Die Lebenswelten der Mitarbeiter von Unternehmen sind verschieden, auch ihre biografisch bedingten Erfahrungen und Wertesysteme. Deshalb reagieren sie auch auf dieselben Ereignisse emotional sehr verschieden. Das zeigt sich gerade in Ausnahmesituationen wie der aktuellen Corona-Krise. Während die einen in den zurückliegenden Wochen unter anderem aufgrund der Bilder aus italienischen Kliniken, überspitzt formuliert, ihr baldiges Lebensende befürchteten, genossen andere die Lockdown-bedingte Auszeit und das schöne Wetter und dachten: Auch diese Katastrophe geht vorüber.
Unterschiedliche Stimmung
Mit diesen Gefühlsextremen wurden die Führungskräfte vieler Unternehmen in der Zeit nach dem Shutdown meist nur bedingt konfrontiert, denn häufig waren ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit oder arbeiteten im Homeoffice. Doch nun kehren viele Mitarbeiter wieder an ihren «normalen» Arbeitsstätten im Betrieb zurück – meist in einer sehr unterschiedlichen Gemütsverfassung. Während sich manche hierüber freuen, haben andere sehr gemischte Gefühle – zum Beispiel,
- weil sie Angst vor einer Infektion am Arbeitsplatz haben oder
- weil zuhause ihre Kinder sind, deren Schulen noch geschlossen sind, oder
- weil sie sich schlicht fragen: Wie geht es in unserem Betrieb weiter? Welche Veränderungen kommen auf mich/uns zu?
Und nicht selten, wird dieses unterschiedliche Wahrnehmen und Empfinden auch zu Spannungen in der Belegschaft führen. So berichten Personalverantwortliche zum Beispiel schon jetzt darüber, dass die Mitarbeiter ihrer Unternehmen recht kontrovers darüber debattieren, inwieweit in der Nach-Corona-Zeit ein Arbeiten im Homeoffice noch möglich sein soll.
Unterdrückte Gefühle
Auf solche Debatten müssen sich die Führungskräfte einstellen; ausserdem darauf, dass ihre Mitarbeiter nach dem Lockdown emotional sensibler als in der Vor-Corona-Zeit reagieren, auch wenn sie ihre Gefühle nicht unmittelbar zeigen, denn meist wissen die Mitarbeiter aus Erfahrung: Wenn eine Person in Unternehmen Gefühle zeigt und sich für eine Sache auch emotional engagiert, wird dies von ihren Gesprächspartnern oft als Schwäche interpretiert. Und nicht selten wird sie sogar mundtot gemacht mit Aussagen wie
- «Nun bleiben Sie mal sachlich.» Oder:
- «Nun malen Sie nicht gleich den Teufel an die Wand.»
Die Tatsache, dass ein Mitarbeiter Gefühle zeigt, wird also als Legitimation genutzt, um sich mit seinem Anliegen nicht ernsthaft zu befassen. Und zeigt eine Person regelmässig Gefühle? Dann wird sie schnell in eine Schublade gesteckt:
- «Ach die Müller, die reagiert schnell hysterisch.» Oder:
- «Ach der Huber, der macht aus jeder Mücke einen Elefant.»
Deshalb sind die Mitarbeiter meist bemüht, am Arbeitsplatz wenig emotionale Betroffenheit zu zeigen. Stattdessen verbergen sie ihre Empfindungen hinter scheinbar rationalen Argumenten. Als Folge davon wird in Unternehmen oft endlos über Nichtigkeiten diskutiert. Und erreichen die betreffenden Personen mit ihrer scheinbar rationalen Argumentation ihre Ziele nicht? Dann versuchen sie dies häufig über Umwege – zum Beispiel, indem sie Beschlüsse und Aufgaben bewusst vergessen oder fehlinterpretieren.
Diese Gefahr besteht in der aktuellen Situation verstärkt, denn in ihr besteht nicht nur in der Gesellschaft eine grosse Unsicherheit, wie es weitergeht, auch die Entscheider in den Unternehmen wissen es nicht. Sie können sozusagen nur auf Sicht fahren; entsprechend häufig müssen sie ihre Entschlüsse und Planungen ändern. Dies schürt wiederum die Ängste und oft auch den Unmut der Mitarbeiter, weshalb sie «gefühliger» als sonst reagieren.