«Das E-Mail stirbt» – mit dieser Schlagzeile betitelte Tagesanzeiger-Online (30.6.2011) kürzlich ein Interview mit dem Buchautor und Online-Kommunikationsspezialisten Klaus Eck. Viele junge Menschen verfügten bereits heute über kein E-Mail-Account mehr und hätten ihre Kommunikation gänzlich auf Social-Media-Plattformen verlegt. Diese Entwicklung wird das vor 40 Jahren erfundene E-Mail zunehmend in Bedrängnis bringen, davon ist die Fachwelt überzeugt.
Doch so wie Fax, Telefon und die Briefpost auch heute noch im Berufsalltag eingesetzt werden, wird wohl auch die E-Mail-Kommunikation noch eine Weile ihre Daseinsberechtigung bewahren. Zudem wird es schwierig sein, den Kommunikationsfluss aufgrund mehrerer gleichzeitig existierenden Quellen zu regeln, solange keine neue einheitliche Plattform geschaffen wird.
Der Trend hin zu virtuellen Netzwerken ist jedoch auch in der Geschäftswelt erkannt und beschäftigt seit einiger Zeit die Entwickler von ERP-Systemen. Hier stellt sich die Frage, wie Prozesse in einer vernetzten Welt neu organisiert werden müssen, um firmenübergreifend ohne Medienbrüche zu arbeiten. Der Lösungsansatz dafür nennt sich kollaborative Netzwerke. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Umfeld des Projektmanagements und der Projektmethodik. Entstanden ist er aus der Erkenntnis, dass man mit starren Prozessabläufen den heutigen Mechanismen der vernetzten Wirtschaft nicht mehr gerecht werden kann. In einem ersten Schritt ging es darum, welche Prozesse eines Unternehmens dank einer elektronischen Zusammenarbeit mit Drittpartnern automatisiert werden können. Im Zuge dieser Überlegungen wurden standardisierte Schnittstellen in die ERP-Systeme integriert (beispielsweise EDI = Elektronischer Datenaustausch), die den Datenaustausch mit Lieferanten und Kunden sicherstellen.
Gruppen als Teil des Prozesses
Die zunehmende Bedeutung der Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Facebook stellt Unternehmen und Entwickler von ERP-Systemen vor die Frage, wie mithilfe kollaborativer Netzwerke interne und externe Prozesse gesteuert werden können, um sie effizienter zu gestalten. Dabei geht es um weit mehr als um den vereinfachten Datenaustausch. In kollaborativen Netzwerken haben verschiedene Gruppen einen geschützten Zugriff auf die Unternehmensdaten und sind Teil des Prozesses.
Ein Beispiel: Nach wie vor ist es üblich, dass der Einkauf die Lagerbestände überwacht und eine Bestellung auslöst, wenn die Menge einen gewissen Grenzwert unterschreitet. Werden die Lagerbestände für einen Lieferanten sichtbar gemacht (Vernetzung), könnten diese direkt eine Nachlieferung oder eine Optimierung der Lagerbestände vorschlagen (Kollaboration). Dieser firmenübergreifende Prozess lässt sich weiterführen, indem der Lieferant auch die voraussichtliche Nachlieferung und andere Angaben selbstständig im ERP-System des Kunden nachführt.
Neue Services
Die Grenzen verfliessen, was Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben wird. Dritten, ob Lieferanten, Zulieferern, Kunden oder Mitarbeitern kommt eine höhere Kompetenz zu, wodurch Abläufe effizienter gestaltet und vereinfacht werden können. Ein typisches Beispiel aus dem Flugbetrieb zeigt, wie schnell solche Kompetenzverschiebungen Akzeptanz finden und um wie viel höher die Effizienz ist. Immer mehr Fluggäste verfügen heute über ein elektronisches Ticket, drucken ihre Boarding-Card am Flughafen selbstständig aus und vermeiden so langes Schlangenstehen. Auch bieten viele Fluggesellschaften mittlerweile die Möglichkeit, 24 Stunden vor Abflug via Internet einzuchecken und sich ihren Sitzplatz selbst auszuwählen. Um solche neue, moderne Kundenservices anbieten zu können, werden verschiedenste Anwendungen wie Buchungssysteme, Portale der Fluggesellschaften und Vielfliegerprogramme virtuell vernetzt, wobei die Abläufe von Grund auf neu organisiert werden müssen. Ein Blick in die Abflughallen zeigt, wie schnell solche neue Services von der heutigen vernetzten Gesellschaft akzeptiert werden.