Marketing & Vertrieb

Simplicity

Zurück zu Einfachheit und Verständlichkeit

Produkte, Dienstleistungen und Prozesse werden immer vielfältiger und komplexer – das überfordert zunehmend Mitarbeitende wie auch Kunden. Der Ruf nach Einfachheit wird lauter. Die wiederum ist gar nicht so einfach herzustellen.
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Der Hauptkonkurrent wird in wenigen Tagen eine neue Dienstleistung anbieten – und diese hat es in sich. Mehr Auswahlmöglichkeiten, personalisierbar, flexibel und auf die Lebensumstände jedes Kunden anpassbar. Klingt grossartig. Die erste Reaktion Ihres Unternehmens? Das können wir auch, aber besser. Wir werden unseren Kunden sogar noch mehr anbieten.

Kommt Ihnen dieses Muster bekannt vor? Egal, in welcher Branche, der Wettbewerb führt dazu, dass Produkte laufend weitere Funktionen und Eigenschaften erhalten und Dienstleistungen in noch mehr Varianten angeboten werden. Doch möchten das Kunden wirklich? Feld­experimente haben gezeigt, dass sich Menschen von grossen Auswahlmö­glichkeiten angezogen fühlen, dies aber sehr schnell zu Hilflosigkeit, Überforderung und gar Entscheidungslähmung führen kann. Wir lieben es zwar, mehr zu haben, als wir brauchen, aber nur so lange wir es auch verstehen und beherrschen. Und diesen Punkt haben sehr viele Dienstleistungen und Produkte längst überschritten. Wir müssen wieder einfacher und verständlicher werden.

Das Arbeiten nach festgelegten Prozessen erleichtert das Leben ungemein – eigentlich. Denn die meisten Prozesse im Arbeitsalltag sind längst alles andere als überschaubar. Prozesse haben in einer vernetzten Welt immer mehr Schnittstellen, und kaum ein Prozess ist von einem konstanten Ausbau befreit. Was einmal leicht verständlich eingeführt wurde, ist mittlerweile ein in verschiedene Ebenen gegliedertes mysteriöses Rätsel geworden. Diese zunehmende Komplexität führt zu mehr Zeitaufwand, Fehlern und Unzufriedenheit.

Wege zur Einfachheit

Der Ruf nach Einfachheit wird somit immer lauter. Immer mehr Unternehmen haben dies als Chance erkannt und möchten sich durch einfache, verständliche Produkte, Dienstleistungen und Prozesse von der Masse abheben. Doch in dieser immer komplexer werdenden Welt ist Einfachheit zu erlangen alles andere als einfach – es sei denn, man befolgt zwei einfache Tipps.

Tipp 1: Bevor etwas vereinfacht werden kann, ganz egal, ob es sich dabei um einen Prozess, eine Dienstleistung oder ein Produkt handelt, müssen drei essenzielle Fragen eindeutig geklärt sein: Was genau soll vereinfacht werden? Warum soll dies vereinfacht werden? Und die wichtigste Frage: Für wen soll es einfacher werden? Es mag anfänglich trivial klingen, aber sehr viele Schwierigkeiten beim Vereinfachen geschehen, weil Uneinigkeit darüber herrscht, was vereinfacht werden soll und warum? Geht es darum, das ganze Produkt zu vereinfachen oder nur ein Detail davon? Oder ist es nicht das Produkt, sondern die Kommunikation über das Produkt, welche einfacher sein soll? Oder die Bedienungsanleit­-ung? Müssen wir einen ganzen Prozess vereinfachen oder bloss einen Prozessschritt? Genügt es vielleicht schon, wenn der Prozess anders, einfacher dargestellt werden könnte? Und soll es vereinfacht werden, weil zu viele Reklamationen bei uns eintreffen oder weil mit einer Ver­einfachung Produktionskosten minimiert werden können? Womöglich ist der Grund für den Wunsch nach Vereinfachung das Differenzierungspotenzial gegenüber Mitbewerbern?

Mit Abstand am meisten Missverständnisse treten jedoch auf, wenn die Frage ungeklärt bleibt, für wen etwas vereinfacht werden soll. Denn in den allermeisten Fällen geschieht eine Vereinfachung für die eine Partei nicht, ohne dass damit etwas für eine andere Partei aufwendiger wird. Also, soll es für die Kunden einfacher werden? Für welche Kunden genau? Oder doch für die Produktion? Für das Management? Für die Lieferanten? Bloss für unsere Abteilung oder für das gesamte Unternehmen? Beginnen Sie nicht nach Ideen zur Vereinfachung zu suchen, bevor diese drei Fragen nicht für alle klar beantwortet wurden.

Tipp 2: Dieser Hinweis ist gleichzeitig auch ein Buchtipp zum Thema. So werden im Buch «Simplicity – Prinzipien der Einfachheit» Vereinfachungsideen nach fünf Prinzipien beschrieben. Diese fünf Prinzipien stehen für unterschiedliche Wege, wie etwas vereinfacht werden kann. Erstaunlich ist, dass «Weglassen» – was landläufig mit «Vereinfachung» fast schon gleichgesetzt wird – nur eines von fünf Prinzipien ist. Prozesse, Produkte und Dienstleistungen können auch vereinfacht werden, indem nützliche Details oder Hilfestellungen «ergänzt» werden. Oder indem Module und kleine Einheiten gebildet werden und die Masse von der Ausnahme getrennt wird, kann durch das «Restrukturieren» ebenfalls vieles vereinfacht werden. Ein viertes Prinzip lautet «Ersetzen»: Kann ein Bestandteil weggenommen und durch etwas anderes ersetzt werden? Und zuletzt kann so manches vereinfacht werden, indem bloss die «Wahrnehmung» darauf verändert wird. Müssen die Kunden zum Beispiel lange auf eine Information, eine Lieferung oder einen Service warten? Wenn man den Kunden ein Feedback gibt, was momentan gerade passiert, oder diese Zeit mit nützlichen Informationen oder mit etwas Unterhaltsamem füllt, wird diese Zeit nicht mehr als lange und somit oft nicht mehr als lästig empfunden.

Viele Beispiele im Alltag zeigen uns, dass Einfachheit durchaus möglich ist. Und dass es hierfür oft nicht nötig ist, möglichst vieles wegzulassen und sich somit schweren Herzens von wichtigen Dingen zu trennen. Um Dinge einfacher zu machen, genügt es oft bereits mit einem auf Einfachheit geschärften Blick durch die Welt zu gehen. Es gibt so vieles, das bereits mit wenig Aufwand vereinfacht werden könnte, wenn man es nur beachten würde. «

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