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Interview mit Diana Gutjahr

«Wirtschaft sollte sich selber regulieren können»

Diana Gutjahr, Mitinhaberin und Geschäftsführerin der Ernst Fischer AG, über die Vereinbarkeit von Unternehmensführung und politischen Ämtern, die Besonderheiten eines Familienbetriebs und den Kampf gegen bürokratische Missstände.
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Frau Gutjahr, Sie sind Unternehmerin, Kantonsrätin und Vizepräsidentin des Thurgauer Gewerbeverbands. Wie viele Stunden braucht ein Tag, um das alles unter einen Hut zu bringen?
Sicher mehr als acht Stunden. Über den Monat verteilt beansprucht die politische Arbeit, die zeitintensiven Wahlen mal ausgenommen, rund 25 Prozent meines Zeitbudgets. Die Zeit ist aber nicht der ausschlaggebende Faktor. In meinem Fall ist die Vereinbarkeit von Unternehmensführung und politischen Ämtern möglich, weil wir in der Geschäftsführung unseres Familienbetriebs eine entsprechende Konstellation geschaffen haben, die mir die notwendige Flexibilität erlaubt.

Die Ernst Fischer AG präsentiert sich mit einem Geschäftsführer-Trio, bestehend aus Ihrem Vater, Ihrem Lebenspartner und Ihnen. Wie sieht die Rollenverteilung aus?
Mein Vater ist hauptsächlich für den Verkauf und Projektenwicklung zuständig. Derzeit befinden wir uns noch in einem laufenden Prozess der Übergabe von Aufgaben zu mir und auch zu meinem Lebenspartner. Mein Lebenspartner, Severin Preisig, ist seit fünf Jahren im Unternehmen und ist operativer Leiter. Er koordiniert und überwacht die Bereiche Planung, Produktion sowie Montage. Ich führe den administrativen Teil, Finanzen, Controlling, Personal, Lehrlingsausbildung, rechtliche Aspekte, also alles, was nicht mit dem operativen Tagesgeschäft zu tun hat.

Aus externer Sicht hat Ihr Vater einen Nachfolgeprozess eingeleitet, den sich viele Familienunternehmen wünschen würden. Könnten Sie die Stationen noch einmal kurz Revue passieren lassen, und was ist Ihnen am intensivsten in Erinnerung geblieben?
Ich habe meine Ausbildung hier im Unternehmen gemacht und bin jetzt seit sieben Jahren wieder zurück im Unternehmen. Nach der Lehre und dem Studium der Betriebswirtschaft war mir klar, dass ich auch in einem anderen Unternehmen noch Erfahrung sammeln möchte, so habe ich in St. Gallen bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft gearbeitet. Eigentlich wäre ich dort gern noch länger geblieben, leider erkrankte und verstarb unser Finanzchef damals. So bin ich vorzeitig zurückgekehrt. Der Anfang war sicher sehr schwierig, weil ich praktisch ins kalte Wasser geworfen wurde und mich freischwimmen musste.

Zum Jahresstart 2012 ist Ihr Unternehmen mit einem neuen Corporate Design aufgetreten. Wie stark trägt das Ihre Handschrift, und war damit auch die Aussage nach aussen und innen verbunden: Jetzt kommt Diana Gutjahr ans Ruder?
Das alte Logo kam recht schwerfällig daher. Irgendwann gab es dann die Diskussion um eine Veränderung, und gleichzeitig stand auch ein Generationenwechsel an. So haben wir uns für ein neues CI entschieden. Bei dieser Entwicklung war ich eingebunden und habe 14 Monate daran gearbeitet. Das war ein langer Prozess, in dem wir uns sehr intensiv mit dem Unternehmen auseinandergesetzt haben. Die Mitarbeiter haben von diesem Vorgang zunächst nichts gewusst. An einem Morgen haben wir dann die Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Frühstück eingeladen und das neue Logo enthüllt. Innerhalb einer Woche war dann schon alles umgesetzt, vom Briefpapier über die Beschriftung unseres Fuhrparks bis zur einheitlichen Berufsbekleidung. Damit haben wir auch den Mitarbeitern dokumentiert: Ja, es geht weiter. Das haben die Mitarbeiter sehr positiv aufgenommen, und es hat auch frischen Wind gebracht.

Sind Sie selbst auch als «frischer Wind» wahrgenommen worden. Der Metallbau besteht ja schon aus einer Männergesellschaft?
Ich fühle nicht, dass es da Schwierigkeiten gibt. Ich hatte ja schon die Ausbildung im väterlichen Unternehmen gemacht. Während dieser Zeit war es auch schon wichtig, den Mitarbeitern zu zeigen, dass ich mir für keine Arbeiten zu schade bin. Die Mitarbeiter kennen mich seit Kindesbeinen, und ich habe eher den Eindruck, dass sie positiv denken, weil es auch mit der nächsten Generation weitergeht. Wenn ich durch den Betrieb gehe, dann sehe ich auch nicht, dass das in erster Linie unser Familienunternehmen ist, sondern dass da Menschen und Arbeitsplätze dahinter stehen und die Arbeit Freude macht.

