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Die E-Mail-Flut auch nach längeren Abwesenheiten beherrschen

Beim Öffnen des E-Mail-Postfachs nach einem längeren Urlaub ist die Erholung meist schnell dahin. Die fast unüberschaubare Zahl der eingegangenen Nachrichten ist wenig motivierend für den Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag. Das muss nicht sein. Denn es gibt wirksame Strategien und Vorgehensweisen, auch mit einer Vielzahl von Nachrichten souverän umzugehen.
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Wer kennt das nicht: Man kehrt erholt und inspiriert aus einem Sabbatical oder einem längeren Urlaub zurück, öffnet das E-Mail-Postfach und steht plötzlich vor der Herausforderung, der eingehenden E-Mail-Flut Herr (oder Frau) zu werden. Schon allein die angezeigte Zahl unbearbeiteter Nachrichten im Postfach kann beängstigend wirken.

Wer nun glaubt, an dieser Stelle muss der Erholungseffekt automatisch dahin sein, täuscht sich. Es gibt durchaus wirksame Strategien und Vorgehensweisen, auch mit einer Vielzahl von Nachrichten souverän umzugehen. Allerdings wurde hierzu noch wenig publiziert – die bisherige Literatur fokussierte sich vor allem auf die Herausforderungen elektronischer Kommunikation im Alltagsgeschäft (z.B. Meissner und Erni, 2011; Oldenburg, online). Darüber hinaus gab es vor allem in der Tagespresse und im Internet vereinzelte Erfahrungsberichte und Experteninterviews zum Thema «Umgang mit E-Mails nach längerer Abwesenheit».

Dieser Artikel fasst zum einen die vorhandene Literatur zusammen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse einer Befragung von 24 der 27 Dozierenden und Professoren der Hochschule Luzern – Wirtschaft vorgestellt, welche in den letzten acht Jahren eine berufliche Auszeit in Form eines drei- bis sechsmonatigen Sabbaticals genommen haben. Diese bestätigen, widerlegen und differenzieren die bisher gängigen Ansichten empirisch.

Löschen oder nicht löschen?

Eine der gängigen, aber umstrittenen Vorgehensweisen ist es, bei längerer Abwesenheit eine Abwesenheitsnotiz zu hinterlassen, die darauf hinweist, dass der Absender die während seiner oder ihrer Abwesenheit eingegangenen E-Mails nicht liest und auch nachher nie lesen wird – und darum zu bitten, wichtige Nachrichten nach Ende der Rückkehr erneut zuzustellen.

Das «Verweigerinnenkleid» (Engelke, online) anzuziehen hat einigen Charme, weil es von der Notwendigkeit befreit, nach der Rückkehr irgendetwas anderes als den Löschknopf zu drücken. Was aber, wenn dadurch wichtige Nachrichten verloren gehen, weil sich der Sender nicht daran erinnert, seine E-Mail nochmals zu verschicken? Viele Arbeitnehmende möchten dieses Risiko nicht auf sich nehmen. «Dass nach der Rückkehr alle Mails gelöscht werden, ist in meinen Augen unfreundlich und nicht kundenorientiert», schreibt zudem ein Befragter der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Dort hatte diese Variante keine einzige Person gewählt.

Kompetente Stellvertretung

Eine Abwesenheitsnotiz zu haben, ist gängige Praxis – 92 Prozent der befragten Dozierenden arbeiten damit. Die Abwesenheitsnotiz soll klar und freundlich formuliert werden. In ihr sollten Stellvertretungen und Kontaktpersonen für wichtige Projekte pro Thema / Projekt mit ihrer E-Mail-Adresse und Telefonnummer benannt werden. Die Befragten betonen jedoch mehrheitlich, dass nur das Aktivieren dieser Meldung nicht ausreicht – die Wichtigkeit von funktionierenden Stellvertretungen wurde immer wieder hervorgehoben. Dieses Thema taucht in der Literatur bisher noch nicht auf.

Die Befragten halten es für wichtig, dass Stellvertretungen vollständig, lückenlos und kompetent möglich sind. Die Abwesenheit und die Stellvertretungen sollten in allen wichtigen Projekten bereits vor dem Sabbatical (oder einer anderen längeren Abwesenheit) kommuniziert werden, da sich damit auch die Anzahl eingehender E-Mails verringert. Nach der Rückkehr sollte man sich möglichst rasch von den Stellvertretungen einen Überblick über den Stand in den jeweiligen Bereichen geben lassen, um die Aktualität und Relevanz der vorliegenden E-Mails einschätzen zu können. Wenn die Stellvertretung klar geregelt ist, bleiben normalerweise nur noch relativ wenige E-Mails zur Bearbeitung übrig, wie mehrere Befragte betonen: «Ich hatte nach meinem Sabbatical relativ gesehen viel weniger Mails als nach ein oder zwei Wochen Ferien. Dort brauchte es zum Teil einige Tage, bis man die Mails aufgearbeitet hatte.»

