Fast alle wollen, aber nur wenige tun es tatsächlich so, wie es ihren Vorstellungen entspricht. Auf diese Formel könnte die Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Ehrenamt und Freizeit zusammengefasst werden. Lange standen vor allem Frauen vor der Herausforderung, die Mutterschaft mit interessanten Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten zu verbinden. Zunehmend stellt sich die Problematik der Vereinbarkeit aber auch in der Pflege von betagten Verwandten, und auch Väter wollen nicht länger nur Wochenendväter sein, sondern eine aktive Rolle in der Begleitung und Betreuung der Kinder übernehmen.
Flexible Arbeitszeit im Trend
Eine aktuelle Studie der Pro Familia, die im Auftrag der St. Galler Kantonsregierung erstellt wurde, zeigt, dass 90 Prozent der knapp 1200 befragten KMU-Angestellten ihre Erwerbsarbeit trotz einer Lohneinbusse reduzieren möchten. Einige Unternehmen stellen diesbezügliche Angebote bereit. Doch bisher stehen die Organisationsstrukturen sowie die reale Einkommenssituation diesem Wunsch häufig entgegen. Dazu kommen auch Karrierevorstellungen, traditionelle Rollenbilder und Vorurteile, die im Moment noch dazu führen, dass schweizweit nur knapp acht Prozent der Väter (gegenüber 61 Prozent der Mütter) Teilzeit arbeiten (BFS 2013).
Der Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit mit den Kindern bei gleichzeitiger Arbeitszeitreduktion und -flexibilisierung ist seit einigen Jahren ein Trend, der sich in Zukunft noch deutlicher manifestieren und in veränderten Beschäftigungsstrukturen niederschlagen wird.
Für Unternehmen lohnt es sich, in Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben zu investieren: Sie können Mitarbeitende damit längerfristig an die Organisation binden und von ihrem Know-how und ihrer Erfahrung profitieren. Vorgesetzte müssen dann Wege finden, wie sie konkret den Wünschen der Mitarbeitenden bezüglich Vereinbarkeit entgegenkommen, ohne die Teamziele aus den Augen zu verlieren. Sie müssen für die verschiedenen Aufgaben geeignete Arbeitsstrukturen einrichten und festlegen, wie viel Zusammenarbeit und formelle und informelle Kommunikation im Team notwendig sind.
Möglichkeiten analysieren
Jede Führungsperson kann für ihren Bereich am besten beurteilen, welche Aufgaben in welcher Zeit und von welchem Ort aus erledigt werden müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, welchen Anteil unvorhergesehene Aufträge ausmachen, wie mit planbaren und wie mit ungeplanten Aufgaben zu verfahren ist, welche Informationen wie weitergegeben und wie häufig gemeinsame Sitzungen anberaumt werden. Auch informelle Aspekte der Kommunikation – Tür- und Angelgespräche, gemeinsame Znünipausen und so weiter – sind zu beachten. Daraus entsteht ein Handlungsspielraum, der für Massnahmen zur Arbeitsflexibilisierung genutzt werden kann.
Die Fachstelle «UND» berät seit über 20 Jahren Unternehmen, die ihre Anstellungs- und Arbeitsbedingungen familienfreundlicher gestalten wollen. Und sie sensibilisiert und schult Vorgesetzte zum Thema «Familienfreundliche Führung». Denn das Verhalten von Führungspersonen entscheidet letztlich darüber, wie gut einem Mitarbeiter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie / Privatleben tatsächlich gelingt. Dieser Aspekt erhält in Unternehmen leider oft noch wenig Aufmerksamkeit. Nicht selten werden in der Geschäftsleitung gute Massnahmen beschlossen, die Führungspersonen im unteren und mittleren Management dann aber bei der Umsetzung nicht unterstützt.
In der Bedarfsermittlung zeigt sich, dass Teilzeitarbeit von Frauen heute in den meisten Unternehmen akzeptiert ist, dass aber Männer beim Wunsch nach einer Pensenreduktion immer noch häufig auf Hindernisse stossen. Deshalb empfiehlt die Fachstelle bei ihren Beratungen, alle Massnahmen immer auf Frauen und Männer im Betrieb auszurichten – unabhängig davon, wie gross der Frauen- und der Männeranteil oder in welcher Branche der Betrieb tätig ist. Ein Beispiel: Die Samuel Werder AG in Veltheim /AG stellt Spitzenprodukte aus Metall und Kunststoff für die Hightech-Industrie her. 90 Prozent der Mitarbeitenden sind Männer. Die Samuel Werder AG hat den Mutterschaftsurlaub auf 20 Wochen zu 100 Prozent Lohn erhöht und einen Vaterschaftsurlaub von zehn Tagen eingeführt. Väter haben zudem im ersten Lebensjahr des Kindes Anrecht auf zwei Wochen unbezahlten Vaterschaftsurlaub.