Mensch & Arbeit

Personalrecruiting

Auf dem Weg zu einem attraktiven Arbeitgeber

Welchem Unternehmen die Rekrutierung begehrter Fachkräfte gelingt, hängt zu einem grossen Teil von seiner Attraktivität als Arbeitgeber ab. Im Wettbewerb um die «besten Köpfe» haben KMU gegenüber grossen Firmen jedoch oftmals das Nachsehen. Ein neu entwickeltes Praxistool soll KMU helfen, ihre Arbeitgeberattraktivität zu optimieren.
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In der Schweiz besteht über alle Wirtschaftszweige und Unternehmensgrössen hinweg ein Mangel an Fachkräften. So kommt erst jüngst eine Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung und Forschung zum Schluss, dass in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) eine Fachkräftelücke vorherrscht, die nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell bedingt ist (Gehrig et al., 2010).

Fachkräftemangel bei KMU

Besonders stark betroffen von diesem MINT-Fachkräftemangel sind kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die im Vergleich zu internationalen Konzernen nicht auf einen ausgeprägten internen Arbeitsmarkt zurückgreifen können und im Gegensatz zu Grossunternehmen einen vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrad als attraktive Arbeitgeber geniessen. Mit zusätzlichen Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung sind KMU in ländlich geprägten Regionen konfrontiert (vgl. Hug, 2008), da die dringend benötigten Fachkräfte vielfach dazu tendieren, nicht nur grössere Unternehmen, sondern auch städtische Regionen mit einem ausgeprägten Arbeitsmarktcluster zu bevorzugen. Hier setzt das von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) unterstützte Projekt «Regionale Attraktivität für Fach- und Führungskräfte» an, das sich auf KMU im sekundären Sektor in der Region Alpenrhein bezieht. Mit einer Onlinebefragung von rund 350 Fach- und Führungskräften wurden Faktoren herausgearbeitet, die für diese Berufsgruppe bei der Arbeitgeberwahl relevant sind. Darauf aufbauend wurde ein Attraktivitätsprofil für KMU erarbeitet.

Attraktivitätsprofil

Insgesamt haben sich 35 Jobcharakteristika als besonders relevant für die Wahl eines Arbeitgebers herausgestellt, die sich zu den vier Bereichen «Arbeit & Karriere», «Unternehmen & Führungskultur», «Vergütung» sowie «Region» zusammenfassen lassen. Die Onlinebefragung hat gezeigt, dass Jobcharakteristika, die sich dem Bereich «Arbeit & Karriere» zuordnen lassen, besonders stark die Entscheidung für eine Arbeitsstelle prägen. Als besonders wichtig erwiesen sich dabei die internen Wechselmöglichkeiten in einen anderen Aufgabenbereich auf Rang 2 sowie die fachlich herausfordernde Arbeitsaufgabe auf Rang 5. Sehr prominent ist auch der Bereich «Vergütung» mit dem Jobcharakteristikum überdurchschnittliche Lohn- und Zusatzleistungen auf Rang 1 vertreten. Auch der Bereich «Unternehmen & Führungskultur» erweist sich insbesondere mit dem guten Verhältnis zum Vorgesetzten auf Rang 3 und dem Image der Produkte auf Rang 4 als relevant. Im Gegensatz zu diesen betrieblichen und arbeitsplatzbezogenen Faktoren wird der Bereich «Region» insgesamt als weniger wichtig erachtet. Dies lässt sich auf die Ausrichtung der Befragung zurückführen, in der eine Arbeitsplatzwahl getroffen werden musste und die Befragten dabei die Wohnortwahl ausgeblendet haben. Trotz dieser Einschränkungen rangieren einige regionalspezifischen Merkmale im Mittelfeld. Es sind dies die grenznahe Lage, die Existenz eines Arbeitsmarktclusters und der Wunsch nach grösseren Städten in der Nähe.

Praxistool und -leitfaden

Aufbauend auf den Forschungsergebnissen wurden ein schriftlicher Praxisleitfaden und gemeinsam mit Avenir Consulting AG ein excelbasiertes Praxistool entwickelt, die KMU bei der Steigerung ihrer Arbeitgeberattraktivität unterstützen (vgl. Kasten «Tipp»). Das Praxistool wird dabei in Form eines Projektes im Unternehmen eingesetzt und gliedert sich in sieben Phasen (vgl. Abbildung 1), die im Praxisleitfaden näher beschrieben werden.

Ist-Soll-Abgleich

Kernelement des Praxistools ist der Ist-Soll-Abgleich, mit dem das Unternehmen seine individuellen Stärken und Schwächen im Hinblick auf seine Arbeitgeberattraktivität identifiziert. Ein praktikabler Weg zur Beurteilung der eigenen Arbeitgeberattraktivität stellt das Management-Audit dar, bei dem das Management die Attraktivität des Unternehmens im Hinblick auf die relevante Zielgruppe evaluiert. Dabei können die ersten beiden Phasen «Ist-Analyse» und «Soll-Definition» von den am Audit teilnehmenden Personen einzeln durchgeführt werden. Auf Basis einer Excel-Anwendung bietet das Praxistool die Möglichkeit, den Ist- und Soll-Zustand von verschiedenen Personen zu erfassen.

Bei der Ist-Analyse wird von den Projektteilnehmenden zunächst die Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der Zielgruppe Fach- und Führungskräfte eingeschätzt. Evaluiert werden dabei all jene Jobcharakteristika, die sich bei der Forschungsphase für Fach- und Führungskräfte bei der Wahl ihres Wunscharbeitgebers als besonders relevant herausgestellt haben (vgl. Abbildung 2).

