Interviews

Gespräch mit Heinz Moser

Konstanz und gemeinsame Werte in dynamischen Märkten

Heinz Moser, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Just, über den Standort Schweiz und regionale Verbundenheit, die besondere Beziehung zum argentinischen Markt und die Vorteile des Direktvertriebs.
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Herr Moser, die Just Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Walzenhausen ist seit ihrer Gründung im Jahr 1930 ein Familienunternehmen geblieben. Wie setzen Sie sich in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung gegenüber den internationalen Konzernen durch, die ebenfalls Körperpflege- und Haushaltsprodukte anbieten?

Wir legen Wert darauf, dass unsere Produkte die Kriterien Wirksamkeit, Verträglichkeit, Annehmlichkeit und Sicherheit erfüllen. Ein Beispiel ist unser Insektenspray. Dabei müssen wir die Balance zwischen hoch effektiv und umweltverträglich und hautfreundlich finden. Der Wirkstoff ist Icaridin und dieser muss im richtigen Verhältnis vorhanden sein.

Führt die Just Schweiz AG die dafür notwendigen Forschungen selber durch?

Wir haben eine eigene Abteilung für Forschung und Entwicklung. Diese hat die Aufgabe, neue Produkte zu entwickeln. Ein weiteres grosses Gebiet ist aber auch die Überprüfung, der Unterhalt und die Reformulierung von bestehenden Produkten.

In welchen Fällen werden Produkte geändert?

Das kann vielfältige Gründe haben, zum Beispiel Kundenwünsche. Oder wir entdecken einen neuen Rohstoff, der noch besser und wirksamer ist als derjenige, den wir bisher benutzt haben, und dadurch auch das Produkt optimiert. Es kann aber auch passieren, dass ein Rohstoff nicht mehr zur Verfügung steht, weil die weltweite Nachfrage zu klein ist und der Verkauf sich für den Anbieter nicht mehr lohnt. Dann müssen wir nach einem neuen geeigneten Ersatzrohstoff suchen. Es kann auch passieren, dass man aufgrund von neuen EU-Richtlinien einen Rohstoff nicht mehr verwenden soll. Diese Reformulierungen machen in der Forschung und Entwicklung etwa 40 Prozent des Arbeitsaufwandes aus.

Wie viele Angestellte hat Just in der Schweiz?

Insgesamt 160 Personen in der Firma und 115 Leute im Aussendienst. International beschäftigen wir rund 80 000 Berater, die aber nicht im Angestelltenverhältnis stehen. Diese sind meistens freie Mitarbeitende, für diese gilt dann das Recht ihres Landes. Wir sind auch auf Messen und Märkten vertreten und im Ausland schätzen wir das Partysystem. Dabei präsentieren die Berater unsere Produkte an Kunden, welche von Gastgeberinnen zu sich nach Hause eingeladen werden.

Welche Vorteile hat der Direktverkauf?

Wichtig ist, dass die Berater, die auch von Tür zu Tür gehen, einen intensiven Kontakt zu den Kunden pflegen und einen professionellen Kundenservice anbieten. Das unterscheidet unser Unternehmen wesentlich von den Konzernen, die ihre Produkte anonym verkaufen und keine persönlichen Ansprechpartner für die Kunden haben. So bildet sich ein Stamm von Kunden, die unsere Produkte auch weiterempfehlen. Wir erfahren  auch sehr schnell, wenn etwas nicht funktioniert, und passen dann das Produkt entsprechend an. Eine Ursache für den Erfolg ist sicher auch der hohe Aufwand für die Schulung und das Training unserer Berater.

Wie schützen Sie Ihre Innovationen?

Wir lassen unsere Produkte nicht patentieren. Just ist eine geschützte Marke, ebenso unsere Submarken. Von einigen Produkten werden gelegentlich Kopien hergestellt, aber die Originale wurden noch nie erreicht. Wenn nötig verteidigen wir uns gegen unlauteren Wettbewerb. Mit unseren Angestellten schlies­sen wir Vertraulichkeitsvereinbarungen.

Wo werden die Produkte von Just hergestellt?

Die ganze Wertschöpfungskette von Einkauf, Fabrikation und Konfektion, also Abfüllen, und Verpackung führen wir in Walzenhausen durch, und zwar für den europäischen und asiatischen Markt. Unser zweiter Produktionsstandort befindet sich in Argentinien und beliefert ausschliesslich den südamerikanischen Markt. In Europa verkaufen wir keine Waren aus Argentinien, die Transportkosten wären zu hoch. Ausserdem ist es auch sinnlos und umweltschädlich, Produkte unnötig in der Welt herumzufahren.

Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe?

