Frau Gutjahr, Sie sind Unternehmerin, Kantonsrätin und Vizepräsidentin des Thurgauer Gewerbeverbands. Wie viele Stunden braucht ein Tag, um das alles unter einen Hut zu bringen?
Sicher mehr als acht Stunden. Über den Monat verteilt beansprucht die politische Arbeit, die zeitintensiven Wahlen mal ausgenommen, rund 25 Prozent meines Zeitbudgets. Die Zeit ist aber nicht der ausschlaggebende Faktor. In meinem Fall ist die Vereinbarkeit von Unternehmensführung und politischen Ämtern möglich, weil wir in der Geschäftsführung unseres Familienbetriebs eine entsprechende Konstellation geschaffen haben, die mir die notwendige Flexibilität erlaubt.
Die Ernst Fischer AG präsentiert sich mit einem Geschäftsführer-Trio, bestehend aus Ihrem Vater, Ihrem Lebenspartner und Ihnen. Wie sieht die Rollenverteilung aus?
Mein Vater ist hauptsächlich für den Verkauf und Projektenwicklung zuständig. Derzeit befinden wir uns noch in einem laufenden Prozess der Übergabe von Aufgaben zu mir und auch zu meinem Lebenspartner. Mein Lebenspartner, Severin Preisig, ist seit fünf Jahren im Unternehmen und ist operativer Leiter. Er koordiniert und überwacht die Bereiche Planung, Produktion sowie Montage. Ich führe den administrativen Teil, Finanzen, Controlling, Personal, Lehrlingsausbildung, rechtliche Aspekte, also alles, was nicht mit dem operativen Tagesgeschäft zu tun hat.
Aus externer Sicht hat Ihr Vater einen Nachfolgeprozess eingeleitet, den sich viele Familienunternehmen wünschen würden. Könnten Sie die Stationen noch einmal kurz Revue passieren lassen, und was ist Ihnen am intensivsten in Erinnerung geblieben?
Ich habe meine Ausbildung hier im Unternehmen gemacht und bin jetzt seit sieben Jahren wieder zurück im Unternehmen. Nach der Lehre und dem Studium der Betriebswirtschaft war mir klar, dass ich auch in einem anderen Unternehmen noch Erfahrung sammeln möchte, so habe ich in St. Gallen bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft gearbeitet. Eigentlich wäre ich dort gern noch länger geblieben, leider erkrankte und verstarb unser Finanzchef damals. So bin ich vorzeitig zurückgekehrt. Der Anfang war sicher sehr schwierig, weil ich praktisch ins kalte Wasser geworfen wurde und mich freischwimmen musste.
Zum Jahresstart 2012 ist Ihr Unternehmen mit einem neuen Corporate Design aufgetreten. Wie stark trägt das Ihre Handschrift, und war damit auch die Aussage nach aussen und innen verbunden: Jetzt kommt Diana Gutjahr ans Ruder?
Das alte Logo kam recht schwerfällig daher. Irgendwann gab es dann die Diskussion um eine Veränderung, und gleichzeitig stand auch ein Generationenwechsel an. So haben wir uns für ein neues CI entschieden. Bei dieser Entwicklung war ich eingebunden und habe 14 Monate daran gearbeitet. Das war ein langer Prozess, in dem wir uns sehr intensiv mit dem Unternehmen auseinandergesetzt haben. Die Mitarbeiter haben von diesem Vorgang zunächst nichts gewusst. An einem Morgen haben wir dann die Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Frühstück eingeladen und das neue Logo enthüllt. Innerhalb einer Woche war dann schon alles umgesetzt, vom Briefpapier über die Beschriftung unseres Fuhrparks bis zur einheitlichen Berufsbekleidung. Damit haben wir auch den Mitarbeitern dokumentiert: Ja, es geht weiter. Das haben die Mitarbeiter sehr positiv aufgenommen, und es hat auch frischen Wind gebracht.
Sind Sie selbst auch als «frischer Wind» wahrgenommen worden. Der Metallbau besteht ja schon aus einer Männergesellschaft?
Ich fühle nicht, dass es da Schwierigkeiten gibt. Ich hatte ja schon die Ausbildung im väterlichen Unternehmen gemacht. Während dieser Zeit war es auch schon wichtig, den Mitarbeitern zu zeigen, dass ich mir für keine Arbeiten zu schade bin. Die Mitarbeiter kennen mich seit Kindesbeinen, und ich habe eher den Eindruck, dass sie positiv denken, weil es auch mit der nächsten Generation weitergeht. Wenn ich durch den Betrieb gehe, dann sehe ich auch nicht, dass das in erster Linie unser Familienunternehmen ist, sondern dass da Menschen und Arbeitsplätze dahinter stehen und die Arbeit Freude macht.
Ihr Vater war ja auch Ihr Lehrmeister. Was machen Sie heute trotzdem anders als er?
Es ist sicher ein Vorteil, dass wir in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Mein Lebenspartner arbeitet viel enger mit meinem Vater zusammen. Mein Bereich, überspitzt ausgedrückt, interessiert ihn weniger, und so konnte ich die Dinge gleich vom Start an so machen, wie ich es für richtig hielt. Ich kann alleine Entscheidungen treffen, da redet er mir nicht rein. Ich glaube, das ist das Rezept, warum es bisher so gut funktioniert. Ich geniesse diese Freiheiten sehr, bin mir gleichzeitig aber auch nicht zu schade, nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstehe oder Hilfe benötige. Ich bin etwas ruhiger als mein Vater. Wir meinen meistens zwar das Gleiche, sagen es aber auf unterschiedliche Weise.
Ist diese Konstellation des Führungs-Trios letztlich Ihr grosser Erfolgsfaktor?
Sie ist sicher ein Teil davon. Es gibt harte und weiche Erfolgsfaktoren. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Unternehmen unserer Grössenordnung noch ein Familienbetrieb ist. Und zu einem Familienbetrieb gehört es, immer sehr genau und vorausschauend darüber nachzudenken, welche Konsequenzen Entscheidungen haben. Dazu gehört es auch, alles zu geben, damit es der Firma gesamtheitlich gut geht. Ich denke, das ist bei einem Manager geführten Unternehmen nicht unbedingt so gegeben. Uns geht es auch darum, Arbeitsplätze zu halten und nicht bei den ersten Schwierigkeiten wegzurationalisieren.
So viel zu den weichen Faktoren ...
Die natürlich mit den harten zusammenhängen. Denn die Verbundenheit mit der Region und den dort lebenden Mitarbeitern und Kunden schafft auch ein Engagement, das zu einer besonderen Arbeitsweise führt. Mit Qualität allein können wir nicht mehr punkten, die wird vorausgesetzt. Das heisst, der Erfolg hängt vor allem an der Arbeitsleistung und dem Kundenservice. Bei uns werden sechs Tage in der Woche gearbeitet, und wir versuchen für den Kunden alles möglich zu machen. Das ist in einem Konzern sicher eher selten der Fall.