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Online-Suche

Navigation versus Search Centric Design

Website-Besucher möchten ihre Informationen sehr schnell und intuitiv erhalten, möglichst ohne sich erst mühsam durch Navigationsbäume zu klicken. Search Centric Design (SCD) ist ein Navigationsansatz, der dieses Nutzerverhalten stützt und die klassische Navigation zu verdrängen scheint.
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Was haben Amazon, Google und Ebay gemeinsam? Neben dem Erfolg und dem Ursprungsland vor allem den gleichen Design-Ansatz im Web. Alle drei setzen auf Search Centric Design (SCD) und rücken so die Suchfunktion für den User in den Fokus – sowohl in der Konzeption als auch in der gestalterischen Umsetzung. Kein Wunder, sind wir doch heute gewohnt, immer alles sofort zu finden.

Dieses Nutzerverhalten erkennen auch immer mehr Unternehmen. Die Folge: Bei vielen Online-Präsenzen wird die Navigation, die alle Inhalte strukturiert und geordnet anbietet, infrage gestellt. Ihre Zeit sei abgelaufen, sagen die Verfechter des SCD. Doch wann lohnt sich der Ansatz, was muss heute eine Suche bieten, und ist die Navigation wirklich tot? Diesen Fragen geht der Beitrag mithilfe von gesammelten Expertenmeinungen nach.


Einsatzfelder von SCD

Besonders nützlich ist der Ansatz für Firmen mit einem grossen und unübersichtlichen Produktportfolio. Das belegen auch die eingangs genannten Beispiele wie Amazon und Ebay. Doch auch Unternehmen, die viele Informationen bieten, können über die Suche noch besser ihre Besucher ansprechen und echte Mehrwerte bieten. Hier sind vor allem Medienhäuser als Beispiel zu nennen. Gerade im B2C-Bereich ist also der Designansatz relevant, um so Vorteile im Wettbewerb zu generieren.

Wichtig ist dabei die Kombination von Search Centric Design mit anderen Aspekten, sagt Achim Reupert, Director Sales von Arvato Systems an: «SCD kann, vor allem in Kombination mit Anticipatory-Design, die Usability einer Website enorm steigern. Predictive-Search oder auf Phonologie basierende Korrekturvorschläge lassen sich mit vielen modernen Search-Frameworks umsetzen und ermöglichen eine intuitivere, bedarfsgerechtere Suche.» Das wird von einer Vielzahl der User auch erwartet, immerhin haben sie bereits mit Suchmaschinen Erfahrungen und verlangen eine hohe «Search Experience» – auch abseits der bekannten Suchmaschinen.

Doch es gibt noch andere Szenarien, wie Godelef Kühl, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Godesys AG, weiss: «Auch in Intranets kann Search Centric Design zur Unterstützung der Mitarbeiter hilfreich und sinnvoll sein.» Warum auch im Arbeitskontext die Suche eine Rolle spielt, zeigt sich in der wachsenden Mobilität der Mitarbeiter. Von unterwegs Daten abrufen, wird immer wichtiger. Gerade wenn das Intranet als Wissensspeicher und Informationsvermittler gesehen wird, das die Kollaboration stärken soll. Zusammengefasst sprechen drei zentrale Vorteile für Search Centric Design:

  • Höhere Kundenzufriedenheit: Wer findet, was er sucht, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder. Das stärkt die Kundenbindung.
  • Höhere Conversion Rate: Nutzer kommen schneller und effektiver an ihre Suchergebnisse. Das erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit.
  • Reduziertes Web-Design: Konzentration auf die wesentlichen Elemente einer Website dient der Orientierung.


Standards einer Suchfunktion

Doch was bringen all die Möglichkeiten, wenn die Suche nicht genutzt wird? Unternehmen müssen sich also die Frage stellen, welche Merkmale meine Suche unbedingt erfüllen muss. Die folgenden Überlegungen bieten, abhängig vom gesetzten Ziel und den technischen Möglichkeiten, eine erste Orientierung:

