Mensch & Arbeit

Auftrittskompetenz

Charisma erlernen – eine Frage der Authentizität

Ein charismatischer Auftritt sorgt für Aufmerksamkeit und ist bei Präsentationen oder Reden schon die halbe Miete. Dabei ist Charisma keine Gabe, die vom Himmel fällt, sondern kann erlernt werden. Worauf es ankommt, zeigt dieser Beitrag.
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Steve Jobs, Richard Branson und George Clooney – was fällt Ihnen bei diesen Namen ein? Genie, Weltverbesserer, Schauspieler, aber auch Tyrann oder Schönling sind Begriffe, die dann fallen. Man kann sich darüber streiten, was wohl am besten zutrifft. In einer Sache sind sich aber erstaunlich viele Menschen einig: Sie schreiben den drei Herren durchweg zu, charismatisch zu sein. Charisma – was ist das überhaupt? Ursprünglich hat es einmal eine göttliche Gnadengabe bezeichnet. Genauer gesagt die Gabe, Einsicht und Offenbarung zu empfangen. Heute verstehen wir darunter vor allem eine begeisternde, mitreissende Wirkung.

Nicht ohne Authentizität

Diese Art von Auftreten hätten viele von uns nur zu gerne, vor allem wenn sie im Beruf in der Öffentlichkeit stehen oder häufiger vor Mitarbeitern oder Kunden Reden und Präsentationen halten müssen. Aber ist das lernbar? Zuerst mal die gute Nachricht: Charisma fällt nicht vom Himmel. Auch die genannten Herren waren nicht von Kindesbeinen an charismatisch. Die schlechte Nachricht? Sie werden es wohl schon ahnen. Auf Sie kommt eine Menge harter Arbeit zu. Doch glauben Sie mir: es lohnt sich. Spätestens dann, wenn Sie am Ende Ihrer Präsentation in begeisterte Gesichter schauen und von Ihren Mitarbeitern für Ihre grandiose Rede und Ihr authentisches und charismatisches Auftreten gefeiert werden.

Zuerst möchte ich mich einer Sache widmen, die scheinbar alle charismatischen Menschen gemeinsam haben: Sie sind authentisch. Aber was bedeutet das überhaupt? Gerade in der heutigen Zeit wird das Wort «Authentizität» ziemlich inflationär verwendet. Wenn ich mich so unter meinen Kollegen in der Weiterbildungsbranche umschaue, scheint Authentizität «the next big thing» zu sein. Authentische Seminare, authentische Methoden, authentische Präsentationen… Sie können diese Liste beliebig fortsetzen. Wenn Sie den Fernseher einschalten, wird es noch schlimmer. «Steinofenpizza, schmeckt authentisch wie beim Italiener!».

Die Suche nach dem Speziellen

Die Menschen sind getrieben von der Lust auf «das Echte». Und das ist auch gut so. Immerhin wollen wir uns abheben von unseren Mitmenschen und unsere Persönlichkeit unterstreichen. Und genauso verhält es sich auch mit Reden und Präsentationen. Sie möchten sicher kein E420 im Essen – und auch keine Reden, die künstliche rhetorische Zusatzstoffe enthalten. Stellen Sie sich vor, zu Beginn einer Präsentation würde erst einmal die Info erklingen «Achtung, dieser Vortrag kann Fadesse, Floskeln, unleserliche Powerpoint-Folien und Spuren von Unverständlichkeit enthalten.» Der Saal wäre im Nu leer. Begeisterung geht anders.

«Seien Sie einfach Sie selbst», lautet ein Ratschlag, den ich schon häufiger gelesen habe, als mir lieb ist. Natürlich sollen Sie sich nicht verstellen, wenn Sie vor Ihren Mitarbeitern sprechen – doch «einfach Sie selbst sein» ist auch nicht der richtige Weg. Klingt natürlich paradiesisch, weil es keine Arbeit macht. Nur wird Ihnen das leider nicht bei Ihrer Präsentation helfen. Wenn Sie einen Langweiler auf die Bühne stellen und mit ihm nicht an seinem Auftreten arbeiten, was sehen Sie dann? Richtig, einen Langweiler auf einer Bühne. Klar ist der dann authentisch – aber immer noch langweilig.

Und genauso wird ein unsympathischer CEO auf einer Mitgliederversammlung unsympathisch rüberkommen, wenn er seine schlechtesten Eigenschaften mit auf die Bühne nimmt. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, welche Wirkung Sie auf Ihre Mitarbeiter haben wollen und was Sie Ihnen vermitteln wollen. Sind die Umsatzzahlen gestiegen, und Sie wollen loben und die Motivation hoch halten? Dann müssen Sie anders an die Sache rangehen, als wenn die Umsätze im Keller sind und bereits das Damoklesschwert der ersten Entlassungen über Ihrem Betrieb schwebt.

