Marketing & Vertrieb

Vertriebsführung

Die Digitalisierung verlangt neue Verhaltensmuster

Anspruchsvolle Kunden und Mitarbeiter, schnelle Marktveränderungen und ein härterer Wettbewerb: Die Digitalisierung stellt den Vertrieb vor neue Herausforderungen. Der Beitrag zeigt Ansatzpunkte, wie Vertriebs- und Unternehmensführung sich diesen Entwicklungen stellen sollten.
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«Früher war alles besser!» Ob Geschäftsführer, Vertriebsleiter oder Verkäufer im Aussendienst – sie alle jammern, dass das Verkaufen schwieriger geworden sei. Gerade Mittelständler haben oftmals das Gefühl, gegen Windmühlen anzukämpfen – weil sie dem Preisdruck der grossen Wettbewerber nicht Stand halten  können und Sorge haben, von international tätigen Online-Anbietern verdrängt zu werden. «Schuld» ist natürlich die Digitali­sierung. Egal, ob es sich dabei um eine Ausrede handelt oder nicht: Verschwinden wird die Digitalisierung sicher nicht mehr. Führungskräfte sind daher gefordert, mit den aktuellen Entwicklungen zu arbeiten und nicht gegen sie, um ihre Unternehmen und vor allem ihren Vertrieb fit für die Zukunft zu machen.

Investieren, Mehrwert bieten

On- und Offline-Vertrieb, anspruchsvolle Kunden und Mitarbeiter, temporeiche Marktveränderungen und härterer Wettbewerb: Das sind die Bedingungen, auf die sich Unternehmen heute einstellen müssen. Wichtig ist, sich von der immer schnelleren Entwicklung nicht verrückt machen zu lassen. Viele Führungskräfte wie Vertriebsverantwortliche verfallen angesichts des steigenden Wettbewerbs- und Preisdrucks gerne in alte Verhaltensmuster. Sprich: Wenn das Business nicht mehr so gut läuft wie zuvor, muss der Gürtel eben enger geschnallt werden. 

Doch Kosten senken allein ist bestenfalls eine kurzfristig wirksame Massnahme. Um auch in Zukunft die Nase vorn zu haben, kommen Unternehmen nicht darum herum, zu investieren: in digitales Know-how, technische Upgrades und die verkäuferischen Fähigkeiten der Mitarbeiter. 

Digitalisierung im Vertrieb bedeutet nicht nur den Einsatz von Tools wie E-Mail, Zeiterfassung, CRM-Software oder Social-Media-Profilen. Es reicht auch nicht, die Unternehmenswebsite endlich responsiv zu gestalten. Diese Dinge sind längst ein alter Hut. Heute kommt es vielmehr darauf an, die Möglichkeiten der  Digitalisierung zu nutzen, um neue Prozesse zu installieren, die einen zentralen Fokus haben: Mehrwert für den Kunden. Denn die Kunden haben sich nachhaltig verändert. Völlig branchenunabhängig. Interessenten sind besser informiert als früher. Sie recherchieren vorab, checken die Angebote verschiedener Anbieter.

Infolgedessen wissen sie ganz genau, wie der Hase läuft, wenn es zum ersten «realen» Kontakt mit einem Ansprechpartner im Unternehmen kommt. Um hier zu punkten, müssen Verkäufer topfit sein. Und das ist genau der Punkt, der KMU die Chance bietet, sich ein echtes Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten – abseits jeglicher Preisdiskussionen. Kunden kaufen heute, wenn die Beratungsqualität stimmt und sie das Gefühl haben, echten Mehrwert zu bekommen. 

Mit anderen Worten: Unternehmen brauchen heute Verkäufer, die die indivi­duellen Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden zur obersten Priorität machen und sie auf ihrem Weg durch den An­gebotsdschungel sicher zur passenden Lösung begleiten.

