Marketing & Vertrieb

Kundenleasing

Neue Wege der Kundenrückgewinnung

Vielen Unternehmen fällt bei dem Versuch, Kunden zurückzugewinnen, nicht viel Neues ein. Der untreue Kunde soll mit Rabatten, Tiefstpreisen und mehr oder weniger attraktiven Lockgeschenken zur Rückkehr bewegt werden. Die Erfolge sind meistens übersichtlich. «Kundenleasing» verspricht höhere Rückgewinnungsquoten.
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Den Wuppertaler Stadtwerken ist es gelungen, sich im schwierigen und hart umkämpften deutschen Energiemarkt, in dem oft mit Dumpingpreisen und harten Bandagen um jeden Kunden gekämpft wird, zu behaupten. Ein Grund: Die Mitarbeiter haben gelernt, die dominierenden Handlungsmotive und Nutzenerwartungen (Sicherheit, Freiheit, Komfort, Prestige, Kontakt und Gewinn) auf Kundenseite zu identifizieren – und damit die zentralen Kaufmotive. Auf dieser Basis sind kundentypspezifische Gesprächs­leitfäden entwickelt worden, mit denen verleaste Kunden zurückgewonnen werden konnten. Stopp: «Verleaste Kunden» – was ist damit gemeint?

«Leasing» statt Rückgewinnung

Wer Kunden «verloren» hat und zurückgewinnen muss, geht mit einer Negativ­erwartung in das Kundengespräch, weil er sich dem Druck ausgesetzt sieht, etwas Verlorengegangenes zurückzugewinnen. Zudem fühlt sich der Mitarbeiter oft verantwortlich für den Kundenverlust, selbst wenn er seinerzeit keinen persönlichen Kontakt zu dem Kunden hatte. Immerhin repräsentiert der Mitarbeiter sein Unternehmen und glaubt deswegen, mitschuldig zu sein. Und das kann ihn in der freien Entfaltung seiner beraterischen Kompetenzen erheblich einschränken. Entsprechend häufig stehen die Mitarbeiter der Aufgabe «Kundenrückgewinnung» eher ablehnend und skeptisch gegenüber. Und tatsächlich, die Erfahrung zeigt, dass es schwierig ist, Mitarbeiter für diese Tätigkeit zu motivieren. 

Der Ansatz «Kundenleasing» schafft Abhilfe. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter eine bestimmte Haltung aufbaut. Der Kunde wurde dem Wettbewerb lediglich ausgeliehen, und jetzt ergreift das Unternehmen Massnahmen, um ihn in den Kreis der ehemaligen Familie zurückzuholen.

Der Vorteil: Der Mitarbeiter geht nicht mit der von vornherein defensiven Einstellung in das Gespräch, den Kunden nur mit, zum Beispiel, einem kräftigen Rabatt zurücklocken zu können. Entscheidend ist eine konstruktiv-offensive Haltung, die sich wie folgt ausdrückt: «Es ist uns in der Vergangenheit ja schon einmal gelungen, den Kunden mit ‹Produkt, Dienstleistung› von uns zu überzeugen, und das gelingt uns auch jetzt wieder.» Dazu muss dem ehemaligen Kunden verdeutlicht werden, wie wichtig er dem Unternehmen war und ist.

Natürlich lässt sich so nicht jeder verlorene oder verleaste Kunde zurückholen. 

Allerdings: Den Mitarbeitern der Wuppertaler Stadtwerke ist es 2015 mit der «Kundenleasing»-Einstellung gelungen, 29,79 Prozent der verleasten Kunden zurückzugewinnen. Das ist angesichts einer bei üblichen Kundenrückholmassnahmen erreichbaren niedrigeren Erfolgsquote erstaunlich. Zumal sich selbst niedrige Erfolgsquoten in der Regel nur mit Rabatten, preislichen Zugeständnissen und teuren Geschenkverteilaktionen erreichen lassen.

Dos und Don’ts 

Die Kundenrückgewinnung ist meistens kostengünstiger als die Neukunden-Akquisition. Darum muss das Unternehmen bei der Umsetzung «Todsünden» vermeiden und einige Regeln beachten. Wichtig ist die Sprache, denn Sprache bestimmt die Wirklichkeit. Zielführend ist es, die Mitarbeiter, die die Kundenleasing-Gespräche führen, etwa als «Kundenüberzeuger» zu bezeichnen. Die Mitarbeiter sollen ja keine Kunden zurückholen, sondern diese überzeugen, dass es von Vorteil ist, die Geschäftsbeziehung wieder aufleben zu lassen.

