Mitarbeitende haben eine Leistung zu erbringen – das steht ausser Frage. Doch wie gut schaffen Führungskräfte mit ihren Führungskompetenzen und ihrem Verhalten ideale Rahmenbedingungen für diese Leistung? Der aktuell abgeschlossene St. Gallen Executive Education Report (SEER) 2014 bestätigt, dass «eine deutliche Mehrheit von Führungskräften mit dem Stand der Weiterbildung und Entwicklung von Führungskräften in ihrem Unternehmen unzufrieden sind». Kurzfristiger Erfolg steht nach Angaben der Befragten an erster Stelle und «verhindert den langfristigen und systematischen Aufbau einer effektiven Lernarchitektur». Führungskräfte sind nach eigenem Ermessen heute demnach nur unzureichend befähigt, gute Führungsarbeit zu leisten. Sie wünschen sich mehr Unterstützung in der Weiterentwicklung ihrer Führungskompetenzen.
Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Mitarbeiterseite durch das Beratungsunternehmen Gallup belegt, dass rund die Hälfte der Führungskräfte in den Augen ihrer Mitarbeiter einen ungenügenden Job macht. Die viel zitierte Aussage «Menschen bewerben sich bei Unternehmen – und sie verlassen Vorgesetzte» ist nicht nur provokant, sondern stimmt nachdenklich zugleich, weil sie den Kern der Sache trifft. Viel zu selten geben Vorgesetzte ihren Mitarbeitern die nötigen Handlungsspielräume, um eigenverantwortlich und deshalb auch engagiert im Sinne des Unternehmens zu handeln. Viel zu wenig werden dadurch die Kompetenzen und Potenziale der Mitarbeitenden wirklich optimal genutzt.
Tatsächlich gibt es in Unternehmen grosse Unterschiede bezüglich Qualität und Effektivität in der Führung. Doch was sind die Gründe dafür?
Ist Führung selbstverständlich?
Führung wird auch heute noch oft als etwas Selbstverständliches gesehen, das mal eben nebenher gemacht wird und das die einen einfach besser können als die anderen. Eine Auffassung, die besonders in kleinen und mittleren Unternehmen leider noch immer weit verbreitet ist.
Zudem wird häufig demjenigen Mitarbeiter eine Führungsrolle anvertraut, der sich in einem Team bisher fachlich am besten bewährt hat. Auf diese Weise wird oft der beste Verkäufer ganz selbstverständlich zum Verkaufsleiter, oder der beste Spezialist zum Teamleiter. Die Erfahrung zeigt jedoch: Wer fachlich top ist, kann deswegen noch lange kein Team führen. In vielen Fällen kommt der Wechsel in eine Führungsrolle sogar fast einem Berufswechsel gleich, wenn man sich die Anforderungen der neuen Rolle einmal genauer ansieht. Die dafür notwendigen neuen Kompetenzen, die besonders in den Bereichen der Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz liegen, werden oftmals nicht erkannt und in der Folge auch nicht systematisch entwickelt.
Der oft gehörte Satz «Machen Sie einfach mal, Sie kriegen das schon hin!» zeigt, wie sehr die Anforderungen an eine Führungsrolle häufig unterschätzt werden. Im schlimmsten Fall verliert man so den besten Fachspezialisten und gewinnt eine mässig gute Führungskraft, die sich mehr oder weniger gut schlägt und mit der Zeit zunehmend frustriert und unzufrieden wird. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Zufriedenheit und das Engagement der unter diesen Voraussetzungen geführten Mitarbeitenden.
Es liegt auf der Hand, dass jemand, der unter diesen Umständen zum Vorgesetzten geworden ist, kaum zu einem charismatischen und leidenschaftlichen Leader wird, den die Mitarbeiter als Vorbild akzeptieren und dem sie folgen, weil sie es wollen – nicht weil sie es müssen. Gerade Letzteres kann aber nur auf Basis einer stabilen und vertrauensvollen Beziehung zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten funktionieren.