Herr Dr. Vogelsang, die Statron AG hat den «Idée-Suisse-Innovationspreis 2022 zur Förderung der wirtschaftlichen Zukunftschancen» erhalten. Was genau hat Ihr Unternehmen zu den wirtschaftlichen Zukunftschancen beigetragen?
Wir haben es geschafft, die Grundidee eines Prototyps unseres Partners Emost in ein verkaufsfertiges Gerät zu verwandeln. Die Entwicklungszeit betrug circa acht Monate, was für so ein technisch herausforderndes Gerät wie den «Butler S» sehr gut ist. Mit der schnellen Entwicklungszeit konnten unser Partner und wir das Produkt sehr schnell am Markt anbieten – time to market –, was die wirtschaftlichen Zukunftschancen extrem erhöht. Heute wird der «Butler S» schon weltweit verkauft. Übrigens: Am Anlass zur Preisverleihung hat es mir gefallen, dass Personen aus verschiedenen Sektoren präsent waren.
Sie haben zusammen mit einem Emost-Team «Emost Butler S» entwickelt. Was ist das Besondere an diesem Produkt? Welche Schwierigkeiten musste man während der Entwicklung überwinden?
Das Besondere am «Butler Emost» ist die Zuverlässigkeit und die Einfachheit in der Handhabung. Beide Faktoren sind wichtig für den Einsatz des «Butler S». Um dies zu erreichen, haben wir einen grossen Entwicklungsaufwand betrieben und viele Tests durchführen müssen. Dies waren die grössten Herausforderungen in der Entwicklungsphase. Der «Butler S» eignet sich vor allem für die Anwendung auf der Baustelle. Dafür hat er besondere mechanische Voraussetzungen und Designkriterien, sodass er für den Transport einsetzbar und robust genug ist.
Welche Angebote für Energieausfallüberbrückung hat Statron für Firmengebäude oder Häuser?
Für Häuser bieten wir stationäre Systeme mit ähnlicher Funktionsweise an. Den Preis muss man individuell berechnen. Er hängt zum Beispiel davon ab, welche Dauer der Autonomiezeit man wünscht, wie viel Energie gefordert wird und ob es parallele Versorgungssysteme gibt. Dafür können wir preisgünstige Lösungen anbieten, denn stationäre Systeme bauen wir sehr oft ein. Das ist für uns Tagesgeschäft.
Sie fördern unterbrechungsfreie Stromversorgung und Energiespeicherung. Was gibt es da für neue Möglichkeiten, zum Beispiel Batterietechniken?
Die Batterietechnik wird sich Schritt für Schritt weiterentwickeln, das ist definitiv so, und zwar im Automobil-, Bau- und im stationären Sektor, in Bezug auf Leistungsdichte, Sicherheit und Speicherfähigkeit. Wir arbeiten an neuen Speicherkonzepten.
Wie steht es mit Recycling von Rohstoffen?
Es wird sich in zwei bis drei Jahren ein Second-Life-Markt entwickeln, der Ausdruck ist jetzt schon gebräuchlich. Zum Beispiel können Batterien, die nicht mehr für Autos verwendbar sind, im Industriesektor eingesetzt werden. Wenn zum Beispiel eine Autobatterie nur noch 70 Prozent Leistung hat, wäre es schade, diese wegzuwerfen. In einer Industrieanlage mit grossen Containern kann man zum Beispiel zehn dieser Batterien unterbringen, man erzielt damit die notwendige Leistung und die Wiederverwendung ist möglich.
Ist es noch sinnvoll, batteriebetriebene Antriebe zu fördern? Wäre es nicht effizienter, wieder mehr Geräte zu entwickeln, die mit direktem Anschluss an das Stromnetz versorgt werden? Haben Sie und Ihre Partnerfirmen entsprechende Pläne?
Hier gibt es ein klares «Ja» zu den Batterieantrieben. Die Batterietechnik wird, auch gefördert durch den Automobilsektor, immer besser, das heisst mehr Speicherplatz für weniger Kosten. Die Vorteile im Einsatz batteriegetriebener Systeme sind klar, Flexibilität und Unabhängigkeit. Das wird sich durchsetzen.
Welche der Produkte, die Statron verkauft, hatten in den letzten Jahren am meisten Erfolg, und was ist im Moment besonders gefragt?
Wir sehen in unserem klassischen Bereich, den Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV), einen Trend hin zu modularen Systemen. Dieser Trend wird sich meiner Meinung nach wieder etwas abschwächen, aber weiterhin bestehen bleiben und sich moderat fortsetzen.
Statron hat verschiedene Geschäftspartner, zum Beispiel Emost oder Turn Key Services AG. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit funktioniert mit unseren Geschäftspartnern, wie zum Beispiel Emost, sehr gut. Die Grundvoraussetzungen dafür sind Kompetenz und Schnelligkeit in der Entscheidungsfindung. Wenn wir bei Statron Meetings durchführen, sitzen immer die jeweilig kompetentesten Personen am Tisch. Diese Personen können in den allermeisten Fällen auch gleich entscheiden. Etwaige Zusatzrunden über einen weiteren Chef entfallen. Das macht uns so gut und schnell, und das wird auch von unseren Geschäftspartnern geschätzt.
Welche Unternehmen sind hauptsächlich Ihre Kunden und wie organisieren Sie den Vertrieb?
