Interviews

Interview mit Christoph Eberle

Mit Swissness gegen den Massenmarkt

Christoph Eberle, Mitinhaber und Marketingleiter der Käsehandelsfirma Alibona AG, über die Erfolgsfaktoren in einem hart umkämpften Markt, den Trend zu Convenience Food und den Ausbau neuer Geschäftsfelder.
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Im Jahr 2014 hat die Schweiz erstmals mehr Käse exportiert als importiert. Die Medien sagten schon das Ende des Käselandes Schweiz voraus. Und doch scheint es der Alibona AG bestens zu gehen. Stimmt dieser Eindruck?

Ja, uns geht es sehr gut. Beim Emmentaler AOP – das ist unsere Hauptkäsesorte – gab es allerdings anfangs 2014 schon Probleme. Doch mittlerweile hat sich die Lage aber wieder beruhigt und der Verkauf läuft gut.

Dafür mussten Sie aber bestimmt auch mit dem Preis runter.

Nein, das mussten wir nicht, ganz im Gegenteil sogar. Der Bundesrat hat ab Produktion Juli 2013 die Mengensteuerung von Emmentaler Switzerland für allgemeinverbindlich erklärt. Mit dem Instrument der Mengensteuerung ist es der Sortenorganisation möglich, die gesamte Schweizer Produktion dem Markt anzupassen. Der Preis von Emmentaler AOP konnte dadurch in kurzer Zeit um gut einen Drittel erhöht werden. Davon profitierten natürlich auch unsere Eigenmarken wie etwa der «Cremoso», der «Rustico», der «Wiesenkäse» oder auch der «Thurgauer Spezial». Zudem gelang es uns, zusammen mit unserem Vertriebspartner in Deutschland, neue Märkte in der EU zu erschliessen. Zum Teil eben auch in den Ländern, in denen bisher kaum Emmentaler AOP verkauft wurde. Das ist gut so. Und nicht nur für die Alibona AG, sondern insbesondere auch für das Produkt, unseren Emmentaler AOP.

Sie haben im Krisenjahr der ältesten Schweizer Käsesorte also zum Durchbruch in einem neuen Markt verholfen. Ist das nicht auch die Aufgabe der Branchenorganisation Switzerland Cheese Marketing?

Switzerland Cheese Marketing leistet allgemein einen wesentlichen Beitrag zur Absatzförderung von Schweizer Käse. Sie bietet den Akteuren im Markt rund um den Schweizer Käse ihre Dienstleistungen im Bereich Marketing und Kommunikation an. Hauptsächlich arbeitet Switzerland Cheese Marketing in der Schweiz und in den Hauptmärkten Italien, Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten. Wir, die Alibona AG, haben aber auch ein eigenes, gutes Netzwerk mit starken Partnern. Das ist uns sehr wichtig. Denn damit haben wir die Möglichkeit, auch in den Nischenmärkten Fuss zu fassen. Doch da kämpft man dann halt alleine.

Apropos kämpfen. Recht kämpferisch klingt ein Satz auf Ihrer Webseite. Die Alibona AG hat «den traditionellen Käsehandel aufgegeben», heisst es dort. Wie ist das gemeint?

Als die halbstaatliche Käseunion im Frühjahr 1999 ihren Betrieb einstellte, blieb nur noch eine Handvoll Händler von Emmentaler Käse. Diese Situation stimmte für uns, also doch recht gros­sen Emmentaler-Produzenten, nicht mehr. Wir wollten das Heft selber in die Hand nehmen und die Freiheit haben, unseren Emmentaler AOP in Eigenverantwortung zu vermarkten. Darauf folgte dann im Jahr 2003 die Gründung der Käsehandelsfirma Alibona AG. Wir sind also keine Handelsfirma mit jahrzehntelanger Tradition, sondern eine junge und moderne Unternehmung, die nebst dem eigens produzierten Käse auch den von vier weiteren Käsereibetrieben vermarktet.

Sie verkaufen jährlich etwa 2000 Tonnen Käse, das meiste davon ist Emmentaler AOP, der nach genau festgelegten Richtlinien produziert wird. Wenn man ein Produkt anbietet, das genau so auch andere produzieren, wie kann man sich da überhaupt von der Konkurrenz abgrenzen?

