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Interview mit Tom Hanan

«Unternehmen brauchen klare moralische und ethische Standards»

Tom Hanan, Managing Director der Webrepublic AG, über digitale Werbung als Teil einer ganzheitlichen Strategie, die Echtzeit-Steuerung von Werbekampagnen und das Spannungsfeld zwischen individueller Werbeansprache und dem Umgang mit Kundendaten.
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Herr Hanan, Ihr Dienstleistungsgeschäft ist digitale Werbung. Was genau ist darunter zu verstehen?
Wir helfen unseren Kunden, das Internet als Verkaufs-, Werbe- und Kommunikationskanal zu nutzen. Unsere Experten aus Marketing und Technologie führen mit unseren Kunden einen Dialog und erarbeiten mit ihnen eine Strategie für das digitale Marketing. Wir berücksichtigen dabei, wie unsere Kunden digital aufgestellt sind. Die Kernpunkte, die Philosophie und Intention der Webrepublic bleiben gleich: Wir wollen Werbung noch transparenter und effizienter machen. Dafür fragen wir als Erstes nach den unternehmerischen Zielen. Das scheint einfach, aber viele Unternehmer haben sich das gar nicht überlegt.

Was gehört zu einer guten Strategie?
Das hängt immer von den Zielen der Kunden ab. Haben wir diese verstanden, können wir sie dabei unterstützen, eine Strategie zu entwickeln, die zum Ziel hat, das Web effizienter zu nutzen.

Welche Kanäle nutzt denn das Publikum, zum Beispiel für Geschäfte in Zürich?
Wir empfehlen häufig eine Basiskampagne in Google, damit die Produkte und Dienstleistungen online gefunden werden. Wir berücksichtigen immer die Gesamtsituation der Kunden: Dazu gehört der geografische Rahmen, der für eine rationale Verwendung des Budgets berücksichtigt werden muss. Ein regionales Geschäft braucht keine internationale Werbung – ausser natürlich, wenn Touristen die Zielgruppe sind. Dienstleister müssen dem Publikum Grundinformationen zur Verfügung stellen. So bekommen potenzielle Kunden Lust zur Kontaktaufnahme.

Nicht immer führt ein guter Platz im Google-Ranking zum Erfolg. Welche Optionen bleiben dann?
Dann braucht man flankierende Massnahmen, die die Kommunikation im Sinne einer ganzheitlichen Strategie weiter unterstützen. Man muss potenzielle Kunden zu tiefergehenden Informationen führen und ihnen eine einfache Kontaktmöglichkeit anbieten. Die Schritte sind: Aufmerksamkeit erregen, Interesse wecken, Informationen und Kontaktmöglichkeiten anbieten. Wenn sie sich dann die Frage nach der Effizienz stellen, müssen sie beantworten können, wie viel ihnen ein Kontakt wert ist.

Was verstehen Sie unter Programmatic Advertising?
Programmatic Advertising erlaubt den effizienten Einkauf und die Echtzeit-Steuerung von Werbekampagnen über verschiedene Plattformen und Medien hinweg. Programmatic Advertising will die Werbung effizienter machen, sowohl für den Werbebetreibenden wie für den Empfänger. Die zentrale Auslieferung aller Werbung läuft über einen Adserver, der die Werbung und den Betrag, den man zu bezahlen bereit ist, koordiniert. An dem Adserver sind Werbeträger und soziale Medien angedockt. Man kann alles zentral buchen und hat ein einheitliches Reporting sowie eine einheitliche Statistik. Als Agentur kann man Kampagnen so effizienter aufeinander abstimmen, was ein gros­ser Vorteil ist. Viele Kunden wählen Programmatic Advertising, wenn eine entsprechende Komplexität vorhanden ist.

Was halten Sie von künstlicher Intelligenz?
Damit sind wir täglich konfrontiert. Anbieter wie Google und Face-book setzen auf diese Technologie. Basierend auf bestehenden Kampagnen werden so Themen oder Botschaften vorgeschlagen, die relevant sein könnten. Wir erforschen solche Systeme, entwickeln aber selber keine künstliche Intelligenz. Aber unser Softwareteam muss Machine-Learning-Systeme beurteilen und einsetzen können. Das ist eine unserer Kernkompetenzen.

