Frau Fiedler, eine allgemeine Frage zum Einstieg: Wer ist und was tut Switzerland Global Enterprise (S-GE)?
S-GE ist die offizielle Schweizer Organisation für Exportförderung und Standortpromotion. Mit rund 200 Mitarbeitenden und ihrem globalen Netzwerk unterstützt S-GE jährlich über 5500 Schweizer Unternehmen bei ihrem internationalen Geschäft und innovative ausländische Firmen auf ihrem Weg zu einer Ansiedlung in der Schweiz. Dabei handelt S-GE seit 1927 im Auftrag des Bundes sowie der Kantone. In rund 45 Ländern ist S-GE mit eigenen Teams vertreten, den Swiss Business Hubs (SBH), welche in die diplomatischen Vertretungen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) integriert sind.
Wie läuft eine Exportberatung bei der S-GE ab?
S-GE ist für international tätige Schweizer Unternehmen die erste Anlaufstelle für das internationale Geschäft. Bei unseren Leistungen muss man unterscheiden zwischen dem kostenlosen und dem bezahlten Service public. So bieten wir den Unternehmen etwa Events zu relevanten Exportthemen und Märkten an, und wir informieren die Unternehmen auf unserer digitalen Kundenplattform über aktuelle Themen und Marktchancen. Wenn sich Firmen an uns wenden, führen wir zunächst ein erstes Informationsgespräch, auf das sich die Berater sorgfältig vorbereiten. Dabei wird abgeklärt, welche Bedürfnisse die Kunden haben – das hat für uns oberste Priorität und wir legen Wert auf eine hohe Qualität. Wir haben das Ziel, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen und zu übertreffen. Dabei sind die individuellen Wünsche der Kunden ausschlaggebend. Wir sind eine Plattformorganisation. Für spezifische individuelle Beratung setzen wir Experten ein, aber diese werden von den Kunden bezahlt.
Ist die Beratung im Prinzip für jedes Unternehmen kostenlos?
Wir sind eine von Bund und Kantonen mandatierte Organisation für Exportförderung und Standortpromotion. Jedes Unternehmen hat das Recht, sich an uns zu wenden. Die Schweizer Wirtschaft ist ja durch kleine und mittelständische mittlere Unternehmen charakterisiert und somit sind die meisten Firmen unserer Zielgruppe KMU, nach offizieller Definition Unternehmen mit bis zu 500 Angestellten. Es gibt in der Schweiz etwa 50 000 international tätige KMU. Bei der Beratung ist auch der Maturitätsstand zu berücksichtigen, wie Grösse und Entwicklungsstufe des Unternehmens, seine Exportfähigkeit, die Ressourcenverfügbarkeit usw. Die Unternehmen mit mittlerer oder niedriger Maturität – das ist keineswegs abwertend gemeint – profitieren natürlich am meisten von unseren Dienstleistungen.
Wie viele Unternehmen unterstützen Sie?
Wir unterstützen im Moment knapp über 5500 Unternehmen im Jahr und führen 1500 bis 2000 Beratungsgespräche, und zwar für etwa 130 Länder weltweit. Eine bezahlte Leistung wird dann erbracht, wenn eine Firma spezifische Beratung benötigt, die wir nicht gemeinwirtschaftlich zur Verfügung stellen können. Zu diesem Zweck arbeiten wir mit rund 3000 Beratern und Experten zusammen. Wir vermitteln den Kontakt zu denjenigen, die sich auf dem Gebiet am besten auskennen. Dieses Beraternetzwerk befindet sich grösstenteils im Ausland, aber wir haben auch Kontakt zu Organisationen in der Schweiz. Da kommt es auf die Fragestellung und das Land an und der oder die Experten benötigen die entsprechende Länderkompetenz.
Was ist der Schwerpunkt Ihrer Beratung?
In jedem Land gibt es bestimmte Prozesse, Regularien und Rahmenbedingungen, die beim Markteintritt zu berücksichtigen sind. Deswegen unterstützen wir die Schweizer Firmen, die Regeln des gewünschten Landes zu kennen und anzuwenden, um dorthin exportieren zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir verfügen über ein Team mit sehr breitem Wissen, unabhängig davon, welches Land oder welche Branche es betrifft.
