Marketing & Vertrieb

Preisverhandlungen

Wie höhere Preise und Honorare durchzusetzen sind

Für viele Unternehmer und Angestellte im Vertrieb gehören Preisverhandlungen zum beruflichen Alltag. Dennoch sind sie beim Thema «Preis» extrem unsicher: Aus Angst, den Kunden zu verlieren, geben sie oft unnötige und meist zu hohe Rabatte. Wie es gelingen kann, künftig bessere Konditionen durchzusetzen, zeigt dieser Beitrag.
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Wenn es um viel geht – und vor allem, wenn man kaufbereit ist – dann versucht man, den Preis zu drücken. Genau das machen Kunden. Schon immer. Als professionellen Anbietern war uns das nur meist nicht wirklich bewusst. Denn wir sind dem Preis-Mythos aufgesessen; wir denken meist «Der Preis entscheidet.» – weil wir es ständig von den Kunden hören. Aber: Kunden sind nicht immer ehrlich. Preisverhandlungen sind für sie ein professionelles Spiel. Und so versuchen sie, den Preis zu drücken – und das gerade bei dem Anbieter, bei dem sie kaufen möchten.

Marge statt Kunden verlieren

Die Tatsache, dass Kunden Verkäufer mit einer Preisreduktion konfrontieren, ist nicht immer gleichbedeutend damit, dass diese den jeweiligen Auftrag nicht erhalten würden, falls sie nicht nachgeben. Die Klarheit in diesem Aspekt ist elementar für den Erfolg in jeder Preisverhandlung. Nur: Oft geben wir ja schon aus «vorauseilendem Gehorsam» einen Rabatt. Viele denken sich – gerade wenn es um einen potenziellen Neukunden geht: «Da müssen wir mit einem tiefen Preis ran, ist ja ein Neukunde.» Und was passiert danach?

Der Einkäufer weiss, dass sein Verhandlungspartner den Abschluss unbedingt will und Angst hat, dass es am Preis scheitert. Das nutzt er aus. In der Folge laufen Preisverhandlungen meist so oder ähnlich ab: Der Kunde sagt: «Inhaltlich hat uns Ihr Angebot zwar zugesagt, aber Ihr Preis … nach Durchsicht aller Angebote muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie preislich deutlich über Ihren Wettbewerbern liegen. Was können Sie am Preis noch machen?» Und weil der Verkäufer lieber die Marge als den Kunden verliert, fragt er: «Was haben Sie sich denn vorgestellt? Wo müssten wir denn preislich hin?» Oder er gibt direkt einen Nachlass.

Neue Verhandlungsstruktur

Es wird Zeit, dass Verkäufer das Spiel mitspielen – aber nach ihren Regeln. Hierzu stellt sich folgende entscheidende Frage: «Würde eine Änderung des Preises etwas ändern?» Diese Frage alleine wird bereits dazu beitragen, künftig bessere Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Denn mit ihrer Kenntnis eröffnet sich eine neue Verhandlungsstruktur.

Ausgehend von den beiden möglichen Antworten auf die Frage «Würde mein Nachlass etwas an der Entscheidung des Kunden ändern?» ergeben sich vier Szenarien (siehe Abb.): Wenn die Antwort auf die Frage «Nein» ist, dann gibt es keinen Rabatt. Das ist immer dann der Fall, wenn der Kunde ohnehin zum Angebotspreis kaufbereit ist oder er sich ohnehin für einen Wettbewerber entschieden hat. Wenn die Antwort «Ja» ist, dann gilt es herauszufinden: Wo ist der Preispunkt, zu dem ich gerade noch den Zuschlag erhalte – ohne dass ich darüber hinaus Preisgeschenke mache? Ist der Verkäufer bereit, sich auf diesen Preispunkt einzulassen, kommt es zum Abschluss mit Rabatt – aber mit dem geringst nötigen Rabatt. Will der Verkäufer sich auf den genannten Preispunkt nicht einlassen, heisst das wiederum: kein Abschluss, kein Rabatt.

