Kommentar & Meinung

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Datenkontrolle «made in Europe»

Helmut Fallmann, Mitglied des Vorstandes der Fabasoft AG
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Wie relevant die richtigen Datensicherheitsvorkehrungen sind, haben uns die Ereignisse der vergangenen Monate deutlich vor Augen geführt: Der NSA-Abhörskandal, das Leck in der Security Software OpenSSL. Jeder Inhaber von Daten muss sich drei zentrale Fragen stellen: «Wo sind meine Daten, mit wem teile ich sie und was passiert mit ihnen?» Es muss gewährleistet werden, dass europäische Unternehmen in jeder politischen Weltkonstellation auf ihre Daten zugreifen können und diese vor unautorisierten Zugriffen geschützt sind. Daten in der Dropbox, dem bekannten Anbieter aus Silicon Valley, entsprechen diesen Anforderungen zum Beispiel nicht. Europäische Datenricht­linien lassen diese und andere nichteuropäische Unternehmen kalt. Wenn wir den amerikanischen Goldgräbern Weltmarktanteile entreissen möchten, müssen wir auch Regeln festlegen, welche sowohl für uns als auch alle in Europa operierenden Unternehmen aus den USA, Fernost oder etwa Lateinamerika gelten. Wir sind immer davon ausgegangen, dass Cloud Computing nur unter zwei Voraussetzungen erfolgreich wird und das Vertrauen der Anwender gewinnen kann: Es braucht harmonisierte technologische Standards von höchster Interoperabilität und ausserdem einheitliche Mindestkriterien betreffend Datenschutz und Systemsicherheit.

Chance Cloud Computing

Cloud Computing ist eine Jahrhundertchance für Europa, um jene Autonomie und Vorreiterschaft zurückzugewinnen, die wir früher mit Siemens, Bull, Olivetti und Nokia hatten. Um die Wirtschaft, insbesondere die europäische Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), wieder in Schwung zu bringen, braucht es einen Innovationsschub, mehr Bewusstsein für die zukunftsweisende Bedeutung der IKT-Industrie und nachhaltige Investitionen in die Internet-Infrastruktur. Der Kommunikations- und Informationssektor ist einem hohen Innovationsdruck unterworfen. Nokia hat dies mit einiger Dramatik vorgeführt: Bis vor einigen Jahren galt das finnische Unternehmen mit über 40 Prozent Marktanteil noch als Riese der Mobiltelefonie, verschlief dann die aktuellen Entwicklungen und konnte nur noch 14 Prozent des Gesamtmarktes und unauffällige 3,1 Prozent im Bereich Smartphones für sich beanspruchen. In diesem jämmerlichen Zustand übernahm Microsoft, Hersteller des Nokia-Betriebssystems, die Mobilfunksparte für 5,4 Milliarden Euro. Es existiert kein einziger Tablet-PC «Made in Europe», kein europäisches Betriebssystem – diese Versäumnisse der vergangenen zehn Jahre verursachen Kosten in Form massiver Produktivitätseinbussen.

Gesamteuropäische Lösung

Die Rettung der Informations- und Kommunikationstechnologie liegt meiner Ansicht nach im Cloud Computing, also einer gemeinschaftlichen Rechnerwolke. Wer sich an den Kampf der Giganten zwischen dem europäischen Gemeinschaftsunternehmen Airbus gegen Boeing bzw. McDonnell Douglas erinnert, weiss, was eine Bündelung europäischer Kräfte bewirken kann. Dazu braucht es «United Clouds of Europe». Mit Cloud Computing könnte Europa bis 2020 rund 2,5 Millionen neue Jobs schaffen und aus der IKT-Wirtschaft ein zusätzliches Volumen von 160 Milliarden Euro lukrieren.

Mit unserem Drängen auf eine gesamteuropäische Lösung haben wir uns in Brüssel Gehör verschafft und wurden von der C-SIG (Cloud-Select Industry Group) eingeladen, bei der Gestaltung fairer und einheitlicher Rahmenbedingungen für Cloud Computing und für die Erstellung von Cloud Service Level Agreements mitzuarbeiten. Initiativen wie «United Clouds of Europe» kommen natürlich auch der Schweiz zugute, die – wenn auch kein EU-Mitglied – doch zu den einflussreichsten europäischen Nationen zählt. Wir müssen die Kontrolle darüber behalten, wer Zugang zu unseren Daten hat. Damit sich niemand in einem Albtraum wiederfindet, denn die Daten sind das Gold unserer Zeit, das geschützt werden muss.