unternehmen, bei der jährlich in den Monaten Mai /Juni rund 65 000 Pendler das Fahrrad für ihren Arbeitsweg einsetzen), moderne, ergonomische Arbeitsplätze, die individuell angepasst werden können, die Möglichkeit zum Ferienkauf (pro Jahr können bis zu drei Wochen Ferien aufgestockt werden) sowie die jährliche, kostenlose Grippeimpfung zur Herbst- und Winterzeit um. 

Daneben gibt es Unterstützung in Führungsfragen und in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Cornelia Bundeli, Verantwortliche für BGM bei Postfinance, sagt: «Das systematische BGM ist bei uns seit vielen Jahren etabliert und hat einen wichtigen Stellenwert. Die Investitionen in gesunde, motivierte und leistungsfähige Mitarbeitende zahlen sich für ein Unternehmen aus.» 

Ein Beispiel für ein KMU mit einem BGM ist die Enz Group AG, Giswil. Das Unternehmen aus dem Baugewerbe beschäftigt aktuell 150 Mitarbeitende und ist mit mehreren Filialen in der ganzen Zentralschweiz vertreten. Zur Holding gehören unter anderem die Markus Enz AG mit dem Tätigkeitsgebiet rund um den Gartenbau und -unterhalt sowie die Arnold Feierabend AG, welche im Tiefbau und der Betonaufbereitung tätig ist.

Angebote für das Wohlbefinden

Die Enz Group AG wird familiär geleitet und führt zudem eine Akademie, in welcher die bis zu 20 Auszubildenden verschiedene Lehrberufe erlernen können. Von den 150 Personen gehen 130 Personen einer körperlich anstrengenden Tätigkeit auf den Baustellen oder in den Werkhöfen nach. 

Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden liegen der Inhaberfamilie besonders am Herzen. Deshalb bietet die Enz Group AG seit Januar 2019 die Möglichkeit, von diversen Vorteilen zu profitieren. In der Folge eine Auflistung von Angeboten:

  • kostenloses Früchte- und  Wasserangebot
  • jährliche Beteiligung an Fitness­kosten in der Höhe von 200 CHF
  • mindestens fünf Wochen Ferien pro Jahr für alle Angestellten
  • zehn Tage Vaterschaftsurlaub (aufgeteilt oder am Stück zu beziehen in den zwölf Monaten nach der Niederkunft)
  • Winterpause (Bonussystem für Urlaub in den Wintermonaten zur Erholung oder zum Beispiel Sprachweiterbildung)
  • gleitende Arbeitszeiten
  • Teilzeitarbeit für alle Mitarbeitende möglich (Administration, Produktion, Werkstatt etc.)
  • persönliche Schutzausrüstung 
  • Defibrillatoren an allen Betriebs­standorten
  • Erste-Hilfe-Schulung aller Mitarbeitenden in regelmässigen Abständen 
  • ergonomische Arbeitsplatzgestaltung 
  • Familienaktivitäten ausserhalb der Arbeitszeiten (zum Beispiel Sonntagsbrunch)
  • Rauchstopp-Angebot

Primäres Ziel der Unternehmung ist ein erhöhtes Wohlbefinden und eine verbesserte Gesundheit der Mitarbeitenden. Ebenfalls soll damit wieder ein bewuss­teres Denken im Zusammenhang mit der Sicherheit erreicht werden.

Verankerung von BGM 

Damit die Implementierung eines BGM erfolgreich wird, muss es in den Unternehmensleitlinien verankert werden. Das bedeutet, dass das BGM zu einer Führungsaufgabe wird. Bei der Enz Group AG wurde das Programm namens Enz Vital entwickelt und in die Leitlinien integriert. Unter diesem Label werden alle BGM-Massnahmen der Enz Group AG gebündelt. 

Erste positive Erfahrungswerte liegen bereits nach einem Jahr vor. Circa 20 Prozent der Belegschaft nutzt bereits das Winterpause-Angebot und die Be­teiligung am Fitness-Abo. Ebenfalls findet das Verpflegungsangebot mit Früchten und Wasser grossen Anklang sowie das Familienfreizeitangebot. Weniger stark genutzt wird die Rauchstopp-Un­terstützung. Jedoch können bessere Re­sultate mit erhöhter Sensibilisierung der Mitarbeitenden bezüglich des Angebots erreicht werden. Erste Mitarbeitende konnten durch die Enz Group AG an die Lungenliga zu einer Rauchstopp-Beratung vermittelt werden. 

Generell wurde das Enz-Vital-Angebot sehr positiv von den Mitarbeitenden aufgenommen. Alle Mitarbeitenden wählen für sich das passende Angebot aus dem Enz Vital. Die individuelle Nutzung der Angebote variierte stark aufgrund von persönlichen Bedürfnissen. Die Daten der Enz Group AG haben gezeigt, dass mit der Implementierung von Enz Vital die Absenzen der Mitarbeitenden positiv be­einflusst werden konnten und die Fehltage reduzierten sich im Jahr 2019 im Vergleich zu 2018 von 4,5 auf 3 Tage. Anpassungen der bestehenden BGM-Massnahmen sind vorerst nicht geplant. Vorgesehen ist, das Angebot in den Bereichen Gruppenfitness und Familienaktivitäten auf- respektive auszubauen. 

Analyse und Effekte

Eine vertiefte Analyse zu den Auswirkungen des BGM wird die Enz Group AG im Rahmen des Swiss Arbeitgeber Award im Jahr 2020 durchführen. Im 2018 erreichte die Enz Group AG in der Kategorie 100 bis 249 Mitarbeitende den 3. Platz. Gut möglich, dass mit den BGM-Mass­nahmen dieses Ranking verbessert wird. Einen positiven Effekt hat das BGM bereits auf dem Arbeitsmarkt. Die Enz Group AG spürt bei den ausgeschriebenen Stellen eine Erhöhung der Bewerbungseingänge. In den Interviews wird dann vielfach das Enz Vital als ein Ansporn /Grund zur Bewerbung aufgeführt. Durch die Vermarktung von BGM mit dem Label Enz Vital werden die Mass­nahmen öffentlich sichtbar und die Bevölkerung nimmt die Unternehmung als so­zialen Arbeitgeber wahr. 

Vorteile von BGM im KMU

Heutzutage orientieren sich potenzielle Arbeitnehmende unter anderem an den Angeboten von Unternehmungen. Eine ausgewogene Situation zwischen Arbeits- und Privatleben steht dabei für den Arbeitnehmenden oft im Zentrum. Beim sich immer schwieriger gestaltenden Arbeitsmarkt (Thema Fachkräftemangel) werden sich Unternehmen dadurch unterscheiden, welche Zusatzleistungen sie ihren Mitarbeitenden zur Verfügung stellen. 

Das Thema BGM kann dabei eines der zentralen Elemente für eine Betriebswahl sein. Es gilt für die Unternehmen, in gesunde und motivierte Angestellte zu investieren und auf dem Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgeber aufzutreten. Gesunde Mitarbeitende sind motivierter, loyaler und leistungsstärker. Die Vorteile liegen sowohl bei den Arbeitnehmenden wie auch bei den Arbeitgebern.

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