Zur Beurteilung des Ist-Zustandes bewerten die Projektteilnehmenden anhand eines Fragebogens die Attraktivität der abgefragten Jobcharakteristika. Die Antwortskala reicht von 1 bis 5, wobei 1 stets eine sehr kleine bzw. tiefe Ausprägung anzeigt und 5 eine sehr grosse bzw. hohe Ausprägung widerspiegelt.

Die Soll-Definition erfolgt analog dazu durch eine Festlegung der angestrebten Arbeitgeber­attraktivität. Der Soll-Wert gibt an, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber stehen möchte und was es seinen Mitarbeitenden bieten will. Hohe Soll-Werte auf der Skala von 1 bis 5 werden also für diejenigen Bereiche vergeben, die einem Unternehmen als sehr wichtig erscheinen. Das Praxistool gibt ein gutes Bild davon, wo das Unternehmen momentan steht und in welchen Bereichen noch Verbesserungspotenzial vorhanden ist (vgl. Abbildung 3). Die Soll-Linie kennzeichnet die Zielwerte des Unternehmens, während die Ist-Linie den momentanen Ist-Zustand anzeigt und im direkten Vergleich mit der Soll-Linie Informationen zu den Stärken und Schwächen des Unternehmens in Bezug auf die für Fach- und Führungskräfte bedeutenden Attraktoren liefert. In einem Workshop werden nun anhand dieses Ist-Soll-Abgleichs Stärken herausgefiltert und Verbesserungspotenziale definiert.

Massnahmen

Von besonderem Interesse bei der Optimierung der Arbeitgeberattraktivität sind für das Unternehmen all jene Kriterien, die einerseits aus Sicht der Zielgruppen als besonders wichtig für die Beurteilung der Arbeitgeberattraktivität erachtet werden (hohe Soll-Werte) und bei denen andererseits noch eine grosse Diskrepanz zwischen Ist- und Soll-Werten besteht. Hier gilt es, gezielt Massnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität zu entwickeln und zu implementieren. Dabei werden ausgehend von den heutigen Schwächen für jede gewählte Steuerungsgrösse – quantitative oder qualitative – Zielwerte bestimmt. Die beschlossenen Massnahmen werden mit Verantwortlichkeiten und Umsetzungsterminen versehen, um eine konsequente Implementierung zu ermöglichen. Die Möglichkeiten, als Arbeitgeber die eigene Attraktivität zu steigern, sind vielfältig. Sie reichen von der Einführung flexibler Arbeitszeiten bis zu aufwendigen Personalentwicklungsmassnahmen. Als Hilfsmittel zur Bestimmung der Handlungsfelder und Massnahmen liefert der schriftliche Praxisleitfaden für jedes Attraktivitätskriterium einen Katalog von Reflexionsfragen, die dazu dienen, die Diskussion im Workshop auf mögliche Verbesserungspotenziale zu lenken. So wird z. B. das Kriterium «Attraktive Tätigkeit» (A1) mit folgenden Reflexionsfragen abgedeckt: «Wissen wir, was genau an der Tätigkeit als unattraktiv wahrgenommen wird? Haben wir die Möglichkeiten der Arbeitsplatzgestaltung vollständig genutzt?» Zusätzlich zu den Reflexionsfragen werden für alle betrieblichen und regionalen Attraktivitätskriterien Handlungsempfehlungen und Gestaltungshilfen geboten, mit denen KMU ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern können.

Kommunikation

Anders als viele Grossunternehmen besitzen die meisten KMU keine Employer-Branding-Strategie. Umso wichtiger ist es für sie, die relevanten Zielgruppen auf ihre Arbeitgeberattraktivität aufmerksam zu machen. Das Praxistool ermöglicht einen geschärften Blick für die eigenen Stärken, also all jene Kriterien, die bei der Ist-Analyse besonders hoch bewertet wurden. Diese Stärken gilt es zu kommunizieren und zwar sowohl auf dem internen als auch auf dem externen Arbeitsmarkt. Hierfür muss zunächst entschieden werden, welche Kriterien und Bereiche sich am besten für die Kommunikation eigenen. Dabei sollten nicht nur potenzielle Jobkandidaten im Blick stehen, sondern auch die eigenen Mitarbeitenden.

Zur Darstellung der eigenen Stärken sind generell verschiedene Medien, wie Informationsbroschüren, Stelleninserate oder Werbekampagnen, geeignet. Zudem spielt die eigene Homepage eine entscheidende Rolle und dient Jobsuchenden immer mehr als Hauptinformationsquelle. Daher sollten auf ihr auch die unternehmensspezifischen Stärken kommuniziert werden. Der Praxisleitfaden stellt relevante Massnahmen zum Aussenauftritt und zur Kommunikation der Arbeitgeberattraktivität vor und widmet sich in einem speziellen Kapitel dem gezielten Anwerben von ausländischen Fach- und Führungskräften, die für Schweizer KMU zunehmend wichtiger werden, um ihren Fachkräftebedarf zu decken. Eine nachlassende Wettbewerbsfähigkeit, weil qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, ist somit keineswegs unausweichlich. Stattdessen haben KMU viele Gestaltungsspielräume, um auch in Zukunft Fach- und Führungskräfte zu gewinnen und zu binden. Dreh- und Angelpunkt ist die Optimierung der eigenen Arbeitgeberattraktivität. Der entwickelte Leitfaden und das Praxistool sind wertvolle Hilfsmittel dazu. Ihre Anwendung ist einfach und an bereits bekannten Prozessmanagementschritten orientiert und sie bieten praxisnahe Analyse- und Handlungsempfehlungen, mit denen KMU ihre Position als attraktive Arbeitgeber steigern und erfolgreich kommunizieren können.

Porträt