Ihr Vater war ja auch Ihr Lehrmeister. Was machen Sie heute trotzdem anders als er?
Es ist sicher ein Vorteil, dass wir in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Mein Lebenspartner arbeitet viel enger mit meinem Vater zusammen. Mein Bereich, überspitzt ausgedrückt, interessiert ihn weniger, und so konnte ich die Dinge gleich vom Start an so machen, wie ich es für richtig hielt. Ich kann alleine Entscheidungen treffen, da redet er mir nicht rein. Ich glaube, das ist das Rezept, warum es bisher so gut funktioniert. Ich geniesse diese Freiheiten sehr, bin mir gleichzeitig aber auch nicht zu schade, nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstehe oder Hilfe benötige. Ich bin etwas ruhiger als mein Vater. Wir meinen meistens zwar das Gleiche, sagen es aber auf unterschiedliche Weise.

Ist diese Konstellation des Führungs-Trios letztlich Ihr grosser Erfolgsfaktor?
Sie ist sicher ein Teil davon. Es gibt harte und weiche Erfolgsfaktoren. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Unternehmen unserer Grössenordnung noch ein Familienbetrieb ist. Und zu einem Familienbetrieb gehört es, immer sehr genau und vorausschauend darüber nachzudenken, welche Konsequenzen Entscheidungen haben. Dazu gehört es auch, alles zu geben, damit es der Firma gesamtheitlich gut geht. Ich denke, das ist bei einem Manager geführten Unternehmen nicht unbedingt so gegeben. Uns geht es auch darum, Arbeitsplätze zu halten und nicht bei den ersten Schwierigkeiten wegzurationalisieren.

So viel zu den weichen Faktoren ...
Die natürlich mit den harten zusammenhängen. Denn die Verbundenheit mit der Region und den dort lebenden Mitarbeitern und Kunden schafft auch ein Engagement, das zu einer besonderen Arbeitsweise führt. Mit Qualität allein können wir nicht mehr punkten, die wird vorausgesetzt. Das heisst, der Erfolg hängt vor allem an der Arbeitsleistung und dem Kundenservice. Bei uns werden sechs Tage in der Woche gearbeitet, und wir versuchen für den Kunden alles möglich zu machen. Das ist in einem Konzern sicher eher selten der Fall.

Können Sie Beispiele nennen?
Wir arbeiten an 60 bis 80 Baustellen gleichzeitig. Die befinden sich zwar nie im gleichen Stadium, trotzdem ist das natürlich ein sehr grosser Koordinationsaufwand. Schwierigkeiten können dann entstehen, wenn es Verzögerungen am Bau gibt, wir aber für den revidierten Termin schon einen neuen Auftrag haben. Dann stimmt natürlich die ganze Planung nicht mehr. Da ist eine anspruchsvolle Herausforderung, die wir nicht nur mit grosser Erfahrung und Know-how meistern können, sondern auch mit einer Flexibilität, für die es ein hohes Mass an Engagement braucht. Gleichzeitig wollen wir eben auch in einem solchen Fall offen für Detailwünsche des Kunden bleiben. Zum Gesamtpaket gehört es zudem, dass wir unseren Kunden Gesamtlösungen von der Planung bis Abnahme aus einer Hand bieten, inklusive dem späteren Unterhalt des Projekts.

Ist es nicht bitter, wenn trotz allem Einsatz der Preis zunehmend die Vergabepolitik bestimmt?
Letztlich ist es ab einem gewissen Punkt natürlich eine Preisfrage. Wir haben gerade kürzlich einen Auftrag nicht bekommen, weil wir zu teuer waren. Da macht uns die Frankenstärke schon zu schaffen. Gerade aus Italien und Österreich spüren wir starken Preisdruck. Das hängt vor allem mit den Personalkosten zusammen, denn Material können wir schon auch günstiger beschaffen. Aber die Wertschöpfung entsteht eben in der Schweiz.

Der Franken scheint sich irgendwo zwischen 1,05 und 1,10 einzupendeln. Was bedeutet das für die Ernst Fischer AG, speziell auch für Ihre Auslandsaktivitäten?
95 Prozent unseres Marktes finden in der Schweiz statt. Trotzdem ist das für uns ein wichtiges Thema. Denn es ist ja nicht nur der Export davon betroffen, sondern auch der Binnenmarkt. Nämlich dann, wenn Firmen aus dem Ausland ihre Produkte in der Schweiz anbieten. Wir spüren die vor allem aus den umliegenden Ländern kommenden Firmen sehr stark und haben versucht, in den letzten Jahren mit deren Preisen mitzuhalten.