«Nein» sagen

Mit dieser Methode wissen Verkäufer künftig: In nur einem von vier Szenarien ist Rabatt überhaupt gefragt. Und hier gilt es dann, den geringst möglichen Preisnachlass auszuhandeln. Wichtig dabei ist, sich bewusst zu machen, dass jeder halbwegs professionelle Kunde (und Einkäufer ohnehin) natürlich mehr fordern wird, als er tatsächlich will oder braucht.

Der Kunde weiss selbst, dass er das, was er fordert, nicht erhält. Die einzig logische Reaktion auf eine künftige Preisforderung des Kunden ist deshalb, «nein» zu sagen. Das ist sicher ungewohnt, aber die einzig logische, die einzig professionelle Antwort. Natürlich reduziert sich die Antwort nicht auf ein knappes «Nein», vielmehr kommuniziert der Verkäufer inhaltlich ein «erweitertes, herzliches Nein» und behält die Gesprächsführung. Etwa so:

«Gerade weil wir Sie unbedingt als Kunden gewinnen / behalten wollen, haben wir direkt unseren äussersten Preis kalkuliert. Weiter runter können wir nicht. Wie können wir uns auf dieser Basis einigen?» Solange er nicht herausgefunden hat, ob ein Preisnachass etwas an der Entscheidung des Kunden ändern würde, sollte er keinerlei Rabattsignale senden. Sonst würde vorab schon unnötig Geld verschenkt.

Erfahrungsgemäss werden die Verkäufer drei mögliche Reaktionen auf ihr «Nein» erleben:

  • Der Kunde willigt ein und sagt zum Beispiel: «Okay, ja, wenn da wirklich nichts mehr geht, gut, dann lassen Sie uns aber noch über XY reden.» Das Thema «Preis» ist somit vom Tisch und die Verhandlung wendet sich anderen Aspekten zu. In einigen Fällen werden Verkäufer genau diese Reaktion des Kunden erhalten. Nicht in den allermeisten Fällen wird das passieren, aber es wird immer wieder passieren.
  • Die häufigere Reaktion des Kunden aber ist, dass er weiter fordert, aber unbewusst seine Position aufweicht. Zum Beispiel indem er fragt: «Geht denn wirklich nichts mehr?» Oder: «Sie werden doch wohl nicht mit leeren Händen gekommen sein, oder?» Egal, ob er zu Beginn als erste Forderung sagte: «Sie müssen sich deutlich im Preis bewegen.» Oder: «Sie müssen mindestens 20 Prozent runter.» Durch Reaktionen auf das «Nein» wie «Geht da wirklich nichts mehr?» gibt der Kunde seine Forderung selbst auf. Das ist daran zu sehen, dass er mit einer geschlossenen Frage reagiert. Würde er eine «deutlich Preisreduktion» beziehungsweise «20 Prozent» brauchen, dann würde er nicht fragen, er würde darauf bestehen. Welche Reaktion wür­de in diesem Fall folgen? Der Verkäufer sagt erneut herzlich «Nein», nur leicht variiert, so oder ähnlich: «Ich verstehe Sie und wir wollen auch unbedingt Ihr Partner bei diesem Projekt werden. Einzig am Preis selbst kann ich leider nichts mehr machen. Lassen Sie uns auf dieser Basis (bitte) zusammenarbeiten.» Vielfach wird der Kunde jetzt zustimmen. Der kaufwillige wird es ohnehin tun.
  • Es wird aber selbstverständlich auch künftig noch Verhandlungen geben, in denen die Kunden anders, nämlich ablehnender, agieren. Zum Beispiel, wenn diese sehr hart spielen oder tatsächlich nicht bluffen. Hier wird ganz einfach ein zweites Mal «Nein» gesagt und erklärt: «Ich verstehe Sie. Und wir wollen auch unbedingt Ihr Partner bei diesem Projekt werden / bleiben. Aber am Preis selbst kann ich nichts mehr machen. Auf welchem Wege können wir uns sonst einigen?» Auf eine zweite, erneut harte Kundenforderung mit einem zweiten, herzlichen und gleichzeitig vor allem klaren «Nein» zu antworten, das ist anders. Aber nur mit neuen Wegen können neue Preise durchgesetzt werden. Kommt nach dem zweiten «Nein» die dritte Kundenforderung, etwa: «Nein, so kommen wir nicht zusammen, mir liegen bessere Angebote vor. Wenn Sie sich nicht deutlich bewegen, dann sind Sie raus.» – dann handelt es sich entweder um einen bereits kaufwilligen, aber sehr professionellen «harten Zocker» oder tatsächlich um einen Kunden, der zu Ihrem Angebotspreis nicht kaufen wird.

