Herr Camele, die Geschichte Ihres Unternehmens geht zurück auf Else Züblin-Spiller, die im Jahr 1914 die Non-Profit-Organisation «Schweizer Verband Soldatenwohl» gründete. Ihr ursprüngliches Ziel bestand ja darin, Schweizer Soldaten mit preiswerter und gesunder Kost ohne Alkohol zu versorgen. Ist von diesem sozialen Engagement heute noch etwas zu spüren?
Ja, die SV Stiftung bewahrt die ideellen Werte des Gründervereins auch in der heutigen Zeit. Die SV Group hat inzwischen zwar die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, gehört aber zu über 90 Prozent der SV Stiftung als Hauptaktionärin. Diese wurde 1999 im Wandel vom Verein zur AG gegründet. Sie ist Trägerstiftung und gleichzeitig eine Vergabe-Stiftung, indem sie Mittel, die zur geschäftlichen Weiterentwicklung der Gruppe nicht benötigt werden, sozialen Zwecken zuführt.
Hundert Jahre danach präsentiert sich die SV Group mit einem Umsatz von rund 700 Millionen Franken und über 8000 Mitarbeitenden. Wie verlief die Entwicklung dahin?
Die alkoholfreien «Soldatenstuben» stehen am Anfang unserer Unternehmensgeschichte. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurden diese fast nahtlos überführt in «Arbeiterstuben». Sie entstanden, weil die Patrons der Industriebetriebe einsahen, für ihre Mitarbeitenden mehr tun zu müssen, um den Arbeitsfrieden zu sichern. Daraus haben sich über die Jahre schliesslich die Kantinen und die heutigen Personalrestaurants entwickelt. Also, wir sind in unserem Kerngeschäft seit 100 Jahren unterwegs und haben das Geschäft ständig weiterentwickelt, qualitativ und quantitativ. Damals ging es um gute Ernährung, heute um gesunde Ernährung. Es ist schon so: Weil wir zu unserem Kerngeschäft immer Sorge getragen und es ständig weiterentwickelt haben, stehen wir heute erfolgreich da. Mit Leib und Seele. Wir kochen gerne! In der neueren Zeit sehe ich zwei Meilensteine: einerseits die gezielte Diversifikation mit dem Aufbruch in geeignete Geschäftsfelder wie Hotels, öffentliche Gastronomie und andererseits der Sprung ins Ausland, etwa nach Deutschland und Österreich.
Was waren die eigentlichen Entwicklungs-Treiber in den letzten Jahren?
Der wichtigste Treiber ist sicher die Leidenschaft, unsere Gäste gesund und gut zu bekochen. Daraus hat sich ein kontinuierliches Umsatzwachstum ergeben. Unser Erfolg ist zudem in der Anlage unseres Geschäftsmodells begründet. Wir entwickeln das behutsam und gezielt weiter. Dabei achten wir darauf, dass wir selber die Taktgeber bleiben und uns nicht zu riskanten Kraftakten verleiten lassen.
«Passion for Quality» heisst Ihr geschäftspolitisches Versprechen. Was ist für Sie Qualität?
Was auf dem Teller serviert wird, klärt die Qualitätsfrage unmittelbar. Erfüllt das Essen oder das Hotelzimmer die Erwartungen des Gastes, so stimmt die Qualität. Aber klar, dahinter steckt natürlich wesentlich mehr. «Passion for Quality» bedeutet für uns, dass wir auf ganzheitliche Qualität aus sind. Dazu gehört auch unser Verhältnis zu den Lieferanten. Wir besuchen diese regelmässig, wir kennen deren Lagerhallen und Produktionsstätten. Bei der gelieferten Ware wird kontrolliert zum Beispiel Haltbarkeit, Temperatur, Zustand, Frische, und es wird strukturiert vorgegangen bei der Evaluation der Bearbeitungsprozesse, zum Beispiel Lagerung, Kühlung und Veredelung. Das alles ist die technische Seite der Qualität im Sinne der Qualitätssicherung. Dieses Pflichtprogramm wird heute vorausgesetzt. Gewinnen können wir aber letztlich mit der Qualität in der Kür. Dann eben, wenn die Qualität auch frontgerichtet stimmt, zum Beispiel Speisen auf dem Teller, Service, Ambiente und Gastfreundlichkeit.