Die Preise erhöhen – viele Vertriebsmitarbeiter von Herstellern von Industriegütern und Anbietern von Industriedienstleistungen scheuen sich, mit dieser Zielsetzung in Vertragsverhandlungen zu gehen. Denn sie wissen aus Erfahrung, kaum sitzen sie den Einkäufern bei ihren Stammkunden gegenüber, beginnen diese zu klagen – zum Beispiel über die wirtschaftlich unsichere Situation. Oder den verschärften Wettbewerb. Oder die gestiegenen Kosten. Und hierauf folgt meist die Aussage «Ihr seid zu teuer». Deshalb wagen viele Verkäufer an ein Erhöhen der Preise erst gar nicht zu denken. Und machen ihre Vorgesetzten ihnen höhere Preisvorgaben? Dann denken sie oft unmittelbar: Die sind nicht durchsetzbar.
Die Verkäufer als Mitstreiter
Deshalb müssen Sie, wenn Ihr Unternehmen seine Preise erhöhen möchte, zunächst die Verkäufer als Mitstreiter gewinnen. Der erste Schritt hierzu ist: Die Verkäufer präzis über die Gründe informieren – zum Beispiel, indem die Geschäftsleitung ihnen in einer Vertriebstagung plastisch vor Augen führt,
- wie sich beispielsweise die Rohstoff-, Transport- und Energiepreise sowie
- die Preise für die benötigten Vorprodukte entwickelt haben und
- wie sich die höheren Einkaufspreise auf die Gewinnmarge und den Ertrag des Unternehmens auswirken.
Diese Information sollte bezogen auf die verschiedenen Produkte und Produktgruppen erfolgen. Oder indem den Verkäufern am Beispiel der Kontrakte mit ausgewählten Schlüsselkunden aufgezeigt wird, wie positiv sich höhere Preise auf den Ertrag auswirken, sodass das Unternehmen wieder mehr «Spielraum» für Investitionen und zum Erhöhen der Löhne hat (siehe Abbildung). Danach sollte der Appell erfolgen: «Beim Erhöhen der Preise benötigen wir Ihre Unterstützung» – möglichst durch ein Mitglied der Geschäftsleitung, um die Bedeutung dieser Entscheidung zu unterstreichen.
Die Verkäufer werden nach diesem Appell meist klagen: «Das geht nicht. Die Kunden sagen jetzt schon: Ihr seid zu teuer.» Dass Verkäufer so reagieren, ist normal. Denn sie hören täglich «Ihr seid zu teuer». Deshalb haben sie diese Denke oft selbst verinnerlicht. Verdeutlichen Sie Ihren Verkäufern deshalb folgende Punkte:
- Es gehört zum Job der Einkäufer zu sagen «Ihr seid zu teuer». Denn sie sollen möglichst preiswert einkaufen. Deshalb würden sie selbst bei Dumpingpreisen «Ihr seid teuer» sagen, um noch vorhandene Spielräume auszuloten. Und:
- In der aktuellen Situation wissen auch alle Einkäufer, dass in jüngster Zeit – unter anderem coronabedingt – neben den Transportpreisen die Preise für viele Materialien und Vorprodukte sprichwörtlich durch die Decke gingen und sämtliche Kostenkalkulationen über den Haufen warfen. Das erleichtert es Verkäufern, ihnen Preisanpassungen zu «verkaufen».
Mentale Widerstände abbauen
Das wird Ihre Verkäufer etwas besänftigen. Dies enthebt Sie aber nicht der Aufgabe, Ihre Verkäufer auf das Führen der «Preisanpassungsgespräche» vorzubereiten – nicht nur, weil sie eine Gesprächsstrategie brauchen. Vielmehr gilt es auch, ihre mentalen Widerstände gegen solche Gespräche abzubauen, indem Sie ihnen das Gefühl vermitteln: «Wenn ich es richtig anpacke, kann ich das Ziel erreichen.» Sonst stehen Ihre Verkäufer in den Gesprächen auf verlorenem Posten. Denn wenn die Einkäufer ihre Unsicherheit spüren, hebeln sie ihre Argumentation leicht aus. Lassen Sie sich beim Vorbereiten der Verkäuferschulung von folgenden Gedanken leiten:
- Jede Preiserhöhung ist letztlich eine normale Preisverhandlung. Der einzige Unterschied: Das Vorzeichen des Gesprächs lautet nicht, wie viel geht der Preis nach unten, sondern um wie viel geht er nach oben. Also muss eine Preiserhöhung wie jede Vertragsverhandlung vorbereitet werden.
- Der höhere Preis muss jedem Kunden individuell verkauft werden. Also sollten Ihre Verkäufer für jeden Kunden eine spezifische Argumentationskette erarbeiten. Hierfür benötigen sie unter anderem die Information: Welche Umsätze erzielten wir mit dem Kunden in den zurückliegenden Jahren? Wie war die Umsatz-/Preisentwicklung? Welchen Lieferanteil haben wir bei ihm? Wo liegen Cross-Selling-Möglichkeiten? Ausserdem sollten Sie im Vorfeld analysieren: Vor welchen Herausforderungen steht der Kunde? Wie verlief die bisherige Zusammenarbeit? Diese Infos bilden das «Rohmaterial», aus dem die kundenspezifische Argumentationskette und Gesprächsstrategie entworfen werden kann.