Produkte mit der Zusatzbezeichnung «AOP» sind traditionelle Spezialitäten, die eine starke Verbindung zu ihrer Ursprungsregion haben. So wird der Emmentaler AOP seit Generationen und mit viel Herzblut von den Käsern hergestellt. Vom Rohstoff zur Verarbeitung bis zum Endprodukt kommt alles aus einer klar definierten Ursprungsregion. Der Emmentaler AOP ist daher ein hochwertiges Naturprodukt. Es ist aber tatsächlich so, dass kein Emmentaler genau gleich wie ein anderer schmeckt. Da der Geschmack der Milch abhängig ist von der Kuhrasse, des Futters oder sogar von der Luft, verfügt bereits unser Rohstoff über eine eigene, besondere Nuance. Neben dieser natürlichen Abweichung versucht die Alibona AG, sich aber vor allem durch die Art der Vermarktung von der Konkurrenz abzuheben.

Was heisst das konkret?

Wir probieren neue Angebotsformen im Verkauf zu schaffen. Der Emmentaler wird ja zumeist immer noch in der klassischen Form verkauft. Das heisst, vor allem in der Theke oder als Portion im Selbstbedienungsbereich. Der Trend geht aber klar in Richtung Scheibletten. Convenience Food ist ein riesiges Thema, dem in der Schweiz aber lange nicht die – wie ich finde – notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die schnelle Verpflegung in kleineren oder Single-Haushalten wurde darum stark vernachlässigt. Auch heute noch sieht man in den Schweizer Lebensmittelläden kaum Emmentaler in Scheiben. Etwas, das es aber im Ausland schon lange gibt.

Die Scheiben kennt man zum Beispiel beim niederländischen Leerdammer, der auf dem Tisch von Herr und Frau Schweizer immer beliebter wird. Wie wollen Sie da gegensteuern und das Interesse an den einheimischen Käsesorten wieder steigern?

Wir setzen auf spezielle Käsesorten und probieren auch immer wieder Neues aus. Im Moment haben wir sehr guten Erfolg mit unseren weiteren Hausspezialitäten. Allen voran mit dem «Rustico-Sélection», der nicht nur im Ausland, sondern auch in der Schweiz noch grosses Potenzial hat. Es ist ein reifer Käse mit einem ganz eigenen Charakter, der sich dadurch im Geschmack deutlich von der Massenware aus den Niederlanden, Frankreich oder Deutschland abhebt. Der Rustico ist übrigens auch mein persönlicher Favorit. Nicht nur, weil ich gerne gereiften Käse mag, sondern eben auch aus meiner Sicht als Unternehmer, weil er eine gute Wertschöpfung generiert. Bei einer solchen exklusiven Spezialität zahlt der Käufer dann auch den Preis, der drei bis viermal höher ist, als das Billigprodukt aus dem Ausland.

Die Preise sind aber beim Emmentaler, der ja auch ein Massenprodukt ist, schon ein Thema. Und das insbesondere im Ausland, oder?

Unser traditionell hergestellter Emmentaler AOP ist keineswegs ein Massenprodukt. Wie ich bereits erwähnte, handelt es sich beim echten Schweizer Emmentaler um ein sehr hochwertiges Naturprodukt. Aus diesem Grund bewegen wir uns in einem Preissegment, das nicht mit industriell hergestelltem Billigkäse mithalten kann. Wir produzieren nach den strengen Richtlinien des von der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland vorgegebenen «Pflichtenheftes Emmentaler AOP», in dem die Vorgaben von der Milchgewinnung über die Käseherstellung bis hin zur Affinage alle klar geregelt sind. Zum besseren Verständnis erwähne ich hier nur zwei dieser Kriterien: Zum einen die Verarbeitung der frischen Milch aus der Region – also maximal 24 Stunden nach deren Gewinnung und aus maximal 20 Kilometer Entfernung –, zum andern den garantierten Reifegrad von mindestens vier Monaten. Damit heben wir uns bereits klar von der Billigkonkurrenz ab. Die AOP-Richtlinien sind also eine wichtige Komponente, die dem Produkt seine einmalige Qualität gibt. Und kein anderes europäisches Land erreicht diese hohe Qualität. Für uns ist der Emmentaler ein Schlüsselprodukt, das auch in der Qualität als «Surchoix» mit mindestens acht Monaten Reifung oder auch in der Qualität «Vieux» mit mindestens 14 Monaten Reifung angeboten wird. Auch unsere weiteren Spezialitäten sind zum Teil lange – bis zweieinhalb Jahre – gereift und auch deshalb im Preis höher positioniert. Dass wir aber dennoch keine Absatzprobleme haben, beweist, dass man mit einem vorzüglichen Produkt und einer guten Strategie auch einen höheren Preis rechtfertigen und verlangen kann.