Die Mauertest-Frage

Jetzt kommt die sogenannte Mauertest-Frage zum Einsatz. Mit ihr lässt sich immer hundertprozentig herausfinden: Ist jeglicher Rabatt unnötig, weil der Kunde blufft – oder doch notwendig, weil kein Bluff vorliegt? Der Grund, warum diese Methode so sicher funktioniert: Sie basiert auf der Ideomotorik (griech. ídios «eigen» und lat. modus «Bewegung»), auf Reflexen also, die unbewusst und ganz automatisch beim Menschen passieren. So wie der Unterschenkel automatisch hervorschnellt, wenn der Arzt mit einem Hämmerchen leicht unterhalb des Knies schlägt, zeigt auch ein Kunde einen ideomotorischen Reflex als Reaktion auf die Mauertest-Frage, wenn er blufft.

Hierzu ein eingängiges Beispiel aus der Praxis: Der Kunde äussert seine dritte Kundenforderung: «Nein, so kommen wir nicht zusammen, mir liegen bessere Angebote vor. Wenn Sie sich nicht deutlich bewegen, dann sind Sie raus.» Wenn nun darauf der Verkäufer erwidert: «Herr Kunde, wir können wirklich nicht weiter runter. Lassen Sie es jetzt wirklich da­ran scheitern?», sollte der Verkäufer die Reaktion des Kunden genau beobachten.

Antwortet er ohne zu zögern «Ja, ich bin bereit dazu, ich habe mehrere Möglichkeiten. Es liegt jetzt an Ihnen, wenn Sie den Auftrag wollen …» und bleibt auch sein Blick beim Verkäufer in diesem allerersten Moment, heisst das für den Verkäufer: «Er blufft nicht, ich muss runter im Preis.» Wenn aber der Kunde jetzt immer noch blufft, muss er als Reaktion auf die Mauertest-Frage erst kurz nachdenken.

Und genau dadurch wird er sich verraten: Wenn er geblufft, also gelogen hat, dann ist das Erste, was ihm als spontane Antwort auf die Mauertest-Frage in den Sinn kommt, natürlich die Wahrheit: Er will kaufen und wird es nicht am Preis scheitern lassen. Wenn er aber weiterhin versucht zu zocken, will der Kunde genau das natürlich nicht sagen. Die Folge: Er muss kurz nachdenken. Und während er nachdenkt, in der nun entstandenen (Nachdenk-)Pause, schweift sein Blick ab – der ideomotorische Reflex –, und seine Antwort kommt erst mit einer kurzen Verzögerung.

Nach der Mauertest-Frage muss also der Fokus (Augen und Ohren) völlig beim Kunden sein. Nur so kann seine Erstreaktion präzise erfasst werden. Der allererste Moment entscheidet. Natürlich ist die Verhandlung jetzt noch nicht zu Ende. Aber der Verkäufer wird, wenn er bis hierhin in seinen Verhandlungen wie dargelegt agiert, immer besser abschneiden. Warum? Weil er nicht sofort einknickt, also nicht direkt Rabattsignale sendet. Und wenn der Kunde blufft, setzt er sogar seinen Erstangebotspreis durch.

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