Das ist ganz unterschiedlich. Wir sind immer interessiert an Schweizer Rohstoffen. Edelweisse werden beispielsweise im Wallis gezüchtet, und zwar immer auf demselben Feld. Wir haben für diesen Sommer ein Duschgel mit Zitronenmelisse und Holunderblüten entwickelt und diese Pflanzen werden im Appenzell angebaut. Mit der Firma Bio Kräuter GmbH pflegen wir eine gute Zusammenarbeit, die wir gern noch ausbauen möchten. Wir planen gemeinsam, welche Kräuter angepflanzt werden und wie viel. Die biologische Produktion der Firma ist zertifiziert und übernimmt soziale Verantwortung, sie beschäftigt Menschen mit Beeinträchtigungen.

Wir bezahlen einen Beitrag für die Produktion und zusätzlich für die Extrakte. Sonst ist es für uns wichtig, das wir in der Region Appenzellerland und Ostschweiz einkaufen, und zwar auch Verpackungsmaterial. Dafür bezahlen wir auch ganz bewusst mehr, als es zum Beispiel in Osteuropa kosten würde. Wir sind ein Teil des Systems, profitieren davon und wollen auch etwas zurückgeben. Natürlich gibt es auch da Schmerzgrenzen. Aber der Einkauf bei lokalen Firmen hat auch praktische Vorteile. Zum Beispiel können wir bei regionalen Lieferanten die Farbechtheit einer Drucketikette kontrollieren, das geht in Rumänien nicht. Wir legen auch bei der Verpackung Wert auf hohe Qualität.

Wo kaufen Sie Pflanzen, die nicht in der Schweiz wachsen?

Natürlich findet man Rohstoffe wie Jojoba- oder Arganöl nicht in der Schweiz. Das kaufen wir weltweit ein, wo wir einen guten Geschäftspartner finden, der auch soziale und ökologische Verantwortung wahrnimmt. Zu dem Zweck führen wir Lieferantenaudits durch. Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle und je wichtiger wir für einen Lieferanten sind, umso bessere Konditionen handeln wir aus.

Welche Produkte sind im Moment besonders gefragt?

Gefragt sind immer wieder die Produkte zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens – das sind aber keine Heilmittel, es wäre verboten, sie als solche zu bezeichnen. Zwischen 2013 und 2017 war unsere Arnika-Teufelskralle-Weihrauch-Creme zum Erhalt der Beweglichkeit das begehrteste Produkt. Das ist ein bewährtes Hausmittel. Die Creme wurde 2013 lanciert, weltweit haben wir bisher 1,5 Millionen Tuben verkauft. 2018 haben wir zwei Produkte lanciert, die erfolgreich gestartet sind, nämlich Venen-Gel gegen schwere Beine und Detox-Körperpeeling mit Salz vom Toten Meer und der Alge Spirulina. Solche Produkte sind aufwendig in der Fabrikation und wir diskutieren darüber, ob es sich lohnt. Wir sind aber froh, dass wir es gewagt haben. Und natürlich kaufen die Kunden auch gern unsere Klassiker wie die Fusscreme oder die Ringelblumensalbe.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen und wie gehen Ihre Angestellten damit um?

Wir haben vor zwei Jahren die neue Fabrik eröffnet und das war ein Sprung in die Digitalisierung. Die ganze Produktion ist nun vollautomatisch und digitalisiert, teilweise auch robotisiert, zum Beispiel die Verpackung. Unattraktive und teilweise schmerzhafte und ungesunde Arbeiten sind verschwunden, wie etwa Gewichte heben. Die Arbeit wurde sicher interessanter.

Welchen Stellenwert hat die Weiterbildung bei Just?

Wir engagieren uns sehr stark im Bildungsbereich, darin sind wir mit der Besitzerfamilie Jüstrich einig. Auch im Vertriebssystem hatte die Ausbildung schon immer einen hohen Stellenwert. Wir wollen, dass unsere Angestellten den Weg der Digitalisierung und Automatisierung mitgehen, und unterstützen sie deshalb grosszügig, wenn sie sich weiterbilden wollen. Wir erwarten entsprechendes Engagement der Mitarbeiter und fördern das Training während der Arbeit. Wir unterstützen es auch sehr, wenn die Mitarbeitenden eine eigene Weiterbildung absolvieren, zum Beispiel als Exportfachmann oder in Pflanzenkunde. Zusätzlich werden auch Veranstaltungen für Kadermitarbeiter organisiert, etwa über Personalführung.

Welche Auswirkungen hat die Zollpolitik von Präsident Trump für Just?

Diese hat für uns kaum Auswirkungen, wir sind in Nordamerika nur wenig vertreten. Hingegen sind wir von der Politik in Argentinien stark betroffen, weil wir dort eine eigene Produktionsfirma haben und der Markt Argentinien auch im Vertrieb sehr bedeutend ist. Zu Zeiten von Cristina de Kirchner war man sehr protektionistisch und der Bargeld-Transfer war eingeschränkt und wir waren extremen Währungsschwankungen ausgesetzt. Pesos musste man in Argentinien selber anlegen und konnte die Beträge nicht ausserhalb des Landes flüssig machen.