Sichten, sortieren, priorisieren

Wichtig ist, für die Bearbeitung von während längerer Abwesenheit aufgelaufenen E-Mails genügend Zeit einzuplanen. Erfahrungsgemäss reicht es, zum Arbeitseinstieg einen Arbeitstag einzuplanen, um die aufgelaufene Post durchzusehen und zu löschen, was nicht (mehr) relevant ist, sowie die weniger aufwendig zu bearbeitenden Nachrichten bereits zu erledigen.

Die Befragung an der Hochschule Luzern hat ergeben, dass nach Anwendung von Sortiermechanismen nur 5 bis 20 Prozent der im Postfach befindlichen E-Mails übrigbleiben und beantwortet werden mussten. Davon ist nach Einschätzung der Autoren im Normalfall ein Drittel leicht und schnell zu beantworten, ein weiteres Drittel nach einer Bearbeitungszeit von 10 bis 20 Minuten erledigt, und das letzte Drittel wird den Rückkehrer im Alltagsgeschäft noch länger beschäftigen.

Grundsätzlich gilt: Erst E-Mails sichten, dann bearbeiten. «Zuerst so viele E-Mails löschen wie ohne Bearbeitung möglich», fasst ein Befragter die Maxime der Dozierenden der Hochschule Luzern zusammen. Vorgehensvorschläge dazu gibt es in der Literatur ganz unterschiedliche. So schlägt Sigrid Hess, Trainerin und Beraterin für Büromanagement, vor, E-Mails in zwei Durchgängen zu sichten: «Im ersten Durchgang gibt es drei Kategorien: Handlungsbedarf (‹Ich muss etwas tun›), kein Handlungsbedarf (‹Ich muss nichts tun, hebe die Mail aber auf›) und: ‹Papierkorb›. Im zweiten Durchgang werden die E-Mails mit Handlungsbedarf erneut klassifiziert in die Kategorien:

  • ‹Termin› (wird relevant zu einem bestimmten Termin – jetzt noch nicht),
  • ‹Aufgabe› (der Empfänger muss etwas erledigen), und
  • ‹Wartet› (es fehlen Informationen).»

Danach sollte man das Abarbeiten mit den Mails in der Kategorie «Aufgabe» beginnen (Fromm, 2014). Die Trainerin für E-Mail-Kommunikation, Carmen Diebolder, empfiehlt in einem Interview (Markert, 2010), Nachrichten nach dem Absender zu sortieren, weil man dann alle E-Mails zu einem Thema oder von einem Absender zusammen hat und von der aktuellsten Nachricht ausgehend abarbeiten kann.

Die Dozierenden des Departements Wirtschaft der Hochschule Luzern wenden unterschiedliche Mechanismen zum Sortieren von E-Mails an. Das Sortieren nach Absender (33%) sowie Betreff, Datum oder Wichtigkeit (jeweils 21 %) waren die beliebtesten Mechanismen. Einige Befragte haben verschiedene Sortiermechanismen in Kombination angewendet. Relevant war ein weiteres Thema: E-Mails, auf welche es Nachfolgemails gab, wurden grundsätzlich direkt gelöscht. Eine Person gab an, zuerst alle E-Mails gelesen zu haben, bei denen er oder sie allein im Empfängerfeld stand. Insgesamt sind die meisten Befragten zufrieden mit dem Vorgehen: Für acht Personen hat es sich sehr gut, für 13 gut und für drei mittelmässig bewährt.

Fazit

Der Artikel hat gezeigt, dass man der E-Mail-Flut, die bei längeren Abwesenheiten oft wartet, mit einer guten Vorbereitung der Abwesenheit sowie einer gezielten und systematischen Vorgehensweise nach der Rückkehr gut bewältigen kann. In der Vorbereitung kommt es vor allem auf das Organisieren und Einrichten funktionierender und lückenloser Stellvertretungen sowie das Formulieren der Abwesenheitsnotiz an. Nach der Rückkehr sorgen Mechanismen für das Priorisieren und Sortieren von E-Mails dafür, dass wichtige Nachrichten effizient herausgefiltert und bearbeitet werden können.

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