Auf keinen Fall darf die Aufgabe von Mitarbeitern übernommen werden, die im Kundenleasing unerfahren oder gar ungeschult sind. Dabei geht es nicht allein um die angesprochene Kundenleasing-Haltung. Das Konzept setzt eine exzellente Vorbereitung voraus, allein schon, weil der verleaste Kunde mit einiger Sicherheit die Gründe ansprechen wird, die zur damaligen Kündigung geführt haben. Und diese Gründe sind für Unternehmen und Kundenüberzeuger meistens nicht schmeichelhaft. Wenn ehemalige Kunden im Gespräch immer wieder auf ihre damalige Verärgerung zu sprechen kommen, stösst das Konzept schnell an seine Grenzen, auch weil sich die Mitarbeitenden so rasch entmutigen lassen. Es müssen also topqualifizierte Kundenüberzeuger eingesetzt werden.

Zurück zur exzellenten Vorbereitung: Ohne die fundierte Analyse, aus welchen Gründen Kunden gekündigt haben, geht gar nichts. Der Kundenüberzeuger muss im Detail wissen, welche Ursachen und Handlungsmotive auf Seiten der Kunden zur Kündigung geführt haben. Diese Ursachen sollte er offensiv ansprechen und mit Nutzenargumenten entkräften. Dazu ein konkretes Beispiel.

Lösungen und Nutzen anbieten

Ein Kunde hat die Beziehung zu dem Unternehmen abgebrochen, weil er mit der Art und Weise, wie eine Reklamation bearbeitet worden ist, unzufrieden war. Das Unternehmen hat sich in Ausreden geflüchtet, statt sich zu entschuldigen und die Reklamationsursachen zu beseitigen. Hier setzt der Kundenüberzeuger an, indem er den Kompetenzzuwachs des Unternehmens in dem Bereich Reklamationsmanagement beschreibt. Dann leitet er zu einem nutzenorientierten Vorschlag über, mit dem sich der Kunde eventuell zurückgewinnen lässt.

Das heisst: Das Unternehmen präsentiert sich gerade in dem Bereich, der zur Kündigung geführt hat, als problemlösungsorientierter Nutzenanbieter. Und zwar nachweisbar und überzeugend. An dieser Stelle kommen die bereits erwähnten dominierenden Handlungsmotive, Nutzenerwartungen und kundentypspezifischen Gesprächsleitfäden ins Spiel: Kunden­leasing verfolgt das Ziel, ausgeliehene Kunden nicht über die Preis- und Rabattschiene, sondern vor allem mit kundentypspezifischen Nutzen- und Vorteilsargumenten zu gewinnen.

Der grosse Vorteil: Da die Kundenbeziehung bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestand, ist oft eine Einschätzung des Kundentypus möglich. Dazu folgende Fragestellungen:

  • Handelt es sich um einen sicherheitsorientierten Kunden? Der Kundenüberzeuger baut die Ergebnisse von Tests in die Nutzenargumentation ein und zitiert Referenzkunden.
  • Geht es dem Kunden um Bequemlichkeit? Der Kundenüberzeuger bietet ein Rundum-sorglos-Servicepaket an.
  • Der Kunde legt Wert auf Harmonie und Stabilität? Der Kundenüberzeuger strebt eine Win-win-Lösung an.

Wenn der Kundenüberzeuger dies einschätzen kann und überdies die damaligen Kündigungsgründe kennt, kann er sehr zielorientiert und kundenfokussiert agieren und das Gespräch auf ebenjenen Kündigungsursachen und dem jeweiligen Kundentypus aufbauen.

Sich nie unter Wert verkaufen

Berater tendieren dazu, im Gespräch mit dem vielleicht immer noch verärgerten Kunden doch wieder in alte Ver­haltensweisen zurückzufallen und den Kunden mit Schnäppchen-Angeboten überzeugen zu wollen. Die Führungskraft muss dafür Sorge tragen, dass – etwa durch Weiterbildung und Training – die Kundenleasing-Haltung nach­haltig im Verhaltensrepertoire der Berater verankert wird. 

In der Vertriebsabteilung sollte die Einstellung «Wir verkaufen uns nicht unter Wert!» regelmässig in den Teammeetings und Mitarbeitergesprächen diskutiert werden. Parallel dazu kann das Team an der Verbesserung der Kündigungspräventionsmassnahmen arbeiten, die Serviceleistungen optimieren und Kundenbindungsinstrumente einsetzen, um die Kundenloyalität positiv zu beeinflussen und die Kündigungsursachen nach und nach zu eliminieren.

Fazit

In den Rückholgesprächen mit verleasten Kunden arbeiten die Kundenüberzeuger unter verschärften Bedingungen. Ob es sich um das Beziehungsmanagement oder den Vertrauensaufbau handelt, ob es um die Gesprächsführung, die Einwandbehandlung oder die Abschlussphase geht, überall müssen die Kundenüberzeuger noch besser sein als in anderen Kundenkontakten und ihre Kompetenzen noch zielorientierter einsetzen.

Porträt