Sie haben gerade die «gute» Strategie angesprochen. Welche Strategie verfolgt die Alibona AG beim Export ihrer Produkte?

Unsere Schweizer Käse sind aufgrund der traditionellen Herstellung und der fortgeschrittenen Reifung weltweit einzigartig. Damit bieten wir, als kleiner Player aus der Schweiz, ein Luxusgut im weltweiten Käsemarkt an. Wir haben eine starke Marke. Und wir haben den Vorteil, dass in vielen Ländern der Schweizer Käse sehr bekannt ist, also von einem sehr guten Image profitiert. Dies macht es für uns einfacher, beispielsweise mit dem «Rustico» Fuss zu fassen und das Potenzial des Marktes zu nutzen. Deutschland ist für uns einer der wichtigsten Märkte. Wir sind uns geografisch und sprachlich nahe, die Kaufkraft ist gut und traditionelle Schweizer Produkte genies­sen allgemein einen sehr guten Ruf. Die Schweizer Landwirtschaft wirkt – verglichen mit der deutschen Nahrungsmittelproduktion –, nahezu wie eine schöne, heile Welt, die der Globalisierung bewusst entgegenwirkt. Produkte, die diesen Trend verkörpern, kommen bei der deutschen Kundschaft gut an. Bei uns stehen 20 bis 30 Kühe im Stall, die alle einen Namen haben, das gibt es in Deutschland kaum mehr. In der EU ist zudem der Milchtransit enorm. Da wird Milch aus Italien und Deutschland nach Dänemark transportiert, bevor dann das Halbfabrikat wieder nach Deutschland zurückgeführt wird. In der Regel ist dem Kunden in Deutschland also nicht bekannt, wo die Milch oder der Käse im Supermarkt tatsächlich herkommt.

Auch der Kunde in der Schweiz hat die Qual der Wahl. die Regale von Migros und Coop umfassen weit über 200 verschiedene Käsesorten. Wie sollen bei dieser Vielfalt die neuen Produkte von Ihnen überhaupt noch wahrgenommen werden?

Für den Schweizer und den europäischen Markt entwickeln und lancieren wir unsere neuen Produkte zusammen mit dem Schweizer Käsekontor GmbH, unserer Produzentenvertretung in Deutschland. Es braucht natürlich viel Know-how, Geduld und Vorstellungskraft, bis ein Produkt verkaufsreif ist. Die Erfahrung zeigt uns aber, dass unsere Produkte renommiert und gesucht sind. Wenn also die Angebotsform stimmt und diese dann in einer attraktiven Verpackung angeboten werden, verkauft sich auch eine neue Sorte gut.

Ende Oktober konnten Sie einen Neubau in Betrieb nehmen. Wie sehen die weiteren Expansionspläne aus?

Der Erweiterungsbau dient nicht primär einem Ausbau, also einer Mehrproduktion vom Volumen her, sondern widerspiegelt die Richtung, in der sich die Alibona entwickeln will. Wir setzen auf lange gereiften Käse, und der braucht eben Platz und die richtigen klimatischen Voraussetzungen. Für uns sind eben gerade diese lang gereiften Käse interessant. Das ist auch unsere Kernkompetenz. Im Weiteren bieten wir im erweiterten Neubau auch Dienstleistungen an für andere Käsereien, die bei uns ihren Käse reifen lassen. Das ist ein zusätzliches Geschäftsfeld, das es uns erlaubt, uns breiter abzustützen. Natürlich werden wir auch weiterhin an unseren Produkten und Angebotsformen arbeiten, um neue Märkte erschliessen zu können.

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