Weiterbildung zählt

Doch es sind nicht nur die Verkäufer, die angehalten sind, an ihren Fähigkeiten zu arbeiten. Auch Vertriebsführungskräfte kommen nicht mehr darum herum, sich entsprechend weiterzubilden und sich mit digitalen Themen auseinanderzusetzen. Für alles Digitale war bisher die IT-Abteilung zuständig? Das kann auch ruhig weiterhin so bleiben. Doch gerade wenn es um den Umgang mit neu eingeführten Tools geht, sind Führungskräfte mehr denn je gefragt, zum Vorbild für ihre Mitarbeiter zu werden. Denn nur, wenn Chefs vorleben, dass sie aktiv mit den neuen Systemen arbeiten, werden sich auch die Mitarbeiter daran gewöhnen. 

Das bedeutet nicht, dass sich Leader so tief in die Materie einarbeiten müssen wie ein Fachmann. Sie sollten jedoch einen Überblick haben und über die Grundfunktionen der verwendeten digitalen Systeme, Methoden und Medien Bescheid wissen. Wichtig ist an dieser Stelle auch ein enger Kontakt zur Mannschaft – um zu checken, wie es um die Kompetenzen der Mitarbeiter bestellt ist und wo möglicherweise Weiterbildung nötig ist. 

Diese Skills brauchen Leader nicht nur, um die Weichen ihres Vertriebs neu auszurichten – sondern auch, um mit den sogenannten Digital Natives auf Augenhöhe zu sein. Die heute 20- bis etwa 35-Jährigen, die jetzt auf dem Arbeitsmarkt sind, erwarten von ihren Führungskräften digitales Know-how. Nur wer auf diesem Feld ebenfalls up to date und zumindest rudimentär fit ist, kann auch für seine jüngeren Mitarbeiter als Leitbild fungieren. Weiterbildung sollte daher ganz gross auf der To-do-Liste stehen: Sei es mithilfe von Fortbildungen, Youtube-Tutorials, Webinaren, anderen E-Learning-Formaten – oder ganz «old school» durch Fachliteratur. 

Recruiting ist Chefsache

Stichwort neue Mitarbeiter: Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sind gute Verkäufer heiss begehrt. In vielen Unternehmen läuft die Personalentwicklung im Vertrieb allerdings auf Sparflamme, da die Führungskräfte mit dem Tagesgeschäft voll ausgelastet sind. Oder das Thema wird direkt ganz in die Hände der HR gegeben, um es vom Tisch zu haben. Dabei herrscht hier dringender Handlungsbedarf: Recruiting und Weiterentwicklung von Verkäufern muss Chefsache sein. Denn wer ausser der Vertriebsleitung weiss schliesslich so genau, welche Kompetenzen, Fähigkeiten und persönlichen Stärken neue Mitarbeiter mitbringen sollten, um das Vertriebsteam wirklich nach vorn zu bringen? 

Das bedeutet natürlich nicht, dass Unternehmen sich nicht trotzdem Hilfe von Experten holen können. Es gibt inzwischen sehr gute Dienstleister wie zum Beispiel Sales Ranger, die darauf spezialisiert sind, beim Recruiting im Vertrieb zu unterstützen.

«Was haben wir denn schon für eine Chance, die Spitzenkräfte wollen doch alle lieber zu Grosskonzernen … Bei dem, was die zahlen und an Benefits bieten, können wir nicht mithalten …» Diese verbreitete Aussage ist blanker Unsinn. Dennoch gibt es genug Unternehmen, die davon überzeugt sind, als KMU im «War for Talents» unterlegen zu sein. Natürlich stimmt es, dass Toptalente im Sales heute die Qual der Wahl haben. Doch es be­deutet nicht, dass der Mittelstand des­wegen automatisch das Nachsehen hat. 

