Vor fast 40 Jahren hat Ihr Vater die Firma Walter Rüegg AG gegründet. Bereits im Jahr 2000 haben Sie dann die Geschäftsführung übernommen. Wie ist es zu dieser Nachfolgelösung gekommen?
Rüegg: Mein Vater hat das Unternehmen mit meiner Mutter zusammen gegründet. Sie begannen in einem Büro im eigenen Haus. Mein Vater war ein sehr talentierter Verkäufer, meine Mutter erledigte die Verwaltung. Ich selber habe eine Schreinerlehre absolviert und bin so als Handwerker in den Betrieb hineingerutscht. Wir alle ergänzten uns sehr gut, jeder hatte seine Stärken, die Zusammenarbeit war wirklich ausgezeichnet.
Sie haben ebenfalls Kinder. Beabsichtigen diese, Sortimo irgendwann als dritte Generation zu übernehmen?
Genau, ich habe drei Kinder. Silas, der zweitälteste Sohn, ist seit mehreren Jahren im Unternehmen tätig und hat eine leitende Funktion in der Produktion inne. Noemi ist Teilzeit in der Administration tätig und ist hauptberuflich Radsportlerin. Das macht Freude. Auch Timon, der älteste Sohn, war eine Zeitlang Mitarbeiter. Momentan setzt er auf den Radsport und verfolgt eine Profi-Sportkarriere. Er wird wohl später wieder in den Betrieb zurückkehren. Aber ob meine Kinder die Nachfolge antreten, steht noch nicht fest. Ich möchte überhaupt keinen Druck aufsetzen. Wichtig ist, dass jeder die Arbeit macht, die er mit Freude und Leidenschaft erledigt. Ob das bei meinen Kindern eine Tätigkeit in der Fahrzeugbranche ist, wird sich zeigen. Falls meine Kinder den Betrieb nicht weiterführen, finden wir eine andere Lösung. Wir haben eine ausgezeichnete Geschäftsleitung und das Unternehmen ist sehr stabil.
Ihr Betrieb hat sich von einem Homeoffice zu einer Fabrik entwickelt. Haben Sie diese zusammen mit Ihrem Vater aufgebaut?
In den letzten Jahren hat sich tatsächlich viel geändert. Mein Vater begann mit dem Verkauf von Werkzeugen, später hat er sich auf das Sortiment «Sortimo»-Fahrzeugeinrichtungen spezialisiert. Man könnte sagen: Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit meinen Eltern habe ich wie gesagt sehr gut zusammengearbeitet, wir hatten nie einen ernsthaften Streit oder auch nur eine Auseinandersetzung. Ein Grund dafür war, dass der Betrieb gut gelaufen ist, es ging kontinuierlich vorwärts. Es gab immer mehr Arbeit, es war schön, das Unternehmen so aufzubauen.
Gab es Schwierigkeiten, die Sie als Unternehmer überwinden mussten?
Es gibt täglich Herausforderungen, im Moment zum Beispiel der zeit- und bedarfsgerechte Einkauf von Rohmaterial.
Wie hat sich Covid auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Am Anfang wurden während des Lockdowns keine Nutzfahrzeuge mehr produziert, die wir ausstatten konnten. Bis die Fahrzeugherstellung wieder begann, erlebten wir eine Durststrecke mit vier Monaten Kurzarbeit. Wir waren sehr dankbar für die Unterstützung des Staates, diese haben wir sehr positiv erlebt. Wir haben auch versucht, die Vorgaben des Staates mit gesundem Menschenverstand umzusetzen.
Hat die Pandemie an dem Verhältnis zwischen den Mitarbeitern etwas geändert?
Die Mitarbeitenden der Produktion mussten anwesend sein, die Arbeit mit Masken war sicher nicht einfach. Im Homeoffice konnten wir nur Leute aus der Verwaltung beschäftigen. Zuerst fanden einige das gut, aber nach zwei, drei Monaten drehte sich die Stimmung und man freute sich darauf, wieder im Büro zu arbeiten. Gerade unsere alleinstehenden Mitarbeitenden fühlten sich im Homeoffice zeitweise etwas einsam.
Welche Vorteile hat es, dass Firmenfahrzeuge von einer Drittfirma statt von den Herstellern ausgestattet werden?
Früher wurden in vielen Firmen die Autos von den Mitarbeitenden den Bedürfnissen entsprechend eingerichtet. Aber die Geräte, die ein Handwerker warten oder reparieren muss, werden immer komplexer, zum Beispiel Haushaltsgeräte, sodass die Anforderungen an die Fahrzeugeinrichtung steigen. Der Handwerker muss professionell arbeiten können, er kann sich kein Durcheinander im Auto leisten, sonst verliert er sehr viel Zeit mit Suchen und Finden. Dann ist er nicht mehr wettbewerbsfähig.
Sie produzieren die massgeschneiderten Einrichtungen nicht alle selber, woher beziehen Sie Ihre Halbfabrikate?
Unsere Zulieferanten kommen alle aus Deutschland. Unsere Workerboxen und Pro-Top-Rack-Lastenträger werden in Oberhasli produziert und innerhalb der Schweiz ausgeliefert. Für unser Unternehmen ist es notwendig, im Hause zu produzieren, um die Geschwindigkeit und Qualität sicherzustellen.
Welche Einrichtungen sind am meisten gefragt?
Verlangt wird, dass die Handwerker eine Fahrzeugeinrichtung bekommen, mit der sie effizient arbeiten können, die ihnen dazu verhilft, ihre Arbeitszeit zu verkürzen. Das Preis-LeistungsVerhältnis muss natürlich ebenfalls stimmen.
Wie nachhaltig ist Ihr Betrieb eigentlich?
Unsere Einrichtungen werden sicher zehn bis zwölf Jahre alt oder noch älter. Weil sie auf die speziellen Bedürfnisse unserer Kunden angepasst sind, werden sie immer wieder in die neuen Fahrzeuge unserer Kunden eingebaut. Man kann die Einrichtung sehr flexibel an den aktuellen Bedürfnissen anpassen, zum Beispiel die Bestandteile eines grossen Autos in mehrere kleine verteilen oder ein grosses Auto teilweise neu ausstatten. Mit mehrmaliger Verwendung ist eine gewisse Nachhaltigkeit sichergestellt, zudem lassen sich viele Materialien recyceln, wenn die Einrichtung aussortiert wird.
In Ihrem Betrieb ist offensichtlich Digitalisierung wichtig. Auf welchen Gebieten besonders?
Die interne Digitalisierung für unsere Maschinen und die Organisation ist eine unserer grossen Stärken. In den letzten fünf Jahren haben wir grosse Fortschritte gemacht. So sind wir beispielsweise auf eine sehr flexible Terminplanung angewiesen. Wann ein Auto zum Umbau angeliefert wird, kann man nicht vorhersehen. Auch kommt es oft zu Verzögerungen. Dabei ist es wichtig, dass jede Abteilung so rasch wie möglich darüber informiert wird, dass zum Beispiel ein Auto einen Monat später als vorgesehen zur Verfügung steht. Das heisst, wir brauchen das Gegenteil von einer normalen Planungssoftware. Eine solche setzt fixe Termine für Lieferungen fest. Das ist bei uns nicht möglich, und das ist die grosse Herausforderung für die Planung.