In diesem Beispiel geht es um ein Mitarbeitergespräch, das in Hinblick auf die Kriterien «enttäuschend», «OK», «begeisternd» untersucht wird.
Fall 1: Die Führungskraft zitiert einen Mitarbeitenden zu sich und sagt: «Herr X, es geht um Ihren Verkaufsbericht der letzten Woche. Ich muss mich sehr über die Darstellungsform wundern, sie entspricht nicht der vorgegebenen Berichtsstruktur. Ausserdem haben Sie schon wieder nicht die Mindestzahl der wöchentlichen Kundenbesuche erfüllt. So geht das nicht. Ich bekomme langsam den Eindruck, dass Sie nicht können und nicht wollen. Also, wenn das nicht besser wird, hat das unangenehme Konsequenzen für Sie!»
Ein solches Vorgehen ist in jeder Hinsicht enttäuschend. Der Mitarbeitende wird persönlich angegriffen und bedroht. Ob er motiviert ist, seine Leistung zu verbessern? Wenn ja, dann höchstens aus Angst vor Strafe – und dann nur mit kurzzeitigem Erfolg. Denn wer seine Leute zu Marionetten seiner Anweisungen macht, züchtet geistige Krüppel.
Fall 2: Die gleiche Situation und ein Vorgehen, das als «gewaltfreie Kommunikation» bezeichnet wird: «Herr X, ich möchte mit Ihnen über Ihren letzten Arbeitsbericht sprechen. Erstens habe ich festgestellt, dass Sie Ihre eigene Berichtsform verwenden, und zweitens haben Sie die festgelegte Mindestzahl der wöchentlichen Kundenbesuche nicht erreicht. Das hat mich einerseits frustriert und andererseits enttäuscht, weil ich Wert darauf lege, das sich alle an die festgelegte Berichtsstruktur halten, denn dadurch habe ich einen sofortigen Überblick. Ganz besonders wichtig ist mir aber, dass alle die Mindestanzahl der Kundenbesuche erreichen, denn das gibt mir die Sicherheit, dass wir unseren Betreuungsauftrag gegenüber unseren Kunden erfüllen. Deshalb möchte ich Sie bitten, dass Sie zukünftig Ihren Bericht nach der vereinbarten Struktur erstellen und die Mindestanzahl der Kundenbesuche nicht unterschreiten. Ist das so in Ordnung für Sie?»
Dieses Vorgehen ist in Ordnung. Wenn man sich in den Mitarbeitenden hineinversetzt, fühlt sich dieser zwar sicher betroffen, jedoch nicht angegriffen, und er weiss, was von ihm erwartet wird. Aber ist er auch motiviert? Und begeistert?
Fall 3: Sie sagen: «Herr X, ich möchte mit Ihnen über Ihren letzten Arbeitsbericht sprechen. Ich habe festgestellt, dass Sie Ihre eigene Berichtsform verwenden. Auch haben Sie die festgelegte Mindestzahl der wöchentlichen Kundenbesuche nicht erreicht. Damit ich das besser verstehe, interessiert mich Ihre Sicht der Dinge.» Nun machen Sie eine Pause, damit der Mitarbeitende reden kann. Je nach Antwort geht es dann weiter wie folgt: «Danke, das macht die Sache für mich klarer. Nun brauche ich von Ihnen einen Vorschlag, wie Sie beides in Zukunft optimieren wollen.» Diesmal machen Sie eine lange Pause, damit der Mitarbeitende Zeit zum Denken und Reden hat. Je nach Antwort sagen Sie dann: «Ja, das hört sich gut an. Können wir das so notieren (dabei freundlich nicken)? Bitte kommen Sie nächsten Mittwoch vorbei, mich interessiert der Zwischenstand sehr. Und danke, Herr X, dass Sie sich so engagiert an die Sache heranmachen.»
Dieses Vorgehen ist begeisternd. Dem Mitarbeitenden wurde nichts vorgegeben, er hat die Lösung selber gefunden. Selbstorganisation und Eigenverantwortung sind also gesichert. Damit Konsequenz und Verlässlichkeit ins Spiel kommen und die Umsetzungswahrscheinlichkeit steigt, wird das verabredete Vorgehen schriftlich festgehalten. Ausserdem zeigt der Chef Interesse am Zwischenergebnis und bleibt so eng am Thema dran. Der Zuspruch am Ende öffnet und motiviert. Wichtig dabei: Zeigen Sie Emotionen! Ihre Leute wollen und müssen wissen, wie es «Mensch» Führungskraft geht. Ein Pokerface ist beim Pokerspiel unerlässlich, im Mitarbeitergespräch hingegen ist es überaus schädlich.