Marketing & Vertrieb

Fallbeispiel Bossard AG

Überzeugungsmarketing mit Vorleistungen

Wie bindet man nüchterne Themen wie Wertstromanalyse und Qualitätsmanagement erfolgreich ins eigene Marketing ein? Ganz einfach: Indem man Kunden mit Vorleistungen überzeugt und sie damit gleichzeitig unterstützt, ihre Prozesse zu optimieren.
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Schneller, besser und günstiger produzieren, die Innovationszyklen verkürzen und die verlangte Variantenvielfalt beherrschen: Der Markt fordert Unternehmen immer wieder aufs Neue heraus. Um in diesem Marktumfeld weiter Fortschritte zu machen, hat Bossard die Dienstleistung «Next Generation» entwickelt.

Das Positive hat immer auch eine Kehrseite. Wer nämlich in seiner Unternehmung mit einer Neuentwicklung glänzt, tritt intern zugleich als Kostentreiber auf. Diese Kosten schlagen sich in der Produktion und in der Montage nieder. Und es entstehen automatisch «unsichtbare» Kosten aus dem Einkauf, der Logistik, dem Lager, dem Bestellwesen u.a.m.

Um das Unsichtbare sichtbar zu machen, bedient sich Bossard der Wertstromanalyse, einer bewährten Methodik aus der Auto- und der Maschinenindustrie. Bossard-Ingenieur Blättler erklärt die Grundidee so: «Bei einem neuen Produkt oder der neuen Generation einer Entwicklung können bereits in der Konzeptphase gewisse Fehler vermieden und Kostentreiber pro-aktiv minimiert werden. In vielen Betrieben besteht hier noch grosses Potenzial.» «Bossard Next Generation» ist eine ganzheitliche Dienstleistung für Kunden im Bereich der Design- und Prozessoptimierung rund um die Verbindungstechnik. Sie richtet den Fokus auf Produktivitätssteigerung in der Fertigung. Basierend auf der Wertstromanalyse identifiziert «Bossard Next Generation» Optimierungspotenziale für eine höhere Produktivität und kürzere Durchlaufzeiten. Die Methode zeigt den Wertschöpfungsstrom in einer Gesamtperspektive der Unternehmung vom Wareneingang bis zum Warenausgang. Dies garantiert mehr Wettbewerbsfähigkeit für die nächste Generation der Produkte des Kunden.

Gemäss Blättler gibt Bossard sein Lean-Management-Know-how in vier Schritten an interessierte Kunden weiter. Erstens: Voraussetzung dazu ist der Grundsatzentscheid des Kunden, Veränderungen durch «Next Generation» anstreben zu wollen, sei es im Sinne einer Standort­bestimmung oder im Rahmen einer Produktentwicklung. In einem zweiten Schritt wird zusammen mit dem Kunden vor Ort eine Wertstromanalyse (ein bis zwei Tage) durchgeführt. Diese Ist-Analyse wird, drittens, ausgewertet, Optimierungspotenziale werden aufgedeckt, Empfehlungen zur Umsetzung besprochen, validiert und in einem Bericht zuhanden der Geschäftsleitung festgehalten und schliesslich vor Ort präsentiert. Viertens ist es erklärtes Ziel, die Erkenntnisse zusammen mit dem Kunden auch umsetzen zu können. Andreas J. Blättler: «Wir setzen auf unser ‹Do-How›!».

Wenn der Engineering Consultant beim Kunden seine Wertstromanalyse vornimmt, geht es vorerst zu wie in alten Zeiten. «Ich habe ein Bleistift, ein Radiergummi und eine Schreibunterlage mit einem weissen A3-Blatt bei mir», sagt Blättler. «Das Geniale daran ist, dass ich die Ist-Aufnahme mit meiner Hand, nicht mit meinem Computer erarbeite, Schritt für Schritt. Während des Zeichnens kommen mir viele Gedanken für Verbesserungen. Mit dem Griffel begreife ich die Zusammenhänge besser. So gehe ich an den Ist-Zustand heran. Meine Begleitperson aus dem Kundenbetrieb kennt den ganzen Prozess genau. Speziell ist: Ich beginne beim Warenausgang, also im Rückwärtsgang, weil ich immer die Kundenperspektive beibehalten will. Das ist auch für den Betriebs-Insider ungewohnt, wirkt deshalb befruchtend. Rückwärts ergeben sich viele Inputs, die beim normalen Vorwärtsgang überflogen werden. Ich spreche auch gezielt mit den Leuten in der Linie, mit den Monteuren usw. Die Betriebsbegehung beginnt morgens mit einer Kick-off-Sitzung mit Vertretern aus der Geschäftsleitung. Abgeschlossen wird der Tag mit der Sichtung der Ergebnisse, ebenfalls in Gegenwart der GL. Dann wird auch das weitere Vorgehen bestimmt.»

