Marketing & Vertrieb

Service-Dominant Logic

Wie konsequenter Kundenfokus neue Chancen eröffnet

Der Kampf um Marktanteile mittels Niedrigpreis-Strategie führt nur in seltenen Fällen zum Erfolg. Einen Lösungsansatz zur Stärkung der eigenen Marktposition bietet die marketing-strategische Betrachtungsweise der sogenannten Service-Dominant Logic SDL.
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Der Leitgedanke der Service-Dominant Logic (SDL) baut auf dem traditionellen Marketinggrundsatz des kundenorientierten Handelns auf. Im Kern der SDL-Strategie tritt an Stelle des Produktes die damit erbrachte Dienstleistung in den Vordergrund. Der Kundennutzen steht im Zentrum jedes wirtschaftlichen Handelns. Dienstleistung und Produkt verschmelzen zur untrennbaren Einheit.

Kunde arbeitet mit

Nicht nur Grosskonzerne, insbesondere auch KMU können von der Umsetzung dieses modernen Marketing-Ansatzes profitieren. Beispielsweise bei der Erstellung von Treuhand-Dienstleistungen ist SDL mit dem Kernelement der «Co-Creation» bereits an der Tagesordnung. Firmenkunden greifen direkt auf «ihr» individualisiertes Buchhaltungsprogramm zu.

Dieses befindet sich nicht mehr in der eigenen Firma, sondern ist auf dem Server der Treuhandunternehmung installiert. Dieser Service bietet grosse Kundenvorteile. Die Anschaffung sowie der Unterhalt eines eigenen Programmes erübrigen sich. Die professionelle Software ist permanent aktualisiert und sicher. So können die Buchungen effizient und kostengünstig vom Kunden in Eigenregie ausgeführt werden, während die bedarfsgerechte Experten-Unterstützung jederzeit sichergestellt ist. Abschlüsse, Mehrwertsteuerabrechnungen oder Adaptionen für internationale Steuer- sowie Finanzbuchhaltungsstandards, die vertieftes treuhänderisches Fachwissen erfordern, werden nahtlos von Treuhand-spezialisten weitergeführt.

Ein interaktiver Prozess

Analog des vorgängig erwähnten Prozesses entfalten Produkte und Dienstleistungen ihren Nutzwert erst mit der Inanspruchnahme ihrer Leistungspotenziale. Produkte und Dienstleistungen sind daher als interaktiver Prozess zu verstehen. Dabei tauschen Unternehmungen nicht Produkte, sondern Dienstleistungen aus. Der Wert ist in den Produkten gebunden. Die Wertentstehung setzt die Beteiligung des Kunden voraus. Die Wertschöpfung entsteht erst mit der Anwendung durch den Kunden. In der Folge entwickeln und stellen Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen bewusst nicht für ihre Kunden her, sondern gemeinsam mit ihren Kunden. Professor Robert Lusch (University of Arizona) als Entwickler des SDL-Marketings bringt diese Sichtweise auf den Punkt: «Der Kunde kauft nicht, weil die Produkte gut sind. Der Kunde kauft Produkte, weil sie etwas für ihn tun.»

Monetärer Wert

Aus Sicht der SDL bieten Produkte oder Dienstleistungen, als autonome Objekte betrachtet, an sich noch keinen Wert. Gleichzeitig befindet sich der Kunde nicht mehr in der Rolle des Leistungsempfängers. In diesem Kontext können Unternehmen keine Werte liefern. Das Produkt entsteht nicht als eine «Eigenleistung» des Herstellers, vielmehr entpuppt es sich als Mittel zum Zweck für die Anwendung zum effektiven Kundennutzen.

Diese Denkweise eröffnet neue Möglichkeiten im Ertragsmanagement. Mit der Wertbemessung des Nutzens durch den Kunden eröffnen sich neue Spielräume in preispolitischen Überlegungen. Die Kalkulation auf der Basis der Kosten-Plus-Methode (effektive Kosten) verliert an Bedeutung.