Wie sieht es mit Innovationen aus, gibt es Themen, die nur Webrepublic anbietet und sonst niemand?
Ja, wir verfügen über ein eigenes Team von Softwareingenieuren. Diese entwickeln massgeschneiderte Lösungen für spezifische Probleme, für die es noch keine Standard-Produkte gibt. Das Ziel ist: die Qualität zu sichern und Effizienz zu steigern. Ein Beispiel ist der Watcher: Es gibt Internetseiten, die während einer Kampagne die vielen Zugriffe nicht verkraften und offline gehen. Das kann auch durch Cybercrime verursacht werden. Unser Watcher registriert, ob eine Webseite überlastet ist, und stoppt die Kampagne. Ich persönlich finde es bedauerlich, dass man ein solches System entwickeln muss, aber ich halte es für notwendig. So haben wir für unsere Kunden schon etliche zehntausend Franken Mediaspend gespart, die sonst in Werbekampagnen investiert worden wären, die die Zielgruppen auf Webseiten geführt hätten, die vorübergehend nicht online waren.

Was kosten Ihre Werbekampagnen?
Unsere Zielgruppe sind mittlere sowie grössere Unternehmen. Wenn wir gute Arbeit leisten, wachsen wir mit unseren Kunden gemeinsam. Wir setzen uns ehrgeizige, aber realistische Ziele.

Welcher RoI für eine Kampagne ist realistisch?
Das hängt von den Zielen ab. Aber ganz grundsätzlich gilt: Ich wollte Webrepublic auch darum gründen, weil ein respektvoller Umgang mit dem Geld der Kunden für mich sehr wichtig ist. Onlinewerbung gibt uns viele Instrumente an die Hand, um zu messen, ob unsere Arbeit die Ziele erreicht. Man kann in eine Kampagne investieren und anschliessend eruieren, wie viele zusätzliche Bestellungen ausgelöst wurden. Natürlich ist die Realität oft komplizierter als dieses Beispiel, weil mehrere Faktoren, auch offline, den Erfolg einer Kampagne beeinflussen. Wir haben aber ein hoch spezialisiertes Team, um Messinstrumente einzusetzen und die Resultate einer Kampagne mit hoher Wahrscheinlichkeit zu berechnen. Aber auch da müssen wir uns bewusst sein: Die Exaktheit unserer Messungen hat ihre Grenzen.

Welche Rolle spielt für Sie die EU-Datenschutz-Grundverordnung?
Bei Webrepublic haben wir Datenschutz schon vorher freiwillig betrieben. Seit ich in der IT-Branche arbeite, sehe ich, dass die technische Entwicklung viel schneller ist als die juristische. Wir befürworten, dass durch den Datenschutz auch ein Diskurs über Persönlichkeitsrechte stattfindet. Wie er im Detail verläuft, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Dabei stellt sich die Frage, ob man auch kleine Unternehmen in ihrer Entwicklung und Innovationskraft fördert oder ihnen Steine in den Weg legt.

Es gibt Informatiker, die vor Google und Co. warnen, weil sie Datenkraken seien. Ermuntert die Werbung nicht dazu, private Informationen zu publizieren?
Es gibt sicher Leute, die ohne nachzudenken private Informationen preisgeben. Mit Blick auf die Werbung sehe ich es aber so: Als Konsument möchte ich doch Werbung erhalten, die für mich relevant ist. Es liegt in der Verantwortung von uns, dass Werbung nicht als nervig wahrgenommen wird. Man muss gesunden Menschenverstand anwenden, um einen Kunden nicht mit Werbung zu belästigen, wenn er nicht darauf reagiert hat. Allgemein vergleicht man diese Entwicklung ja oft mit einer industriellen Revolution, bei der man plötzlich mit völlig neuen Techniken konfrontiert wird. Damit bewusst und verantwortungsvoll umzugehen, ist eine der grossen Herausforderungen. Nur weil man etwas machen kann, muss man es noch lange nicht. Unternehmen brauchen klare moralische und ethische Standards. Das gilt gerade in einer Branche, in der das Recht hinterherhinkt und die Kunden Vertrauen haben müssen.