  • Filter: Eine Flut an Informationen lässt sich am besten sortieren, wenn es übersichtliche Filter gibt – noch vor der eigentlichen Suche. Das ist vor allem bei Reiseanbietern wichtig. So lassen sich Resultate nicht nur einschränken, sondern auch personalisieren (Wellness, Sport, Strand, etc.). Einen weiteren Vorteil, der gerade Unternehmen zugutekommt, die das gesuchte Produkt nicht haben, kennt Jan Sieweke, Leiter Business Development E-Commerce bei der Allgeier IT Solutions GmbH: «Durch diese Funktionalität findet ein Besucher das von ihm gesuchte Produkt, auch wenn der Suchbegriff dem Artikel nur ansatzweise ähnelt.»
  • Schlagwortsuche: Bietet ein Unternehmen primär das neue iPhone an, soll bei der Eingabe der Buchstaben «iPh…» erst das neueste Gerät, danach die passenden Hüllen und dann erst die alten Modelle aufgelistet werden. Das erfordert allerdings ein internes Ranking der Ergebnisse.
  • Volltextsuche: Idealerweise sollte sich diese «auf alle produktrelevanten Informationen» beziehen, erklärt Sieweke. Auch im Intranet ist diese Suche hilfreich, geht es zum Beispiel darum, das richtige Dokument zu finden, an dessen Bezeichnung man sich nicht mehr erinnern kann.

Allein mit diesen Tools ist es allerdings nicht getan. Was es braucht, ist eine konkrete Planung und eine Strategie, die gleich die entsprechende Software berücksichtigt. «Denn nur, wenn die Suche reibungslos, schnell und zufriedenstellend funktioniert, kann Search Centric Design sein Potenzial wirklich entfalten», stellt Godelef Kühl fest. Ansonsten bleibt der erhoffte Mehrwert für den User aus.


Wo Navigation notwendig ist

Scheint sich der Search-Centric-Design-Ansatz im B2C-Bereich durchzusetzen, muss vor allem im B2B-Umfeld kritischer geprüft werden. Denn gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten oder Dienstleistungen ist Vorsicht geboten, sagt Joachim Schröder, Geschäftsführer von Till.de: «Hier halte ich es für sinnvoll, die Navigation nicht vollkommen zu verdrängen, sondern den Nutzern sowohl eine selbsterklärende Navigation mit schlüssiger Menüstruktur als auch eine komfortable Seitensuche zur Verfügung zu stellen.» Denn was man bei all den Vorteilen nicht vergessen darf: «Einige Besucher sind sich eventuell noch gar nicht darüber im Klaren, wonach sie eigentlich suchen, und möchten sich zunächst nur einen Überblick über das angebotene Leistungsspektrum verschaffen.»

Darum plädieren einige Experten dafür, beides – Navigation und Suche – gleichberechtigt ineinandergreifen zu lassen, um jeden Nutzer am richtigen Punkt seiner Customer Journey abzuholen. Für diesen ergänzenden Einsatz spricht auch das nächste Argument: die fehlende Portfoliobreite und -tiefe der meisten Anbieter. «Das Erste, was ein Kunde auf Amazon oder Ebay eingibt, ist das gewünschte Produkt im Suchfeld. Er hält sich nicht lange mit der Navigation auf. […] Search Centric Design funktioniert bei diesen Big Playern allerdings vor allem deshalb perfekt, weil praktisch zu jedem Suchbegriff ein sinnvolles Ergebnis gefunden wird», erläutert Roland Fesenmayr, CEO der Oxid E-Sales AG. «Im Onlineshop eines mittelständischen Unternehmens mit einem kleineren Produktsortiment sieht die Sache oft ganz anders aus. Die Kategorien-Navigation, die auch Führung bietet, war und ist hier ein unverzichtbares Instrument.»


Am Ende entscheidet der User

Auch wenn für viele B2C-Unternehmen das Search Centric Design grosse Chancen bietet, Umsatz und Kundenloyalität zu steigern, ist es nicht das Allheilmittel und schafft die Navigation auch nicht ab. Gerade im B2B-Bereich wird der ergänzende Einsatz beider Elemente für ein optimales Online-Erlebnis essenziell sein. Abhängig von der Geschäftsidee, dem Portfolio und den jeweiligen Online-Zielen, muss jedes Unternehmen genau überlegen, welcher Fokus der richtige ist. Sind sich Unternehmen dann immer noch nicht sicher, empfiehlt Hagen Meischner, Country Manager DACH bei Presta Shop, User Acceptance Tests, die schnell zeigen, wie der Nutzer die eingesetzte Orientierungshilfe akzeptiert. Damit nimmt der User letztlich den Unternehmen die Entscheidung ab, ob David oder Goliath den Kampf gewinnt.

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