Worin bestehen denn die Unterschiede bei den Regeln der einzelnen Länder?
Wichtig sind die Prozesse, welche Behörde für welchen Bereich zuständig ist. Dazu muss eine Firma bestimmte Unterlagen einreichen, um ein Produkt einzuführen, und diese variieren je nach Land stark. In Bezug auf solche Feinheiten wissen wir sehr gut Bescheid, zunächst gehört das zur kostenlosen Beratung. Wenn es aber unternehmensspezifisch wird, kommt der Experte ins Spiel. Wir wählen immer die Leute, die die Kunden besonders qualifiziert in Bezug auf das betreffende Land beraten können.
Wie oft kommt das vor, dass Sie bezahlte Aufträge bearbeiten?
Das variiert sehr stark nach Land oder Region, es hängt ab von der geopolitischen Situation, von den Rahmenbedingungen in den Ländern. Das kann stark schwanken. Wir können keine konkreten Zahlen nennen zu einem prozentualen Verhältnis zwischen bezahlten und nicht bezahlten Aufträgen. Gemeinwirtschaftliche und kostenlose Leistungen machen jedoch den grössten Teil unserer Dienstleistungen aus.
Zu Ihren Dienstleistungen gehören auch Webinare. Wie werden diese gestaltet?
Webinare beziehungsweise Events gehören zu den Servicepublic-Leistungen. Der Inhalt unserer Webinare richtet sich nach den aktuellen Bedürfnissen der Unternehmen. Oftmals sind das sehr technische Themen wie zum Beispiel Mehrwertsteuern oder Ursprungsregeln. Diese Veranstaltungen sind sehr gefragt, wir haben teilweise bis zu 500 Teilnehmer. Zum Beispiel ist die Nachhaltigkeit ein beliebtes Thema oder das Freihandelsabkommen mit Indien.
Wie weit benützt die S-GE die künstliche Intelligenz?
Bei der Nutzung von KI sind wir wie andere Firmen auch auf der Reise. Wir unterstützen Firmen in der Thematik, solche, die sich noch gar nicht damit befasst haben, und andere, die KI schon als Bestandteil ihres Betriebes integriert haben. Andere kennen sich bei den KI-Regeln noch nicht ordentlich aus und brauchen Beratung, was die geplanten oder in den Ländern schon eingeführten KI-Gesetze oder -Richtlinien für sie bedeuten.
Können die Unternehmen sich auf Ihrer Plattform im Internet direkt austauschen?
Der Austausch zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern findet in erster Linie an unseren Veranstaltungen statt. Zum Beispiel organisieren wir länderspezifische Beratungstage, an denen man sich in einem Tag über ein bestimmtes Land informieren kann und die an verschiedenen Orten stattfinden.
In welchem Landesteil oder Kanton ist das Interesse an Ihrer Dienstleistung am grössten?
Wir haben eine Balance, die die Bevölkerungsstruktur der Schweiz sehr gut widerspiegelt.
Wie wird die S-GE finanziert?
Wir sind vom Bund und von den Kantonen beauftragt, den Wirtschaftsstandort Schweiz und den Export zu fördern, und werden grösstenteils auch vom Bund und von den Kantonen finanziert. Aber wir haben die Rechtsform eines privatrechtlichen Vereines und die Mitglieder bezahlen Beiträge. Über die Möglichkeiten für Mitglieder kann man sich auf der Webseite orientieren, es gibt Gold- und Silber-Mitgliedschaften, solche für Start-ups und für Netzwerke beziehungsweise Vereine. Die Mitgliedschaft steht jedem offen, auch Einzelunternehmern. Wir bieten natürlich spezielle Services für Mitglieder an und organisieren Veranstaltungen, die eine grosse Resonanz und viele Teilnehmer haben und den Austausch zwischen den Mitgliedern fördern. Diese sollen natürlich von den Inhalten der Tagungen profitieren, wie es unserem Auftrag entspricht.
Welche Branchen sind am meisten an Export interessiert?
Der Export widerspiegelt die Schweizer Wirtschaft. Besonders aktiv sind die Maschinenindustrie, die Life-Science-Branche, der Clean-Tech-Bereich und die Infrastruktur.