Erinnern Sie sich an Steve Jobs: Sicher haben Sie auch gelesen, dass er ein schwieriger Typ war und auch ein ganz schöner Despot sein konnte. Hat man das in seinen Keynotes gemerkt? Nein. Denn auf die Bühne hat er nur seine besten Eigenschaften mitgenommen. Hier beginnt die Arbeit bei Ihnen. Horchen Sie in sich hinein und finden Sie heraus, was Ihnen wichtig ist und welche Eigenschaften Ihnen dabei helfen, Ihre Mitarbeiter zu erreichen.

In Ihrem Unternehmen geht es eher familiär zu und Sie legen Wert darauf, sich um Ihre Mannschaft zu kümmern? Dann nutzen Sie diesen Charakterzug, beispielsweise durch Formulierungen wie «… damit es Ihnen gut geht» oder «Wir haben diese Entscheidung getroffen, damit Ihre Arbeitsplätze weiterhin sicher sind.» Authentizität bedeutet nicht, dass Sie im Pyjama ins Büro kommen sollen. Damit würden Sie zwar für einiges Schmunzeln sorgen, würden gleichzeitig aber Ihre Seriosität ordentlich untergraben. Es geht vielmehr um den grossen Unterschied zwischen gezieltem Wirken auf Basis der eigenen Anlagen im Unterschied zum ungezielten Wirken aus Zufall.

Zum Kern vordringen

Eigentlich geht es sogar um zwei Kerne: Ihren eigenen und den Ihrer Präsentation. Um Ihre Zuhörer zu erreichen und abzuholen, muss Ihre Botschaft klar sein – und Sie als Sender müssen eindeutige Signale funken. Fangen Sie erst einmal bei sich selbst an und beobachten Sie sich einige Tage lang. Versuchen Sie gewissermassen von der Innen- in die Aussenperspektive zu wechseln, um wahrzunehmen, wie Sie sich in Ihrem Arbeitsumfeld verhalten, wie Sie sprechen, sich bewegen und welche Gestik und Körperhaltung Sie einnehmen.

Wenn Sie sich daran gewöhnt haben, werden Ihnen nach und nach auch die Feinheiten auffallen. Sie werden feststellen, in welchen Situationen Ihre Gesprächspartner begeistert sind, wann im Verkaufsgespräch der Funke überspringt und man Ihnen gespannt zuhört. Merken Sie sich diese Augenblicke und versuchen Sie sich einzuprägen, wie Sie Ihre Stimme und Gestik einsetzen. Das, was Sie da wahrnehmen, ist Ihr authentisches Handeln.

Wahrscheinlich werden Sie ein viel grös­seres Spektrum an Wirkungen an sich entdecken, als Sie erwartet haben. Das ist völlig normal, den meisten Menschen ist gar nicht bewusst, was sie alles quasi «nebenbei» transportieren. Und nun entscheiden Sie: Welche Ihrer Wirkungen und die damit verbundene Gestik, Mimik, Körperhaltung etc. wollen Sie einsetzen, wenn Sie bei Ihrer nächsten Präsentation authentisch wirken wollen? Hier liegt der Schlüssel zu Ihrer wahren Authentizität: Das Wissen um Ihre Wirkung und die bewusste Entscheidung, wann Sie welche Facette Ihrer Persönlichkeit einsetzen.

Eine Botschaft transportieren

Eins möchte ich an dieser Stelle sagen, um zu beruhigen: Charismatiker laufen nicht wie eine angeknipste Leuchtreklame durchs Leben. Sie können genauso hungrig, müde oder schlecht gelaunt sein wie unsereiner. Ich bin mir sicher, dass Barack Obama auch seine grummeligen Tage hat, an denen er sich am liebsten die Bettdecke über den Kopf ziehen würde. Das ist in Ordnung, schliesslich sind wir alle Menschen und keine Roboter, die mit einem Charisma-Modul versehen wurden.

Ich werde häufig von Führungskräften gefragt, wie sie ihre Botschaft am besten rüberbringen können. Meist kontere ich darauf mit der simplen Antwort «Wie lautet denn Ihre Botschaft in einem Satz zusammengefasst?» Dann kommt in der Regel erst mal das grosse Stammeln. «In einem Satz … mh … ja also … nein, dazu ist das zu komplex!» Das ist der wunde Punkt vieler Menschen: Sie wissen gar nicht, was sie wirklich sagen wollen. Und wenn sie keine Botschaft haben, können sie auch keine rüberbringen.

