Mensch & Arbeit

Gewinnung und Bindung von Fach- und Führungskräften

Dem Fach- und Führungskräftemangel in KMU mit Stärken begegnen

Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz beschäftigen mehr als zwei Drittel aller Erwerbstätigen. Die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte ist aus Sicht der KMU ein akutes Problemfeld. Selbst wenn die Finanzkrise den Fach- und Führungskräftemangel aktuell aus den Schlagzeilen verdrängt hat, besteht der Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften fort.
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In einer Untersuchung von Hug (2008, S. 14) führen 75 Prozent der befragten Unternehmen ihre Rekrutierungsschwierigkeiten darauf zurück, dass sie ein mittelständischer Betrieb sind. Auch wenn in der Fachliteratur umstritten ist, ob kleinere und mittlere Unternehmen tatsächlich relativ stärker von Stellenbesetzungsproblemen betroffen sind als Grossunternehmen, herrscht Einigkeit darin, dass KMU bei der Mitarbeiterrekrutierung strukturelle Nachteile aufweisen, wie etwa den geringen Institutionalisierungsgrad im Personalwesen oder die mangelnde Bekanntheit auf dem Arbeitsmarkt.

Hier setzt das von der Förderagentur des Bundes KTI unterstützte Projekt «Regionale Attraktivität für Fach- und Führungskräfte» an, das sich auf KMU in der Region Alpenrhein fokussiert und unter anderem folgende Forschungsfragen beantworten will: Welche Faktoren sind für Fach- und Führungskräfte bei der Arbeitgeberwahl relevant? Welche Eigenschaften machen die besondere Attraktivität eines KMU aus? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden einstündige, leitfadengestützte Interviews mit 57 Fach- und Führungskräften aus Unternehmen der Region Alpenrhein (davon ist ein Drittel in einem KMU beschäftigt), 10 ehemaligen Mitarbeitenden und 57 Fach- und Führungskräften aus der restlichen Schweiz und Deutschland geführt. Die Region Alpenrhein setzt sich in diesem Projekt zusammen aus den Schweizer Kantonen St. Gallen, Graubünden, beide Appenzell sowie dem Fürstentum Liechtenstein. Der Fokus liegt auf dem industriell-gewerblichen Sektor.

Bestimmende Faktoren

Nahezu einig waren sich alle befragten Fach- und Führungskräfte im Hinblick auf die relevanten Kriterien für die Arbeitgeberwahl. Hier rangieren eine herausfordernde, vielseitige und ganzheitliche Arbeitsaufgabe und die damit verbundene Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung, ein marktgerechtes Gehalt sowie die Unternehmenskultur bzw. das Unternehmensimage als solide, dynamisch und aufstrebend sowie ein guter Markenname an vorderster Stelle. Diese generelle Einschätzung stimmt mit den genannten Hauptgründen für die Wahl des derzeitigen Arbeitgebers überein. «Ich kannte die Firma als wachsendes Unternehmen mit guter Zukunftsperspektive. Eine dynamische Firma mit einem sehr guten Team. (…) Das Fachgebiet war interessant sowie das gute Arbeitsklima», so eine Führungskraft eines Betriebs mit rund 300 Beschäftigten.

Interessant ist zudem, dass sich die meisten Mitarbeitenden einen Unternehmenswechsel vorstellen können, sofern ihnen der neue Arbeitgeber ein besseres Angebot in Bezug auf den Arbeitsinhalt und das Aufgabengebiet sowie die Entwicklungsmöglichkeiten (z.B. höherer Verantwortungsgrad) unterbreitet. Dies deckt sich weitestgehend mit den Angaben der ehemaligen Mitarbeitenden, die das Unternehmen in der Region Alpenrhein hauptsächlich wegen fehlender interner Perspektiven und mangelhafter Entwicklungsmöglichkeiten verlassen haben. Die Befragung zeigt somit den hohen Stellenwert der Arbeitsaufgabe und der Entwicklungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmenden.

Mit einem attraktiven Angebot läuft ein Unternehmen weniger Gefahr, dass Leistungsträger zur Konkurrenz abwandern. Die Befragung weist aber auch auf die generelle Bereitschaft der Mitarbeitenden zum Arbeitgeberwechsel hin und macht damit auf die Notwendigkeit aufmerksam, das eigene Unternehmen nicht nur auf dem externen, sondern auch auf dem internen Arbeitsmarkt – gegenüber den eigenen Arbeitskräften – als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.

Auf eigene Stärken setzen

Während sich kleine und mittelständische Unternehmen also durch attraktive, KMU-spezifische Arbeitsplatzmerkmale und Entwicklungspfade auszeichnen, geht es im Weiteren um eine «Vermarktung» dieser Stärken. Strategien und Instrumente, die für das Marketing von Produkten und Dienstleistungen verwendet werden, können auch für das Personalmanagement genutzt werden. Dabei werden Arbeitnehmende als Kunden betrachtet, deren Bedürfnisse und Erwartungen hinsichtlich Arbeitsplatz und Arbeitsbedingungen systematisch im personalpolitischen Fokus stehen.

Ein solches zielgruppenorientiertes Personalmarketing verschafft einem KMU Wettbewerbsvorteile, indem es die Arbeitgeberattraktivität des Unternehmens bei den wichtigsten Zielgruppen bekannt macht. Hierfür ist eine langfristig angelegte kommunikative Präsenz in den wichtigsten Personalmärkten vonnöten. Die konkrete Stellenausschreibung ist dabei nur ein kleiner Teilaspekt, bei der allerdings auf die zunehmend internetbasierten Such­strategien von Fach- und Führungskräften eingegangen werden muss.

KMU in der Region Alpenrhein stehen hierbei vor einer doppelten Herausforderung: Ihre Unternehmensgrösse lässt die Investitionen in die Marktpräsenz nur begrenzt zu und ihr Standort ist ländlich geprägt. Deshalb muss bei der Entwicklung geeigneter Massnahmen auch über mögliche Kooperationsformen nachgedacht werden, um den finanziellen und zeitlichen Aufwand zu bewältigen und den Arbeitgeber «KMU im Alpenrhein» erfolgreich in einem wachsenden Arbeitsmarktcluster zu positionieren.

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