Unser Vertrieb ist dezentral organisiert. Der Kernpunkt unserer Strategie hier ist die Nähe zum Kunden. Wir haben in jedem Land, wo wir tätig sind, entweder eine Niederlassung oder einen zuverlässigen Partner.
Sie haben acht Tochterfirmen weltweit und führen international Projekte durch. Welche sind beziehungsweise waren besonders erfolgreich und wo gab es Schwierigkeiten?
Unsere Tochterfirmen sind gut aufgestellt und die Mitarbeiter dort sehr fleissig. Es ist schwierig, die Performance der Töchter direkt zu vergleichen, da in jedem Land eine andere Situation bezüglich Mitbewerber und lokaler Herausforderungen herrscht. Stolz sind wir auf unsere Erfolge in den Anwendungen Energieinfrastruktur in Europa sowie im Mittleren Osten beziehungsweise in Asien. Die Produkte von Statron werden in jeglicher Infrastruktur eingesetzt, in der eine kontinuierliche (unterbrechungsfreie) Stromversorgung gefordert ist. Das sind Bohrinseln, Kraftwerke, Energieunternehmen, Tunnel, Infrastruktursysteme, Bahnen oder Industrieunternehmen.
Wo werden die Produkte, die Statron verkauft, hergestellt?
Unsere Produkte werden in der Schweiz, in Ungarn und in Malaysia hergestellt.
Welche Ausbildung haben Ihre Mitarbeitenden?
Wir legen einen hohen Wert auf gut ausgebildete Mitarbeiter. Hier suchen wir nach dem in der jeweiligen Stelle geforderten Ausbildungsgrad. Vom Facharbeiter bis zum Universitätsabschluss ist hier alles dabei. Weiterhin unterstützen wir auch unsere Mitarbeitenden bei Weiterbildungen. Viele Vereinbarungen haben wir derzeit berufsbegleitend.
Ist es schwierig, kompetente Leute für Energietechnik zu finden, und wenn ja, wie sollte man das ändern?
Hier ein klares «Ja». Es ist sehr schwierig, kompetente Leute aus der Energietechnik zu finden. Aus meiner Sicht sollte man hier bei der Bildung, auf allen Stufen, nicht nur an der Universität, sowie am Image ansetzen. Energietechnik ist nicht mehr nur Kohleverstromung oder Atom, Energietechnik ist cool, das sehen Sie ja an so einem Produkt wie dem «Butler S».
Wie haben Statron und ihre Partnerfirmen die Corona-Zeit und die Lockdown-Bestimmungen bewältigt und welche Auswirkungen hatte das auf den Betrieb?
Die Corona-Zeit war sehr herausfordernd für uns. Wir bei uns im Betrieb haben dies durch klare Regelungen, beispielsweise Abstandshaltung, Homeoffice, sowie ein gut durchdachtes Testsystem handeln können. Weiterhin haben wir in die digitale Infrastruktur investiert, und wir hatten ein klares Kommunikationskonzept. Das hat geholfen.
Wird die Möglichkeit zu Homeoffice und flexibler Arbeitszeit in Ihrem Betrieb nun beibehalten?
Das Homeoffice haben wir wieder zurückgefahren. Die Schwelle, miteinander zu kommunizieren, ist tiefer, wenn man physisch zusammensitzt, das Gespräch wird effizienter. Homeoffice ist zwar kein Problem, wir sind nicht auf Vorkrisenniveau zurückgegangen. Wir behalten Homeoffice teilweise bei, individuell und in einem kleineren Rahmen. Aber heute sind wir mehrheitlich präsent.
In den letzten zwei Jahren gab es immer wieder Lieferengpässe. Entstehen dadurch Probleme für Statron und die Partnerfirmen, wenn ja, welche?
Ja, das ist eine kontinuierliche Herausforderung, die durch Corona und den derzeitigen Krieg in der Ukraine nicht einfacher geworden ist. Derzeit haben wir das im Griff. Es fordert unser Supply-Chain-Team aber sehr. An dieser Stelle möchte ich mich bei all unseren internen Mitarbeitern für deren unermüdlichen Einsatz herzlich bedanken. Es ist derzeit nicht leicht.
In welchen Bereichen waren die Lieferengpässe besonders gravierend?
Dabei geht es um verschiedene Materialien, zum Beispiel Chips, und auch um Unterlieferanten. Wir können zwar immer noch unsere Lieferzeiten einhalten, aber der Aufwand ist grösser geworden. Wir müssen häufiger nachfragen, Statusmeetings mit den Lieferanten organisieren usw. Dahinter steckt auch viel Bürokratie. Das gilt für den gesamten Weltmarkt, also Asien, Schweiz, Deutschland usw.
Worauf führen Sie diese Lieferengpässe zurück?
Der Ukrainekrieg ist zum grossen Teil eine Entschuldigung und zu kleinen Teilen eine Ursache. Während der Coronakrise haben fast alle Firmen, um Kosten zu senken, die Produktionskapazitäten reduziert, zum Beispiel hat man Leute entlassen oder Produktionslinien geschlossen. Nachher gab es einen Aufholeffekt, und viele Zulieferer hatten es schwer, diesen zu kompensieren. Die globale Wertschöpfungskette geriet komplett durcheinander, und das muss sich nun wieder einspielen. Nach meiner Einschätzung dauert das mindestens ein Jahr, eher zwei Jahre.