Mensch & Arbeit

Einstellungsgespräche

Der Weg zu erfolgreichen Kandidateninterviews

Grossartige Mitarbeitende müssen einmal identifiziert und eingestellt werden. Unternehmen investieren Zeit und Ressourcen in Einstellungsverfahren und möchten daher ihre Entscheide auf mehr als beeindruckenden Lebensläufen und einem Bauchgefühl abstützen. Eine ausgeklügelte Fragetechnik hilft, an die richtigen Informationen zu gelangen.
PDF Kaufen

Studien bestätigen seit Langem immer wieder, was wir aus der Praxis wissen: Strukturierte, standardisiert gestaltete Einstellungsgespräche führen zu treffenderen und verlässlicheren Ergebnissen bei der Einstellung von neuen Mitarbeitenden als informelle und spontan geführte Gespräche. Dies hat einen einfachen Grund: Weisen Entscheidungen liegen eine solide Faktenbasis sowie das Gefühl für den Menschen gegenüber zugrunde. Deshalb ist es ratsam, bei einem Interview gezielt die Informationen abzuholen, die einem Erkenntnisse bringen und dadurch zur Entscheidung führen.

Acht Tipps

Auf Basis der Forschung des Korn Ferry Institutes wurden folgende acht Tipps entwickelt, die helfen können, Einstellungsgespräche professionell zu strukturieren und durchzuführen:

1. Die Vorbereitung

Auch wer bereits unzählige Einstellungsgespräche geführt hat, ist dennoch gut beraten, sich auf jedes neue Gespräch so vorzubereiten, als wäre es das erste. Man sollte dem Versuch widerstehen, spontane Gespräche zu führen, und sich stattdessen minutiös vorbereiten. Dazu gehört es, sich darüber Gedanken zu machen, welche Fähigkeiten, welches Verhalten und welche Erfahrungen für die Vakanz vorausgesetzt werden. Die Vorbereitung sollte so weit gehen, dass die spezifischen Fragen, die dem Kandidaten im Vorstellungsgespräch gestellt werden, schon schriftlich festgehalten sind. Am besten stellt man sich dazu vor, welche Antworten man von seinem Traum-Kandidaten erhalten möchte. Dies erleichtert die Formulierung der Fragen (Achtung: keine Suggestivfragen, sondern offene Fragen) und man weiss bei jeder Antwort sofort, ob der Kandidat das richtige Profil mitbringt, um in seiner Rolle zu glänzen.

2. Das Zeit-Budget

Nachdem geklärt ist, welches die zentralen Fragen an die Kandidaten sind, kann die Zeit optimal eingeteilt werden. Das Interview sollte dem Zeitrahmen entsprechen und die Zahl der Fragen sollte darauf abgestimmt sein. Hier empfiehlt es sich ebenfalls, die Reihenfolge der Fragen strategisch zu gliedern. Wie beginnt man, wo platziert man heikle Fragen, wo einfachere Fragen. Zentral dabei sind ebenfalls die Einleitung sowie die Abmoderation des Gesprächs.

3. Die Atmosphäre

Menschen geben mehr von sich preis, wenn sie sich wohlfühlen. Darum ist eine vertrauensvolle Atmosphäre für das Gespräch wichtig. Dies gibt die Möglichkeit, hinter die Kulisse zu blicken und den wahren Menschen zu erkennen. Ein Trick ist, einen Überblick über den Ablauf des Gesprächs zu geben. Dann weiss der Kandidat, was ihn in der Situation erwartet. Es kann auch darauf hingewiesen werden, dass der Kandidat genügend Zeit hat, um sich Notizen zu machen und am Ende auf seine Fragen eingegangen wird.

4. Das Vorgehen

Ein Stellenprofil zu nutzen, ist unumgänglich, um sich auf die Kompetenzen zu fokussieren. Jedem Kandidaten sollten dieselben Fragen in derselben Reihenfolge gestellt werden. Den Antworten kann je nach Situation weiter auf den Grund gegangen werden, um mehr zu erfahren.

5. Die Dokumentation

Man sollte sich an den Antworten, die ein Kandidat oder eine Kandidatin gibt, interessiert zeigen. Wichtig ist auch, die relevantesten Erkenntnisse festzuhalten, da es bei mehreren Gesprächen im Nachhinein schnell zu Zuordnungsschwierigkeiten kommt. Die Notizen sollten lediglich sachlicher und nicht wertender Art sein, also den wesentlichen Tatsachen entsprechen, die Bullet-Point-artig dokumentiert werden. Alles andere könnte den Kandidaten irritieren und den Interviewer vom eigentlichen Gespräch ablenken.

6. Die 80 / 20-Regel

Dem Kandidaten sollte ungefähr 80 Prozent der Sprechzeit eingeräumt werden. Dabei hilft es, offene W-Fragen zu stellen (weshalb, wo, wie etc.).

7. Die Einflussfaktoren

Der Interviewer sollte sich über allfällige Vorurteile, die die Wahrnehmung des Bildes eines Kandidaten beeinflussen könnten, im Klaren sein. Wir tendieren dazu, uns um Menschen, die uns ähnlich sind, wohler zu fühlen. Doch dies macht einen Menschen nicht zu einem besseren Kandidaten für die offene Stelle. Diese Neigung kann eine gute Mischung innerhalb des Teams (Diversity) verhindern, indem kleine Klone von sich selber eingestellt werden. Es gilt deshalb, sich nicht von Gemeinsamkeiten blenden zu lassen oder Unterschiede zu bewerten. Auch zu viel Smalltalk sollte aus dem Weg gegangen werden, weil dies zu Themen führt, die in einem Vorstellungsgespräch nichts verloren haben, wie etwa die Familienverhältnisse. Antworten sollten deshalb nicht kommentiert, sondern lediglich neutral entgegengenommen werden. Der Leitfaden des Interviews (siehe Punkt 1) hilft, auf dem Weg zu bleiben und einen formalen Umgangston zu wahren.

8. Die Evaluation

Kandidaten sollten nicht miteinander, sondern immer in Bezug auf das Stellenprofil verglichen werden. Ansonsten findet man zwar den besten Kandidaten einer Gruppe, dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich ebenfalls um den besten Kandidaten für eine Vakanz handelt. Gerade wenn der Pool eher schlecht ist, lohnt es sich weiterzusuchen, wenn die erste Runde erfolglos war. Die Chance ist gross, dass der beste Kandidat einer mittelmäs-sigen Gruppe den Job nicht zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Nach den Gesprächen gilt es, sich genügend Zeit einzuräumen, um die Beobachtungen und Auswertungen sorgfältig durchzuführen.