Wie können ausländische Firmen denn deutlich günstiger anbieten, wenn sie in der Schweiz ja auch den Mindestlohn zahlen müssen?
Ja, das wüsste ich auch gern. Natürlich zahlen die meisten Schweizer Firmen aber auch mehr als den Mindestlohn, auch weil das Gefüge so gewachsen ist. Neben dem bestehen auch Ungerechtigkeiten. Schweizer Firmen unterstehen zum Beispiel dem Unfallverhütungsgesetz. Wenn man das nicht einhält, wird die Baustelle geschlossen. Ausländische Firmen unterstehen dem nicht. Solche und andere Missstände sind auch ein Grund dafür, warum ich mich politisch engagiere.

Kurz zurück zur Währung: Sollten SNB oder Politik eingreifen, um bessere Rahmenbedingungen zu schaffen?
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich Politik nicht zu sehr einmischen sollte. Wirtschaft sollte sich selber regulieren können. Politik verhindert oft, dass sich Wirtschaft natürlich bewegen kann. Gesetzesflut und Bürokratie behindern nur. Es ist eine alte Forderung, aber sie hat noch Bestand: Wenn ein neues Gesetz kommt, sollten wenigstens zwei alte gehen. Bei uns werden stattdessen teilweise sogar Gesetze auf Vorrat geschaffen, die nie umgesetzt werden. Das ist ein Irrsinn.

Die Arbeitslosenzahlen steigen, die Schweizer Quote hat bereits die der deutschen übertroffen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung, vor allem bezogen auf die Ernst Fischer AG?
Unsere Auslastung berechnet sich immer über vier bis sechs Monate, nicht wie bei einem Grossunternehmen über zwei, drei Jahre. Momentan sieht es gut aus, so dass wir den Personalbestand halten können. Was die Zukunft bringt, kann man natürlich nicht wissen. Es ist sicher schwieriger geworden, an Aufträge zu kommen. Wir müssen viel mehr als früher Angebote schreiben, bis wir einen Auftrag bekommen. Es wird bei Vergabegesprächen und auch bestehenden Aufträgen versucht, Preise zu drücken. Das macht uns schon zu schaffen. Allerdings stecken wir nicht den Kopf in den Sand, sondern überlegen, wie wir das aushebeln können. Die schleichende Annährung an die EU ist evident.
 

Bedeutet das nicht auch noch zusätzliche, bürokra­tische Hürden, die das Wirtschaften behindern?
Mein politischer Einstieg war nicht unbedingt damit verbunden, die Bürokratie auf null schrauben zu wollen. Aber es ist richtig, dass wir bereits jetzt mehr als genug davon haben. Ein Beispiel: Im März 2014 hat uns das Staatssekretariat für Wirtschaft über eine geplante Erhebung zum Fuhrpark in Bezug auf den Juni 2013 informiert und aufgefordert, zu diesem Zweck unzählige Fragen zu beantworten. Das Seco wollte wissen, welches Fahrzeug was wohin transportiert hat, wie viel Liter Benzin verbraucht wurden, wie viel Gewicht die Ladung hatte und und und, eine Riesenabhandlung. Später habe ich mich dann mal erkundigt, was aus diesen Statistiken geworden ist. Das Ergebnis: In diesem Januar ist ein drei- oder vierseitiger Bericht über die Erhebung herausgekommen; eine Erhebung, womit einige Mitarbeiter des Seco ein ganzes Jahr lang beschäftigt waren. Damit habe ich Mühe. Das kostet – nicht nur uns – Zeit und Geld.

Aus den EU-Ländern, vor allem auch aus Deutschland, kommt immer mal wieder der Vorwurf, die Schweiz betreibe eine Rosinenpickerei. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit der Masseneinwanderungsinitiative und der Bilateralen?
Aus Wirtschaftssicht ist für mich klar, dass wir an den Bilateralen festhalten müssen. Wir müssen uns im Umfeld von Europa wirtschaftlich entsprechend bewegen können. Ich kann nicht absehen, was es für die Schweiz bedeuten würde, wenn die Bilateralen fielen. Auf der anderen Seite ist die Abstimmung jetzt mehr als zwei Jahre her, und es ist nichts passiert. Da stelle ich mir schon die Frage, wie ernsthaft die kategorische Ablehnung des Schweizer Volksentscheids wirklich sein kann. Denn wenn die EU kein Interesse an der Schweiz hätte, wäre die ganze Sache längst erledigt. Im Endeffekt wird man sich finden.

Frau Gutjahr, eine letzte Frage: Welches unternehmerische und auch politische Ziel streben Sie für die nächsten Jahre an?
Das Ziel fürs Unternehmen ist, auch in den nächsten Jahren, die sicher schwieriger werden, die Belegschaft zusammenzuhalten, unsere Innovationskraft zu behalten und am Markt bestehen zu können. Mein politisches Ziel ist unter anderem, mich für den Standort Schweiz, insbesondere natürlich auch den Standort Thurgau, einzusetzen und überall dort den Finger in die Wunde zu legen, wo es Missstände gibt, die eine gesunde Wirtschaftsentwicklung hemmen.

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