Die neue Fragestellung lautet: «Wie viel darf dieses Angebot aus Kundensicht kosten?» Und nicht mehr: «Wie viel kostet dieses Angebot?» Damit erleichtert das SDL-Denken oftmals auch die Umsetzung einer angestrebten Ertragsoptimierung.

In den Kundenbeziehungsprozessen mutiert die bisherige eher «Unternehmen-Kunden-Einbahn-Kommunikation» zu einem permanenten, proaktiven Dialog zwischen den Akteuren, im Fachjargon «Co-creating conversation and dialogue» genannt. Der Kunde wird als gleichwertiger Partner in den Dialog aller an der Dienstleistungserstellung beteiligten Akteure eingebunden.

Für alle Branchen anwendbar

Auf den ersten Augenblick unvermutet, bietet der Immobilien-Bereich erfolgsversprechende Ansätze im SDL-Denken. Wer bereits in der Entwicklungsphase konsequent kundenfokussiert und im Einbezug aller Akteure kreativ plant, wird sich im zunehmenden Wettbewerb um Mieter und Käufer behaupten können. Jedoch nicht nur während der Planungsphase, sondern auch bei bestehenden Mietverhältnissen kann das SDL-Prinzip genutzt werden. Aussenflächen wie Vorplätze, Grünflächen und Terrassendächer sowie UG-Räumlichkeiten bieten sich bestens zur Mitgestaltung des Nutzers an.

Die Umsetzung von individuellen Mieterwünschen kann oftmals mit wenig Aufwand realisiert werden. So erfreut sich nicht nur der Bienenfreund mit seinen Bienen auf dem gesicherten und begehbaren Flachdach, auch der Sportler im Fitnesskeller oder der Gewerberaum-Mieter mit seiner bedürfnisgerechten Bürofläche wird sich langfristig wohlfühlen. Der so gesteigerte Objektnutzwert aus Mietersicht kann sich direkt in einer erhöhten Nachfrage und folglich der Vollvermietung in einem optimierten Immobilienertrag honorieren.

Im folgenden Beispiel manifestiert sich die Umsetzung des SDL mit Co-Creation-Lösung besonders eindrücklich: Neben weltweit standardisierten Transporteinheiten sind auch kreative, spezifische Transportlösungen gefragt. Neben vielen weiteren individuellen Kundenlösungen entwickelte die Luzerner Logistikunternehmung Martin Brunner Transport AG für das Befördern von schweren Steinbrechmaschinen ein kundenindividuelles Transportkonzept.

Am Heck des zu transportierenden Kunden-Steinbrechers wird eine vom Kunden bereitgestellte, spezielle Anhängerkonstruktion zum Transport der schweren Geräte angehängt. Diese zwei Einheiten werden mit einem eigens dazu gebauten Spezial-Auflieger und der Sattelzugmaschine des Transportunternehmens zu einer Transporteinheit gekoppelt. Der SDL-Theorie entsprechend greifen in dieser gemeinsam erstellten Marktleistungsgestaltung die perfekt aufeinander abgestimmten Leistungselemente beider Geschäftspartner wie Puzzleteile ineinander und führen so zur wertschöpfenden Lösung.

Nachhaltige Kundenbindung

Serviceorientierte und bedürfnisgerechte Dienstleistungen geniessen hohe Kundenakzeptanz. Gegenüber der direkten Vergleichbarkeit von Produkteigenschaften bietet die Marktpositionierung über individuelle Ausgestaltung von Dienstleistungen wesentliche Vorteile. Neue Ideen und Verbesserungsvorschläge können vielfach schnell sowie einfach umgesetzt werden. Mit dem erhöhten Erfüllungsgrad des Kundennutzens steigt in der Regel auch die Zahlungsbereitschaft der Kunden.