Apropos «alte Zeiten»: Geliefert wird zeitgemäss. Der Kunde bekommt einen Bericht mit Reinzeichnung der Charts in Computergrafik. Komplexes ist darin möglichst einfach dargestellt. Die Dokumentation ist der Bauplan für das Soll-Konzept mit konkreten Umsetzungsempfehlungen, sozusagen eine Anleitung zur Reduktion der Wertschöpfungszeit und zum Kostensparen. Andreas J. Blättler: «Die Dienstleistung ist nicht kostenlos; der Kunde honoriert die Dienstleistung mit rund 5000 Franken. Ziel ist, das ‹Bossard Do-How› dem Kunden nahezubringen. Die frühe Einbindung in die Mitentwicklung wird von Kunden begrüsst. Es gibt eine Reihe bisher durchgeführter Wertstromanalysen für grössere und kleinere Betriebe. In einem Fall gelang es, eine Durchlaufzeitverkürzung von 83 Prozent zu realisieren.» Bossard selber ist mit «Next Generation» «sehr nahe an den Marktteilnehmern und an deren Probleme», wie Blättler sagt. «Braucht man für den Durchblick im Unternehmen sonst Jahre, so kommt man hier in einem Tag zum Kern der Sache. Und man lernt Leute kennen aus der Entwicklung, aus dem Verkauf, aus der Montage usw. Das ergibt, zusammen mit den Notizen und den Fotos, ein wirklich gutes Gesamtbild.»

Das Ideenmanagement

«Next-Generation» läuft seit gut zwei Jahren. Quality Manager Ronny Schreiter erkennt in der Aussenwirkung des Projekts an der Kundenfront auch eine direkte Innenwirkung für alle Bossard-Mitarbeitenden: «Wir werden stärker eingebunden in die Herausforderungen der Kunden; daraus ergibt sich ein Netzwerk über verschiedene neue Aktivitäten.»

So werden «Next Generation» und das neu konzipierte Bossard-Ideenmanagement ab Anfang 2013 eng miteinander verzahnt. Im Zentrum dort stehen die Mitarbeitenden, quer durch alle Funktionen, quer durch alle Aufgaben. Ihr Know-how, vor allem aber ihr «Do-How» soll voll zum Tragen kommen. Schreiter dazu: «Das Ideenmanagement fördert die Identifikation des Einzelnen mit seiner Aufgabe, bringt aber vor allem auch Innovation und schafft Effektivität.

Daraus entsteht eine sportliche Entwicklung mit eigener Dynamik. Jeder Bossard-Mitarbeitende wird einem Verbesserungsziel folgen. Gute Ideen werden prämiert. Prämienempfänger können Teams wie Einzelpersonen sein. Ein Gremium wird die Ideen sichten, einen Vorentscheid fällen; der Prozesseigner wird abschliessend entscheiden. Sämtliche Prämien werden persönlich übergeben, was die Bedeutung des Instruments für die Unternehmung unterstreicht. Fortschritt und Qualität des Ideenmanagements werden laufend kommuniziert – in Zug zum Beispiel auf den Monitoren der Bossard-Erfolgsmeile im Empfangsbereich.» Der Boden für ein erfolgreiches Ideenmanagement ist gut bereitet, denn Bossard ist im Kern eine Familienunternehmung mit langfristiger Optik. Das spürt man auch im Innovationsverhalten. «Vom Bossard-Ideenmanagement sollen deshalb alle Standorte profitieren – gruppenweit», folgert Ronny Schreiter. «