Das klingt erst mal hart, aber so ist es. Sicher haben Sie schon Interviews mit berühmten Regisseuren gesehen, denen die Frage gestellt wurde, worum es in ihrem nächsten Film gehen würde. Nehmen Sie sich ein Beispiel daran und üben Sie, die Kernessenz Ihrer Botschaft in einen Satz zu packen. Einen einfachen Satz bitte, keinen mit fünf Schachtelungen. Ganz egal, ob Sie verkaufen, präsentieren oder Mitarbeitergespräche führen – Sie wollen dann eine konkrete Botschaft übermitteln. Und das klappt nur, wenn Sie sich klar gemacht haben, worum es Ihnen geht.

Kernsätze helfen Ihnen auch grossartig über Hänger hinweg. Nehmen Sie Barack Obama als Beispiel: Wenn er während seines ersten Wahlkampfes nicht mehr weiter wusste, war «Yes, we can!» immer richtig. Dieser Satz ist Ihr roter Faden, der immer wieder hervorblitzen darf und sollte. Er lässt Sie strahlen, denn er ist der Grund, weshalb Sie überhaupt reden.

Und bitte, rauben Sie sich nicht selbst die Aufmerksamkeit. Gerade wenn es darum geht, die Ergebnisse einer Kampagne oder die Jahresabschlüsse zu präsentieren, fahren viele Unternehmer gerne grosses Geschütz auf: einschläfernde Powerpoint-Präsentationen mit 90 oder mehr Slides. Um Gottes willen, ich sehe schon vor mir, wie die Mitarbeiter im Halbdunkeln wegdämmern.

Damit tun Sie weder sich noch Ihren Zuhörern einen Gefallen. Hier hilft eine einfache Übung: Stellen Sie sich vor, der Strom fällt aus, der Laptop stürzt ab, was auch immer – jedenfalls müssen Sie Ihren Vortrag ganz ohne technische Unterstützung halten. Vielen bricht dann der kalte Schweiss aus. «Wie soll ich mich denn an das alles erinnern, was auf den Folien stand?» Ich verrate es Ihnen: Müssen Sie gar nicht. Das, was dann bleibt, ist der Kern Ihrer Rede. Und das ist es, was wirklich zählt.

Emotionen spüren lassen

Sie haben Ihre Kernbotschaft gefunden? Sehr gut. Dann geht es als Nächstes darum, sie mit passenden Beispielen und einer geeigneten Inszenierung zu unterfüttern und Ihre emotionale Haltung zum Thema zu klären. Fragen Sie sich, mit welchen Beispielen, Anekdoten und Geschichten Sie Ihre Botschaft greifbar machen können. Viele machen hier den Fehler, abstrakte Beispiele zu wählen. Doch was soll sich der Zuhörer etwa darunter vorstellen, wenn Sie sagen, dass in Ihrem Unternehmen strenge Sicherheitsvorkehrungen herrschen? Noch unkonkreter geht es kaum. Warum erzählen Sie stattdessen nicht, dass Ihr Produktionsleiter jedes Jahr vier Wochen lang Fortbildungen besucht, weil es im Bereich der Arbeitssicherheit so viele Neuerungen gibt? Ein solches Detail langweilt die Zuhörer nicht – eher im Gegenteil! So erlauben Sie ihnen einen Blick hinter die Kulissen und geben ihnen die Möglichkeit, sich einzufühlen.

Damit der Funke auch wirklich rüberspringt, sind vor allem Ihre Emotionen kriegsentscheidend. Wie stehen Sie wirklich zu dem, worüber Sie sprechen? Eine Methode, die Ihnen dabei helfen kann, nenne ich «die Grabrede». Ja, Sie haben richtig gelesen. Schreiben Sie Ihre eigene Grabrede. Das mag jetzt etwas makaber erscheinen, hilft aber ungemein. Es ist die letzte grosse Rede, die über Sie gehalten werden wird. Was möchten Sie dort wiederfinden?

Machen Sie sich also Gedanken darüber, wofür Sie sich Zeit Ihres Lebens eingesetzt haben, wofür Sie eingestanden sind, wofür Sie der Experte waren und wie Sie dort hingekommen sind. Dieser Prozess wird dabei helfen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und zu definieren, wofür Sie stehen und mit Leib und Seele brennen. Denken Sie über die Quintessenz Ihrer Arbeit nach und legen Sie Ihr ganzes Herzblut in die Formulierungen, um Ihre Emotionen zum jeweiligen Thema passend zu transportieren. So sieht die Vorbereitung für eine wirklich gelungene Präsentation aus. Lassen Sie Ihre Zuhörer eben diese Emotionen spüren – und die Begeisterung wird Ihnen entgegenschlagen. Denn echte Begeisterung ist ansteckend.