Marketing & Vertrieb

Pricing

Warum Rabatte mehr als nur Geld kosten

Im Verkaufsprozess ist der Preis nicht entscheidend. Die Gründe hierfür sind offensichtlich, und doch werden sie häufig übersehen. Wenn der Preis entscheidend wäre, gäbe es keine Premiummarken und für jedes Produkt nur noch einen Hersteller – den Günstigsten. Wie aber können Margen gesteigert und der Kundenbestand erfolgreich ausgebaut werden?
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Auf der einen Seite möchten Kunden heute nichts mehr verkauft bekommen, sondern bewusst und zielgerichtet einkaufen. Auf der anderen Seite sind Verkäufer interessiert, sich, ihre Produkte und ihre Dienstleistungen anzupreisen und dem Kunden zu verkaufen. Zwei Prozesse, die scheinbar nicht miteinander vereinbar sind. Die Frage ist: Wie ist es machbar, dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, einzukaufen, die Kontrolle zu haben und als Verkäufer den Verkaufsprozess zielgerichtet anzuleiten?

Kunde im Mittelpunkt?

In der Arbeit mit Verkäufern ist den Autoren in den letzten Jahren mehr und mehr aufgefallen: Der Kunde steht nicht im Mittelpunkt des Verkaufsprozesses. Häufig sieht der Verkäufer vielmehr sich und sein Produkt als Mittelpunkt. Zu Abschlüssen kommt man auf diese Art ebenfalls, allerdings leidet darunter die Marge und es geht zu Lasten einer langfristigen und loyalen Kunden-/Lieferantenbeziehung.

Gerade eine gute und intensive Beziehung würde beide Seiten zufriedenstellen und eine Win-win-Situation generieren. Der Kunde lebt mit dem Gefühl, einen vertrauenswürdigen und zuverlässigen Partner an seiner Seite zu haben. Die Beziehung führt dazu, dass Kunden oft weniger vergleichen, weil auch für sie eine langfristige Zusammenarbeit höchst interessant ist. Der Verkäufer ist zufrieden, er sieht sich nicht ständig der Gefahr ausgesetzt, den Kunden zu verlieren. Und die Margen sind deutlich höher.

Rabatte – kein Wundermittel

Ein zweites Problem, das mittlerweile im Verkauf omnipräsent ist: Der Verkäufer geht in jedes Gespräch mit dem «Glauben» hinein, einen Rabatt gewähren zu müssen. Rabatte werden präventiv in die erste Offerte aufgenommen. Das Ergebnis ist eine ständig nach unten führende Preisspirale, die viele Unternehmen an den Rand ihrer Existenz bringt.

In den meisten Fällen bringen Preisnachlässe nichts. Erfahrungsgemäss steht fast immer schon vor Verhandlungsbeginn fest, ob ein Anbieter den Deal bekommt oder nicht. Die Verhandlungen benutzen Einkäufer in den meisten Fällen nur dazu, sich Argumente für Rückfragen von Vorgesetzten einzuholen und um compliant zu den vorgeschriebenen internen Einkaufsprozessen zu sein.

Die Frage, die bleibt: «Würde ein Rabatt etwas ändern?» Auf diese Frage gibt es nur zwei Antworten, entweder nein oder ja.

Nein

  • Entweder hat sich der Kunde schon gegen den Verkäufer entschieden. In dieser Situation einen Rabatt zu gewähren, würde den Preis für mögliche zukünftige Verhandlungen «kaputt machen».
  • Oder der Kunde hat sich bereits für den Verkäufer entschieden. Einen Rabatt einzuräumen, verringert unnötig den Gewinn.

Ja
Lautet die Antwort «Ja», gilt es, herauszufinden, wie hoch der Rabatt sein müsste, um den Zuschlag zu erhalten. Mit diesem Wissen bleiben nur noch zwei weitere Möglichkeiten:

  • Der Verkäufer ist nicht bereit, zu einem derart niedrigen Preis zu verkaufen. Einen Rabatt einzuräumen, hätte keinen Nutzen und würde die Position für eventuelle zukünftige Gespräche schwächen.
  • Der Verkäufer ist bereit, den Deal anzunehmen. Nur in diesem einen Fall ist ein Rabatt sinnvoll.

Auf die Frage, «Würde ein Rabatt etwas ändern?» ist in drei von vier Fällen ein Rabatt absolut sinnlos und nur in einem von vier Fällen hat es einen Nutzen, einen Nachlass einzuräumen. Stochastisch und realistisch gesehen, fällt die Situation noch drastischer aus, denn in nur zehn Prozent aller Fälle macht ein Preisnachlass den entscheidenden Unterschied.