Welche Länder werden von den Schweizer Unternehmern für Geschäfte und Niederlassungen bevorzugt?
Besonders begehrt sind Indien, die USA und China, Deutschland und Frankreich. Aber auch in unserem weiteren Nachbarraum herrscht eine grosse und stabile Nachfrage, zum Beispiel Italien. Und beispielsweise ist Japan immer noch beliebt oder Brasilien. Die Bandbreite umfasst die ganze Welt.
Länder wie China und Japan haben viele westliche Innovationen übernommen. Was ist zu unternehmen, dass das den Schweizer Firmen nicht passiert?
Die Schweiz ist seit 13 Jahren weltweiter Innovationsführer und hat in dieser Zeit eine grosse Kraft und Stärke entwickelt. Auch im World Competitiveness Ranking liegt die Schweiz weit vorne: 2024 auf dem zweiten Platz. Dazu verfügen Schweizer Unternehmen über eine hohe Resilienz, sie können sehr gut mit unterschiedlichen Situationen und Veränderungen umgehen und sich so die Kontinuität sichern. Es ist sehr wichtig, dass wir in unsere Innovationskraft investieren. Wenn die Firmen von uns Beratung bekommen, gewinnen sie auch Freiraum, sich auf ihre Stärken und auf ihre Innovationskraft zu konzentrieren.
Wie beurteilen Sie das Verhältnis Schweiz – EU?
Die EU ist für uns ein sehr wichtiger Handelspartner, rund 50 Prozent der Exporte gehen in EU-Länder und darum gibt es auch bei den Unternehmen, die sich an uns wenden, einen starken Fokus auf die EU. Die Schweizer Unternehmen spüren aber auch, dass es Deutschland nicht gut geht, nicht zuletzt der MEM-Industrie.
Wie reagieren die Unternehmer denn darauf?
Wir befragen Unternehmen halbjährlich über ihre Exporterwartungen in den nächsten Monaten. Anfang Jahr gab es verhaltene Reaktionen, aber im Sommer zeigten sich die Firmen wieder optimistischer, obwohl die Exportzahlen jüngst wieder zurückgingen. Wie sich die Schweizer Exporte entwickeln, hängt von der geopolitischen Situation ab. Die Schweizer Unternehmer sind sehr gut darin, bei Krisen alternative Wege zu finden, um das Unternehmen zum Wachstum zu bringen. Sie suchen zum Beispiel nach Märkten in anderen Regionen, die sie vorher nicht gefunden haben. Aber das lässt sich nicht so pauschal sagen.
Wo gibt es denn im Moment Wachstumsmärkte?
Zum Beispiel hat Indien eine sehr hohe Attraktivität, besonders nachdem die Schweiz – beziehungsweise die EFTA-Länder – das Freihandelsabkommen abgeschlossen haben; auch im Mittleren Osten gibt es viele Wachstumsmöglichkeiten. Aber auch Märkte wie Thailand bieten sehr attraktive Chancen für Schweizer Unternehmen. Für das einzelne Unternehmen ist die Wahl stark abhängig davon, wie es derzeit aufgestellt ist, in welcher Industrie es sich bewegt und welchen globalen Fussabdruck es hat.
Im Nahen und Mittleren Osten besteht ja Kriegsgefahr. Wie wirkt sich das aus?
Die Folge von Konflikten war in den letzten Jahren unter anderem die Lieferkettenproblematik. Aktuell ist das Schiffvolumen im Suezkanal viel niedriger als zum Beispiel beim Kap der Guten Hoffnung. Wie erwähnt, die Schweizer Firmen sind sehr anpassungsfähig, sie suchen in solchen Fällen nach anderen Wegen, um ihre Versorgung zu sichern. Viele Ereignisse kommen ja oft sehr überraschend, und dann ist die Flexibilität der Firmen und auch unsere gefragt. Übrigens gibt es ja auch positive Szenarien. Wenn sich in der Welt etwas schlagartig ändert, ist der Bedarf an Unterstützung besonders hoch und wir sind dazu bereit, den Unternehmen den bestmöglichen Service zu bieten.
Sie bieten Dienstleistungen für Messen an. Welche sind besonders begehrt?
