Was Leader wünschen
So fällt auf, dass die Umfrageteilnehmer für ihren Führungsalltag 2012 sehr individuelle Wünsche formulierten und «weiche» Faktoren für die Mehrheit der Befragten entscheidend sind. Die starke Tendenz geht dabei in Richtung mehr Offenheit und Werte. Ein Drittel (31,2 %) wünscht sich, dass der Umgang im Führungsalltag in diesem Jahr mehr von Respekt, Wertschätzung und Transparenz geprägt ist. In der eigenen Führungsrolle wünscht sich rund die Hälfte der Befragten (53 %) mehr Zeit für die Mitarbeiter, diese zu fördern und zu stärken. Der Wunsch nach mehr Zeit etwa zum Aufbau des Teams und mehr Freiraum für Führung wurde immer wieder genannt. 37, 5 Prozent planen 2012 an ihrer Führungskompetenz zu arbeiten und für mehr Selbstbestimmtheit und Entscheidungsspielräume zu kämpfen. Ihre Ziele und Wünsche haben 40 Prozent der Umfrageteilnehmer Anfang des Jahres schriftlich fixiert. Die grosse Mehrheit (94,2 %) hält Wünsche und Visionen in der eigenen Karriereplanung für unverzichtbar.
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus dieser Umfrage: Die Wünsche von Leistungsträgern lassen sich nicht verallgemeinern. Mit pauschalen Massnahmen werden Unternehmen sie also kaum binden können. Zudem scheint das Streben nach mehr Nachhaltigkeit weit mehr als ein Lippenbekenntnis zu sein – Nachhaltigkeit und mehr Weitsicht sind bei den befragten Führungskräften ganz entscheidende Antreiber. Dies deckt sich mit den Ergebnissen weiterer aktueller Umfragen. In einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, der Stiftung Neue Verantwortung und der Unternehmensberatung Egon Zehnder International etwa klagen deutsche Spitzenführungskräfte darüber, dass sie in der vernetzten Welt immer schneller Entscheidungen treffen müssten. Die Befragten wünschen sich einen neuen Führungsstil, der sich an nachhaltigen Werten orientiert. Aber sie formulieren zugleich, dass sie nicht so recht wissen, wie dieser entstehen kann.
Umsetzung in der Praxis
Wie kann man diese Ergebnisse in der Praxis umsetzen, was hat sich hier bewährt? Unternehmen sollten mit ihren besten Leistungsträgern regelmässig – lange bevor sich Unzufriedenheit breitmacht – Entwicklungsbeschleunigungsprozesse durchlaufen, um deren wahre Leidenschaften, Kompetenzen, Bedürfnisse zu identifizieren. Grundfrage: Ist der Leistungsträger auf seiner Traumposition? Wohin will er sich die nächsten 15 Jahre entwickeln? Ein solcher Prozess macht nur Sinn, wenn er völlig offen geführt wird, das heisst das Unternehmen auch ein ungünstiges Ergebnis in Kauf nimmt. Tatsächlich zeigt aber die Praxis, dass die Mehrzahl der Leistungsträger, selbst wenn sie auf dem Absprung waren, das Unternehmen gar nicht verlassen will. Oft sitzen sie auf einer falschen Position, die ihren wahren Stärken gar nicht entspricht. Gibt es eine entsprechende Stelle im Unternehmen nicht, dann besteht auch die Möglichkeit, sie im Organigramm neu zu schaffen.
So viel Aufwand für eine Führungskraft? Lohnt sich das? Die Antwort ist ein deutliches und klares Ja. Die Kosten für ein solches Vorgehen sind verschwindend gering im Vergleich zu dem Nutzen, den das Ergebnis für alle Beteiligten hat. Das Unternehmen vergewissert sich der langfristigen Loyalität des Leistungsträgers – oder kann sich in Einzelfällen rechtzeitig auf seinen Weggang einstellen – und weiss, unter welchen Bedingungen er sein volles Potenzial abrufen kann. Die Burnout-Rate sinkt, weil der Leistungsträger das tut und kann, was er wirklich will. Als wichtiger Aspekt eines attraktiven Employer Branding haben solche individuellen Förderprogramme Sogeffekte auf weitere Leistungsträger. Es entwickelt sich eine Unternehmenskultur, die gekennzeichnet ist von einem vertrauensvollen Miteinander, statt einem kontrollierten Gegeneinander, von Selbstorganisation, Selbstmanagement, Verantwortung und Mitdenken.