Neues Werteverständnis

Unternehmen gewinnen die Mitarbeiter, die sie anziehen und verdienen – frei nach dem sogenannten Law of Attraction. Spitzenverkäufer wollen heute gefunden und vor allem begeistert werden. Umso wichtiger, dass Unternehmen nicht mehr bloss eine Stellenanzeige schalten und sich zurücklehnen – sondern selbst aktiv werden. Sie sind gefragt, sich ordentlich ins Zeug zu legen und vor allem umzudenken. Denn die Zeiten, in denen Chefs Vertriebsasse mit einer ordentlichen Provision, einem teuren Dienstwagen oder einer hohen Prämie bei der Stange halten konnten, sind längst vorbei. Die Mitglieder der Generationen Y und Z, unter denen sich jetzt neue Verkaufs­talente finden, haben ein vollkommen anderes Werteverständnis. Statt Geld stehen hier flexible Arbeitszeiten, Work-Life-Balance und Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Fokus. Ebenso ist es den jungen Leuten wichtig, sich mit ihrem zukünftigen Arbeitgeber identifizieren zu können; hier treten Themen wie Nachhaltigkeit oder soziales Engagement auf den Plan. Um Enttäuschungen auf beiden Seiten zu vermeiden, ist es daher absolut ratsam, sich klar zu positionieren. Denn je klarer die Erwartungen während des Auswahlprozesses kommuniziert werden, umso eher wird es auch gelingen, neue Kräfte zu rekrutieren, die fachlich und persönlich kompetent sind, viel Potenzial mitbringen, von der Mentalität her in das vorhandene Team passen – und dem Unternehmen dann auch langfristig erhalten bleiben. 

Aktive Mitarbeitersuche

Zum Schluss noch ein Hinweis zum Thema Stellenanzeigen: In vielen Firmen sind die Formulierungen gefühlt seit 20 Jahren nicht mehr aktualisiert worden. Das Ergebnis: Worthülsen und beliebig aneinander gereihte Textbausteine ohne jegliche Strahlkraft. Kein Wunder, dass unter diesen Umständen bestenfalls Bewerbungen von durchschnittlichen Verkäufern eintrudeln. Wenn das eigene Unternehmen und der zu vergebende Job nicht als eine absolut tolle und spannende Herausforderung beschrieben werden – wieso sollte sich dann jemand melden, der genau das sucht?

Darüber hinaus ist es auch nicht ratsam, sich allein auf Stellenanzeigen zu ver­lassen. Egal, ob auf der Website, in den so­zialen Medien oder in den klassischen Jobportalen: In allen Fällen sind Unternehmen, die auf diese Methoden setzen, passiv und warten ab. Wie wäre es stattdessen, den Spiess einmal umzudrehen und aktiv auf die Suche zu gehen? Direct und Active Sourcing bieten zum Beispiel die Möglichkeit, selbst attraktive Kan­didaten zu identifizieren, zu kontaktieren und ihnen das eigene Unternehmen schmackhaft zu machen. Alles, was Personalverantwortliche oder Vertriebs­führungs­kräfte dafür tun müssen: etwas Zeit investieren und in den Profilen bei diversen Jobbörsen, Xing oder Linkedin suchen. 

Auch hier gilt: Individualität zählt. Mit Floskeln und Baustein-E-Mails lassen sich Spitzenkräfte sicher nicht ködern – dafür jedoch mit individuellen und persönlichen Nachrichten, in denen klar kommuniziert wird, warum das Augenmerk auf den potenziellen Kandidaten gefallen ist. Natürlich wird es auf diesem Weg auch die ein oder andere Absage geben. Doch die Chance, mit entsprechendem Einsatz einen neuen Spitzenverkäufer für das Salesteam zu rekrutieren, ist allemal höher, als wenn Führungsetage oder Personalabteilung bloss die Hände in den Schoss legen und auf eintreffende Bewerbungen warten. 

Digitalisierung, anspruchsvolle Kunden, junge und fordernde Mitarbeiter – die Zeiten im Vertrieb haben sich branchenübergreifend geändert. Gleichermassen birgt die Entwicklung jedoch auch grosse Chancen, die es zu ergreifen gilt. Smarte Führung ist jetzt wichtiger denn je, um Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

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