Verkäufer sind von Haus aus agil – oder? Zumindest würde wohl kein B2B-Verkäufer das Gegenteil von sich behaupten. Denn ein schnelles Reagieren auf veränderte Kundenwünsche ist im Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen überlebenswichtig. Und wenn sich doch mal ein Kunde über eine mangelnde Flexibilität und Kundenorientierung beschwert? Dann ist aus Verkäufersicht in der Regel der Innendienst daran schuld, der nicht adäquat auf die Kundenwünsche reagierte, obwohl der Verkäufer diese weitergeleitet hat.
Verschiedene Erwartungen
In Workshops zum Thema «Agilisierung des Vertriebs» stösst man immer wieder auf Phänomene sowie Herausforderungen, die zwar von Unternehmen zu Unternehmen partiell verschieden, jedoch verkaufsspezifisch sind. Das liegt unter anderem daran, dass die Vertriebsorganisation in der Regel das Tor der Unternehmen zu ihren Kunden ist. Ausserdem existiert in den Vertriebsbereichen vieler Unternehmen und somit in den Köpfen derer Mitarbeiter das Credo: «Im Vertrieb wird der Umsatz und Gewinn gemacht». Deshalb sind die Prozesse sowie das Tun primär darauf ausgerichtet, den Zielkunden in kurzer Zeit möglichst viele Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen. Das ist an sich nicht schlecht, doch vergessen wird hierbei in der Praxis oft zweierlei.
- Der Vertrieb ist nicht nur das Tor des Unternehmens zum Kunden, sondern auch dessen Ohr am Markt. Der Vertrieb erfährt als Erstes, was sich bei den Zielkunden und in deren Märkten verändert, weshalb auch ein neuer Bedarf entsteht. Auf diese Infos seitens ihrer Verkäufer sind die Unternehmen angewiesen, damit sie ihr Produkt- und Leistungsportfolio entsprechend weiterentwickeln können und marktfähig bleiben.
- B2B-Kunden kaufen bei einem Unternehmen nur, wenn ihnen dieses – verglichen mit seinen Mitbewerbern – einen Mehrwert bietet. Dieser Mehrwert kann von technischer Natur sein, häufig ist er jedoch auch ablauforganisatorischer oder kaufmännischer Art. Und nicht selten erteilen die Entscheider auch deshalb einem Unternehmen den Auftrag, weil die «Chemie» zwischen ihnen und dem Verkäufer stimmt.
Deshalb lohnt es sich bei (Miss-)Erfolgen im Vertrieb stets, sich zu fragen «Warum erhielten wir diesen Auftrag (nicht)?», um hieraus für die Zukunft zu lernen.
Eine solche Selbstreflexion zumindest im Kollegenkreis ist den meisten Verkäufern nicht in die Wiege gelegt: Ihr Persönlichkeitsprofil entspricht meist dem von Einzelkämpfern. Und diese Mentalität wird nicht selten durch ihre Arbeitgeber gefördert – zum Beispiel durch individuelle Boni statt Team- oder Unternehmensboni. Teilweise ist dies gerechtfertigt. Denn wenn ein Verkäufer beim Kunden ist, dann darf er nicht so gestrickt sein, dass ihm stets jemand zur Seite stehen muss. Er muss vielmehr dazu in der Lage sein, autonom und selbstständig – situations- und kundenabhängig – sich zu entscheiden und zu agieren.