Verkäufer geben in fast allen Kundengesprächen einen Rabatt. In nur einem von 100 Gesprächen wird keinen gewährt und nur, wenn der Angebotspreis so tief ist, dass keine Möglichkeit mehr dazu besteht. Und dieser Fakt führt zu dem
Irrglauben, dass Rabatte die Erfolgschancen erhöhen. Es ist eine Frage der Wahrscheinlichkeiten: 99 Versuche mit Rabatt versus einen Versuch ohne Rabatt. Das erweckt den Eindruck, durch Rabatte höhere Erfolgschancen zu haben. Ist das wirklich so?

Preis ist nicht entscheidend

Die Autoren behaupten: Der Preis ist in der absoluten Mehrheit der Verhandlungssituationen nicht entscheidend. Am Markt gibt es viele Produkte unterschiedlicher Lieferanten, die in ihrer Güte absolut vergleichbar sind, zum Beispiel Kopierpapier (weiss, recycling, 80 g /m²). Wenn der Preis entscheidend wäre, müssten alle beim selben Lieferanten kaufen, bei dem mit dem günstigsten Preis. Der Umstand, dass es sehr viele Lieferanten für exakt dieses Kopierpapier gibt, die mit unterschiedlichen Preisen arbeiten, beweist: Der Preis ist nicht entscheidend. Teilweise sind für ein und dasselbe Produkt in ein und derselben Qualität Preisunterschiede von bis zu 500 Prozent realisierbar. Das Gleiche gilt für alle Commodities – standardisierte, absolut austauschbare Handelsware: Papier, WC-Papier, Kaffee, Getränke, Strom, Wasser und so weiter.

Warum zum Beispiel kaufen Konsumenten eine bestimmte Kaffeesorte? Wegen des Geschmacks? Oder des Gefühls, das man mit der Marke verbindet? Beides stimmt. Somit bedeutet das: Der Preis ist nicht entscheidend. Ansonsten könnte George Clooney seinen Espresso auch nicht für das Vierfache des durchschnittlichen Marktpreises an den Kunden bringen. Dies gilt für den B2C-Markt wie für den B2B-Markt.

Dies trifft sogar dann zu, wenn der Unterschied mehrere tausend Franken ausmacht. Wie sonst könnten deutsche Premium-KFZ-Hersteller derartige Gewinne einfahren, gerade im B2B-Leasing? Für die zwei- oder dreijährige Leasinglaufzeit wären ebenso günstigere Hersteller eine logische Alternative.

Das Geheimnis hoher Margen

Wenn also offensichtlich der Preis nicht entscheidend ist, warum kann es sich dann der eine Anbieter erlauben, einen hohen Preis zu verlangen, während der andere um seine Existenz kämpft? Kunden kaufen keine Produkte oder Dienstleistungen, sie kaufen nicht einmal einen Nutzen. Der Nutzen ist die Pflicht im Verkaufsprozess. Die Kür ist, das Vertrauen des Kunden zu gewinnen, das Gefühl, gut aufgehoben und sicher zu sein.

Was steht zwischen dem Kunden und dem Produkt? Ganz einfach: der Verkäufer. Es gibt ein altes Sprichwort: So wie man in den Wald hineinruft, so hallt es zurück. Der Verkäufer sieht im Einkäufer seinen natürlichen Feind. Dieser muss «besiegt» werden und jedes Mittel ist dazu recht. Mit dieser Einstellung gehen Verkäufer oftmals auf Einkäufer zu. Und letzterer merkt natürlich, egal, ob bewusst oder unbewusst, diese negativen Tendenzen. Entsprechend hallt es dann auch zurück.

Ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs beim Kunden ist es, ihn in den Mittelpunkt der Gedanken und Gefühle zu stellen. Wir sehen Kunden immer als gleichberechtigte Partner und handeln dementsprechend. Ein Verkäufer sollte sich ständig bewusst sein, wer ihm gegenübersitzt: ein Mensch, der Beachtung, Respekt und Ehrlichkeit von einem Verkäufer erwartet. Es geht somit darum, diesem Menschen die volle Aufmerksamkeit zu schenken, ihn so gut wie möglich kennenzulernen und eine echte Partnerschaft aufzubauen.

Der beste Weg dazu ist, den Kunden reden zu lassen, ihm aktiv zuzuhören, um ihn wirklich zu verstehen. In Kundengesprächen ist der Redeanteil der  Vertriebsmitarbeiter häufig viel zu hoch. Viele Verkaufsgespräche enden, ohne dass ein Verkäufer viel über die Firma, die Chancen, die Möglichkeiten oder den Menschen erfahren hat.

Genau dieses Wissen ist aber das Geheimnis einer langfristigen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Partner geben einander genügend Spielraum, um eine für beide Seiten nutzbringende Beziehung aufzubauen. Das bedeutet, der Verkäufer muss nicht die höchste Marge erringen, der Einkäufer wird aber auch nicht auf den maximalen Rabatt bestehen. Es wird immer einen Weg zum Konsens geben und damit eine echte Win-win-Situation.

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