Die Komplexität von Verkaufsprozessen nimmt stetig zu, insbesondere im B2B-Bereich. Nur ein Beispiel: Die Verkaufsabteilung hat es auf Kundenseite immer öfter mit Käufer-Teams zu tun: In den Verhandlungen und Verkaufsgesprächen im Geschäftskundenbereich – so eine Studie der Achieve Global, einem Dienstleister für Verkaufstrainings – stehen den Vertriebsspezialisten statistisch gesehen durchschnittlich 5,8 Personen gegenüber. In der heissen Phase des Kundenkontakts muss sich ein Verkäufer demnach mit sechs, mindestens aber mit fünf Entscheidern auseinandersetzen respektive auf deren unterschiedliche Bedürfnisse eingehen.
Weil immer mehr Personen am Kaufprozess beteiligt sind, verlängern sich auch die Verkaufszyklen und Entscheidungsprozesse. Der Verkäufer steht damit vor der Herausforderung, auf Kundenseite gleich mehreren Erwartungshaltungen gerecht werden zu müssen. Denn jeder Entscheider verfolgt eigene Interessen und verfügt über eine andere Persönlichkeitsstruktur; hinzu kommen die Inter-aktionen und Netzwerke zwischen den Menschen im Käufer-Team. Die zunehmende Entscheidungskomplexität erfordert es, in den Vertriebsabteilungen neue kreative Wege zu planen und einzuschlagen.
Verkaufen im Team
Eine Antwort besteht darin, in der Vertriebsabteilung gleichfalls die Kräfte zu bündeln und vernetzte und kooperative Teamstrukturen zu etablieren. Komplexität lässt sich kaum mithilfe des allwissenden Spitzenverkäufers managen, der im Alleingang das Team auf Kundenseite überzeugt. Vielmehr ist es notwendig, dass die Verkäufer mit den Spezialisten und dem Innendienst kooperieren und bereit sind, ihre sich ergänzenden Kompetenzen einzusetzen, um im Team erfolgreich zu sein. Es liegt in der Verantwortung des Managements, bei der zusammenstellung des Teams darauf zu achten, dass die Verkäufer über jene verschiedenartigen Fähigkeiten verfügen.
Die Unternehmensführung muss Teamstrukturen aufbauen, durch die auf die differenzierten Erwartungshaltungen der Entscheider im Käufer-Team eingegangen werden kann. Der einzelne Verkäufer entwickelt sich zum Business Consultant: Er kennt sich im Business des B2B-Kunden sehr gut aus, kann dessen geschäftliche Herausforderungen einschätzen und verfügt als lösungsorientierter Verkäufer über ein fundiertes Produkt- und Branchenwissen, das er nutzt, um für den Kunden massgeschneiderte Lösungen zu kreieren. Sein Ziel ist es nicht, einfach nur etwas zu verkaufen – er will zum unternehmerischen Erfolg des Kunden einen substanziellen Beitrag leisten. Den Status eines Business Consultant muss sich der Verkäufer beim B2B-Kunden verdienen, indem er als Berater wahrgenommen wird, der Sparringspartner, Ideenlieferant, Impulsgeber und Experte zugleich ist.
Das Trichtermanagement
Der typische Vertriebsprozess ist meistens wie ein Trichter aufgebaut: Unten befinden sich diejenigen Verkaufsprojekte, die kurz vor dem Abschluss stehen. Die Verkäufer investieren viel Zeit und Gestaltungskraft, um positive Kundenerfahrungen zu prägen und zum Vertragsabschluss zu gelangen. In der Mitte liegen weitere Verkaufschancen, die der intensiven Bearbeitung bedürfen: Die Verkäufer müssen die Kunden «nur noch» mithilfe zielgerichteter Aktivitäten zum Abschluss führen. Ganz oben im Trichter befinden sich jene Kontakte und Leads, die erst noch näher untersucht werden müssen. Es handelt sich also um Kontakte und Leads, die keinen raschen Umsatz bringen.
Vielen Vertriebsabteilungen unterläuft der Fehler, das obere Trichtersegment zu vernachlässigen. Es ist natürlich naheliegend und einfacher, erst einmal die offensichtlichen Verkaufschancen zu nutzen. Dies sollte auch geschehen – jedoch: Wer sich allein darauf konzentriert, züchtet sich über kurz oder lang ein Umsatzproblem heran: Weil sich die Verkäufer auf die «so gut wie sicheren» und «fast sicheren» Verkaufschancen fokussieren, könnte der Trichter von oben her austrocknen, denn die neuen Leads und Kontakte werden nicht weiterverfolgt.
Das Problem bei der «Unten-Mitte-Oben»-Strategie: Im oberen Bereich liegen die Kunden von morgen brach, hier gedeihen die Geschäftskontakte, die dem Unternehmen in Zukunft die Existenz sichern. Opportunity Management heisst darum, eine Verschiebung vorzunehmen: Ein nachhaltiger Umsatzstrom ist möglich, wenn der Trichter nicht von unten nach oben abgearbeitet wird, sondern nach einer anderen Priorität: unten, oben – und dann die Mitte. Die «Unten-Mitte-Oben»-Strategie sollte mithin durch eine «Unten-Oben-Mitte»-Priorisierung ersetzt werden.