Mehr als zwei Drittel der Schweizer Unternehmen und Institutionen gelten als überwiegend glaubwürdig, was ihren nicht nur auf den Profit, sondern auch auf das Gemeinwohl ausgerichteten Unternehmenszweck anbelangt. Schweizer Marken schneiden damit in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich besser ab als ihre deutschen Pendants. Etwa jedes fünfte der 45 von Globeone im Purpose Readiness Index (PRI) gelisteten Unternehmen gilt bei den Verbrauchern in der Schweiz sogar als voll glaubwürdig. Der PRI zeigt, wie erfolgreich die Konzerne ihren Unternehmenszweck in relevanten Image-Dimensionen wie Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit, Authentizität, Ehrlichkeit und Gewinnstreben in der Öffentlichkeit kommunizieren.
Purpose bestimmt Reputation
Welchen hohen Einfluss die Purpose-relevanten Image-Dimensionen auf die Reputation eines Unternehmens haben können, belegt der PRI für die Schweiz ebenfalls – und zwar anhand einer Untersuchung der vielen Variablen, die schlussendlich die Einschätzung der Verbraucher beeinflussen. Die detaillierte Analyse der sogenannten Prädiktoren zeigt auf Basis von mehr als 42 000 Einzelbewertungen, dass die 15 für den PRI abgefragten Purpose-Kriterien zusammen fast 50 Prozent der Bewertung einer Marke erklären können. Die andere Hälfte der Beurteilung hängt dagegen stärker von den auf das Produkt oder die Leistung bezogenen Image-Dimensionen ab.
Zu den klaren Gewinnern des Rankings gehören Migros, Victorinox und der WWF, der als NGO per Definition naturgemäss bereits einen klaren Purpose verfolgt. Ähnlich wie im deutschen Purpose Readiness Index schneidet der Einzelhandel überdurchschnittlich gut ab, auch ausgewählte Schweizer Premiummarken wissen zu überzeugen. Sie werden in der Regel als ehrlich, authentisch und verantwortungsbewusst angesehen und profitieren von einer hohen alltäglichen Kundennähe.
Mangelnde Glaubwürdigkeit
Die Finanzbranche und die Pharmaindustrie leiden dagegen unter einer mangelnden Purpose-Glaubwürdigkeit. Hier überwiegt die Skepsis der Öffentlichkeit bei Themen wie Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit und kritisch gesehenem Gewinnstreben. Noch schwieriger haben es skandalanfällige Unternehmen und Branchen, die für gesundheits- und umweltschädigende Geschäftsmodelle bekannt sind. Sie sind die deutlichen Verlierer des PRI-Rankings. Aber auch Verbrauchermarken wie Nestlé oder Philip Morris sehen sich in den Medien wegen ihrer Herstellungsverfahren und der negativen Umweltauswirkungen ihrer Produkte einer weitverbreiteten Kritik ausgesetzt, die ihre Purpose-Glaubwürdigkeit untergräbt.
Kommunikationspotenziale
Vorangegangene Studien von Globeone zeigen, dass bislang nur ein Bruchteil der Schweizer Unternehmen offen einen Purpose kommuniziert. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass diese Unternehmen keinen übergeordneten Zweck haben. Vielmehr tragen auch viele der als sehr glaubwürdig eingeschätzten Unternehmen diesen teilweise noch gar nicht oder nur sehr zurückhaltend in die Öffentlichkeit – und haben daher noch enormes
Potenzial in ihrer Positionierung.
Denn die Bedeutung eines Unternehmenszwecks, der auch das Gemeinwohl berücksichtigt, wird sehr wahrscheinlich weiter zunehmen. Die grossen globalen Herausforderungen wie der Klimawandel sind nach wie vor ungelöst. Kunden und eine kritische Öffentlichkeit erwarten zunehmend adäquate Antworten von Unternehmen auf diese und andere übergeordneten Fragen. Wer sich hier der Lösungssuche verweigert, wird wirtschaftlich langfristig vermutlich das Nachsehen haben. Daher tun auch KMU gut daran, Purpose nicht leichtfertig etwa als Marketing-Trend abzutun.
Vor allem die jüngeren Generationen, die Generation Y mit den nach 1980 Geborenen oder die Generation Z mit den ab 1994 Geborenen, legen nachgewiesenermassen hohen Wert auf die Wirkung ihres eigenen Tuns und das Wohlergehen von Mensch und Umwelt. Beide Generationen haben klare Wertvorstellungen. Sie erwarten gesellschaftliches Engagement von der Wirtschaft und somit auch von den Unternehmen, in denen sie arbeiten. Mit anderen Worten: Unternehmen mit einem glaubwürdigen Purpose, der den Wertvorstellungen der Generationen Y und Z entspricht, haben auch im «War for Talents» die Nase vorn. Das gilt vor allem dann, wenn Unternehmen das Thema Purpose nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern als echte «Herzensangelegenheit» entdecken und aktivieren.
Bloss kein « Purpose-Washing»
Wer das Thema nicht ernst nimmt und es nicht in das Geschäftsmodell integrieren möchte, der ist besser beraten, gar nicht erst eine Positionierung zu versuchen. Unternehmen, die Purpose als reines Marketinginstrument einsetzen möchten, werden mit diesem «Purpose-Washing» wahrscheinlich scheitern, weil fehlende Werte wie Aufrichtigkeit, Nachhaltigkeit und vor allem Authentizität von den Konsumenten heute schnell entlarvt werden. Zwar spielt ein klares Bekenntnis eine wichtige Rolle für die Ausrichtung eines Unternehmens, dennoch ist ein blosses Statement noch kein gelebter Purpose. Es müssen auch Beweise dafür folgen, dass der behauptete Unternehmenszweck tatsächlich im täglichen Geschäft Berücksichtigung findet.
Schon kleinste Abweichungen können unbequeme Fragen der Öffentlichkeit aufwerfen und die gesamte Purpose-Positionierung zweifelhaft erscheinen lassen. Ein Beispiel dafür ist der Lebensmittelkonzern Nestlé: «In guter Nahrung liegt die Kraft zu einem besseren Leben für alle. Wir setzen diese Kraft frei – heute und für zukünftige Generationen», lautet die Losung des Nahrungsmittelgiganten. Währenddessen pumpt der Konzern im französischen Vittel jährlich eine Milliarde Liter Wasser ab und sieht sich dort Vorwürfen ausgesetzt, den Grundwasserspiegel nachhaltig zu senken, was natürlich vor allem «für zukünftige Generationen» relevant ist. Mit seinem wohlformulierten Purpose setzt sich Nestlé daher dem Verdacht aus, lediglich Purpose-Washing betreiben zu wollen. Platz 42 im PRI-Ranking bestätigt, dass auch die Schweizer Verbraucher an der Glaubwürdigkeit von Nestlé derzeit noch zweifeln.