Kann man das steuern?
Das ist ein interessantes Spannungsfeld. Wie weit darf man gehen, ohne Sympathie oder Vertrauen zu verspielen? Verantwortungsbewusstsein ist dafür enorm wichtig. Wir müssen die Kunden so beraten, dass die Kampagnen nicht nur für Kunden, sondern auch für Konsumenten wertschöpfend sind. Man kann Kunden, die über das Internet bestellen, öfter Werbung schicken als solchen, die im Laden einkaufen oder selten bestellen. Online-Werbung muss auch von der Öffentlichkeit als nützlich und positiv wahrgenommen werden – auch darum, weil sie wichtige Informationsangebote wie Journalismus mitfinanziert.

Sie bieten Dienstleistungen in verschiedenen Sprachen an, in welchen?
Wir unterscheiden uns von anderen Anbietern dadurch, dass wir hier in Zürich Mitarbeitende mit zwölf verschiedenen Muttersprachen beschäftigen. Wenn Dienstleistungen in Fremdsprachen gefragt sind, verweisen andere Agenturen normalerweise auf Partneragenturen in anderen Ländern. Das machen wir ganz bewusst nicht. Wir haben Teams für China, Russland, Italien, Spanien und andere Länder, die die Kunden in ihrer Sprache bedienen. Wir vertreten eine globale Kommunikationsstrategie.

Apropos China: Welchen Eindruck haben Sie von dieser Wirtschaftsmacht?
Ich war selber nie dort, aber eine Delegation von 80 chinesischen Unternehmern war im Sommer 2017 bei uns zu Besuch. Anlässlich einer Studienreise durch die Schweiz haben sie grosse Unternehmen besichtigt und wollten auch uns kennenlernen. Ausschlaggebend für ihr Interesse war eine Fallstudie, die sie bei ihren vorbereitenden Recherchen auf unserer Website gefunden hatten. Wir hielten einen Vortrag und unternahmen mit den Gästen auch eine Reise nach Interlaken. Das war spannend.

China kauft viele Innovationen und Infrastrukturen in Europa, womit dann eine Konkurrenz für die europäische Wirtschaft entsteht. Wie beurteilen Sie das?
Solange Konkurrenz fair ist, ist sie gut fürs Geschäft. Dazu muss man sagen, dass die chinesische Konkurrenz äusserst stark ist, was mich persönlich sehr beeindruckt. Die Chinesen, die uns besucht haben, waren offen und liebenswürdig, in keiner Weise arrogant, aber trotzdem auch sehr selbstbewusst. Dass man in China nur Billigprodukte produziert, ist ein Vorurteil, sie können auch anders, wenn sie wollen – und sie sind sich dessen bewusst.

Sehen Sie China heute noch als Billiglohnland?
Im Vergleich zu der Schweiz ist China immer noch ein Billiglohnland, im Vergleich zu anderen ostasiatischen Ländern wohl nicht.

Wie beurteilen Sie Russland?
Abgesehen von der Politik – diese überlasse ich Leuten, die mehr davon verstehen – finde ich die russischen Innovationen spannend. Man sieht eine junge Generation, die die Entwicklung vorwärtstreiben will. Ich war kürzlich in Russland und war tief beeindruckt von den Dingen, die ich gesehen habe.

Wie ist Ihre Einstellung zur EU?
Das Grundkonzept ist interessant und gut, aber herausfordernd. Die Schweiz kann nicht ohne die EU sein, aber wir müssen uns auf unsere Kernwerte besinnen wie Innovation und Qualität. Wir müssen besser sein als andere. Dass Webrepublic in mehreren Sprachen Kampagnen machen kann, ist eine Kernkompetenz der Schweiz, so können wir auch Global Player sein.

Sie schaffen Innovationen und Arbeitsplätze, haben Sie dafür schon eine Belohnung erhalten?
Wir erhielten den Award zum «Entrepreneur Of The Year 2017» in der Kategorie «Dienstleistung / Handel». Bundesrat Schneider-Ammann schickte uns einen anerkennenden Brief, über den wir uns sehr gefreut haben.

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