Für viele Hersteller von Produkten übersteigen die Erträge aus nachfolgenden Dienstleistungen den Gewinn aus Produktion und Verkauf um ein Mehrfaches. Wie die IXIS Securities Research & Investing Company errechnet hat, erwirtschaftet beispielsweise Daimler AG 80 Prozent des Gewinns mit der Finanzierung, im After-Sales- und im Occasions-Markt. Aus ökonomischer Sicht verlieren Produktion und Verkauf an Bedeutung, während serviceorientierte Leistungen höhere Nettoeinnahmen und nachhaltige Kundenbindung versprechen. Somit steigt die Attraktivität zur Entwicklung und Einführung neuer Geschäftsmodelle im Dienstleistungsbereich.

Service-Innovation

In Zukunft werden sich Unternehmun-gen vermehrt mit Service-Innovation beschäftigen. Die University of Manchester definiert Service-Innovation als ein «neu-es oder wesentlich verbessertes praxis­taugliches Service-Konzept». Dies kann ein neuer Kunden-Interaktions-Kanal, ein neues Vertriebs-System oder eine neue Technologie sein, oder aber eine Kombination davon. Eine Service-Innovation nützt dem Leistungserbringer und dem Kunden und verschafft beiden Wettbewerbsvorteile.

Service-Innovation findet also auf verschiedenen Ebenen statt. Die Verbesserung von internen Prozessen, das Entwickeln oder Einführen neuer Dienstleistungsmarken oder die Erschlies­sung neuer Vertriebskanäle können Unternehmen und Kunden zusätzliche Vorteile verschaffen. Die Innovationskraft eines Unternehmens hängt somit nicht nur von neuen Produkten ab.

Vielmehr stellt sich die Frage, über welche Kompetenzen ein Unternehmen zur Entwicklung und zur Erstellung neuer Dienstleistungen verfügt. Mit der Digitalisierung und der «Industrie 4.0» werden Produkte und Dienstleistungen verbunden. Diese neuen hybriden Angebote werden in Zukunft die Regel sein und bieten Unternehmen ganz viele Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Services.

Service Engineering

Ein Modell zur Findung neuer Geschäftsmodelle basiert auf den polarisierenden Massnahmen des Reduzierens und Eliminierens gegenüber der Steigerung oder Kreation von bestehenden oder neuen Angeboten. Welche Kundenutzen beeinflussenden Faktoren sollen weit über die branchenüblichen Standards gesteigert werden? Welche sollen gesenkt oder eliminiert werden? Wo können Kosten gesenkt, und wie können Kundennutzen erhöht oder neu geschaffen werden?

Die Beantwortung dieser Schlüsselfragen eröffnet neue Ansätze für Geschäftsideen, steigert die Wettbewerbsfähigkeit und fördert Kooperationen mit Kunden, Mitarbeitern oder Geschäftspartnern. Globalisierung, Deregulierungen oder neue Informationstechnologien stellen kleine und mittelgrosse Unternehmen vor neue Herausforderungen. Service Engineering bedeutet die systematische Entwicklung und Gestaltung von Dienstleistungen mittels geeigneter Prozesse, Methoden sowie Ressourcenplanung. Dies erfordert die Schaffung eines systematischen Innovationsmanagements mit adäquaten Organisationsstrukturen im Unternehmen. Die Entwicklung einer neuen Dienstleistung erfolgt in drei wesentlichen Schritten.

Fazit

Praxisbeispiele sowie die Theorie zeigen erfolgreiche Umsetzungen des vorab abstrakten theoretischen SDL-Marketingansatzes auf. Zur langfristigen Entwicklung des Unternehmens setzt die kundenorientierte Service-dominante Leistungserstellung adäquat organisierte Prozesse voraus. Verbunden mit dem Willen zur permanenten Verbesserung der Qualität, bieten sich in den zunehmend härter umkämpften Märkten echte Chancen für die dauerhafte Stärkung der ganz eigenen Marktposition.

Porträt