Für die Messen organisieren wir Länderkonzepte und Schweizer Pavillons, wo sich eine Firma präsentieren kann und einen guten Standort in der Messe bekommt. Wir beteiligen uns an etwa 25 Messen pro Jahr, an Leitmessen, die man kennt, zum Beispiel K, die Kunststoffmesse in Düsseldorf, Anuga, die Lebensmittelmesse in Köln. Für Starters und Techniker ist die CES in Las Vegas interessant. Aber wir beteiligen uns auch auf speziellen Messen, wie zum Beispiel Biofach in Nürnberg oder The Saudi Food Show in Saudi-Arabien.
Sie vergeben den Export Award. Welche Kriterien sind da massgebend?
Diesen erhalten Firmen, die für den Export einen starken Beitrag geleistet haben. Dafür werden folgende Kriterien angewendet: Positionierung einer Firma im internationalen Geschäft, die strategische Ausrichtung, die messbaren Resultate, die sie im Export erzielt, und eine nachhaltige, langfristige Ausrichtung. Die Unternehmen können sich für den Award bewerben. Im Auswahlverfahren durchlaufen die Firmen einen mehrstufigen Prozess mit einer unabhängigen und ehrenamtlich tätigen Jury. Die Preisträger werden am Aussenwirtschaftsforum verkündet, das findet 2025 am 30. April in Basel statt. Das ist eine eintägige Konferenz mit einer sehr beeindruckenden Teilnehmerzahl von rund 500 Personen aus der Exportwirtschaft. Wir wählen immer ein aktuelles Thema und fragen die dafür kompetenten Redner an. In diesem Jahr war unser grosser Themenblock die Nachhaltigkeit.
Hatte die Tagung konkrete Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit von Unternehmen?
An einer solchen Tagung präsentieren wir auch unsere Dienstleistungen. In den letzten Jahren haben sich im Bereich der Nachhaltigkeit aufgrund des steigenden Bedürfnisses viele neue Aktivitäten entwickelt, die die Firmen in ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen unterstützen und sicherstellen, dass Lieferanten die nötigen Kriterien auch anwenden.
Nachhaltigkeit ist ja allgemein ein wichtiges Thema. Wie wirkt sich zum Beispiel die neue EU-Lieferkettenrichtlinie aus?
Im Moment besteht in den Firmen eine hohe Aufmerksamkeit für dieses Thema. Für uns ist Nachhaltigkeit kein Zwang, sondern eine Möglichkeit für die Firmen, freiwillig ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wir beraten die Unternehmen auch in Bezug auf technische Möglichkeiten, Tools, Prozesse usw. Das Ziel ist, die notwendigen Kriterien in einem Land zu erfüllen. Dabei stellen wir nicht ein bestimmtes Thema, zum Beispiel Kunststoff, in den Vordergrund, sondern behandeln alle Gebiete. Wir sorgen unabhängig von der Branche dafür, dass die Unternehmen ihre Produkte im Ausland verkaufen können.
Wie beurteilen Sie den Standort Schweiz im internationalen Vergleich und wie schätzen Sie die aussenwirtschaftliche Entwicklung der Schweiz in nächster Zeit ein?
Da verweise ich wieder auf die Innovationskraft der Schweiz und darauf, dass wir seit 13 Jahren immer wieder Innovationsführer sind. Wie schon erwähnt ist es sehr wichtig, die Innovationskraft der Schweiz weiterhin zu stärken. Die Exportstimmung ist positiver ist als am Anfang des Jahres. Wie sich der Export weiterentwickelt, hängt von den weltweiten Rahmenbedingungen und der Entwicklung der einzelnen Volkswirtschaften ab. Wenn die Welt sehr komplex ist, brauchen die Firmen auch umso mehr die Unterstützung.
Was hat Sie bewogen, Ihre Stellung anzunehmen?
Ich stamme aus Deutschland, lebe aber seit 1996 immer wieder nebst Auslandsaufenthalten in der Schweiz und durfte die Vorzüge der Schweiz geniessen. Darum möchte ich dem Land etwas zurückgeben. Dazu ist die Arbeit bei S-GE sehr interessant und ich stelle bei den Kollegen und Kolleginnen ein hohes Engagement fest, das mich persönlich antreibt.