Wie ist es heute?

Auch heute noch besteht in Argentinien eine Inflation von etwa 25 Prozent. Der Peso hat gegenüber dem US-Dollar allein im Mai 20 Prozent verloren und das ist für die Geschäftstätigkeit sehr herausfordernd. Es gibt bestimmte Rohstoffe, die man in Argentinien nicht besorgen kann, zum Beispiel Verpackungsmaterial, dieses wird dann natürlich teurer. Aber wir legen Wert darauf, in der ganzen Welt den gleichen Qualitätsstandard zu erfüllen wie in der Schweiz. Man kann bei der Inflation in Argentinien allenfalls die Preise erhöhen. Die argentinischen Gewerkschaften achten sehr darauf, dass die Löhne der Inflation angepasst werden.

 

Beruhen die Beziehungen zu Argentinien darauf, dass der Gründer Ulrich Jüstrich in den 1920er-Jahren dort gelebt hat?

Ja, Ulrich Jüstrich hat in Argentinien den Direktvertrieb kennen und schätzen gelernt. Mit diesem Wissen hat Ulrich Jüstrich, der Grossvater der heutigen Eigner, die Firma Just im Jahr 1930 gegründet und erfolgreich aufgebaut.

Welches Verhältnis soll die Schweiz in Zukunft zur Europäischen Union haben?

Für uns ist ein liberaler EU-Markt enorm wichtig. Unser grösster Markt in Europa ist Italien, Tschechien kommt an zweiter Stelle, dann die Schweiz. Natürlich sind wir daran interessiert, unsere Produkte ohne Zölle und technische Handelshemmnisse in diese Länder zu liefern und ebenso frei dort einzukaufen. Der Arbeitsmarkt ist ebenfalls sehr wichtig, denn der Fachkräftemangel kann der Flaschenhals sein, der uns daran hindern könnte, unser Potenzial völlig zu erschliessen. Vor allem bei technisch-wissenschaftlichen Berufen wie Produktingenieuren und Chemikern sind Fachleute mit kosmetischer Erfahrung äus­serst schwierig zu finden. Wir müssen in Europa und weltweit rekrutieren. Hinzu kommt, dass wir als Arbeitgeber attraktiv wirken, wenn wir in Europa Leute für den Standort Schweiz suchen. Von Bern oder Zürich ziehen qualifizierte Leute nicht so gern an einen Ort auf dem Land wie Walzenhausen.

Gerade ältere Arbeitnehmer finden in der Schweiz nur schwierig einen Job. Gäbe es hier nicht Potenzial?

Wir schätzen Leute mit Erfahrung sehr. Zum Beispiel haben wir als Leiter in Frankreich bewusst einen über 50-jährigen externen Kandidaten berücksichtigt. Wir brauchten für diese Stellung jemanden, der Erfahrung ausstrahlt und zu dem man Vertrauen hat. Allein wegen der Versicherungsabgaben wurde das etwas teurer, aber es lohnt sich. Auch für ein junges Team in der Schweiz habe ich einen über 50-jährigen erfahrenen Verkaufsleiter engagiert. Diversität muss nicht nur geschlechts-, sondern auch altersspezifisch sein, das wirkt sich positiv auf die Teams aus. Und die älteren Mitarbeiter sind häufig ebenso dynamisch wie junge. Zum Beispiel bedaure ich es, dass unser französischer Leiter sich pensionieren lässt, ich hätte ihn gern weiterbeschäftigt. Wenn aber ein Mitarbeiter schon innerlich gekündigt hat, fördern wir auch vorzeitige Pensionierung.

Gibt es bei Ihnen flexible Arbeitszeiten?

Bei der Produktion ist das schwierig, die Maschinen müssen immer kontrolliert werden und für die Schichten gibt es zwei Schichten mit fixen Zeiten. In anderen Bereichen wie Marketing oder Forschung und Entwicklung ist mehr Flexibilität möglich.

Just ist ein Familienunternehmen. Sind die Inhaber noch in der Firma aktiv?

Die Eigentümer haben sich dafür entschieden, nicht mehr operativ, sondern sich auf das Mandat als Verwaltungsrat zu fokussieren und das Management einer externen Geschäftsleitung zu übergeben. Wenn die Eigentümer Verwaltungsräte sind, findet der Austausch mit dem Geschäftsleiter nicht nur an der Verwaltungsratssitzung statt. Man muss gegenseitiges Vertrauen aufbauen. Als Geschäftsleiter muss ich das Unternehmen im Sinne der Eigentümer führen und kann nicht über ihren Kopf hinweg Entscheidungen treffen, auch wenn ich natürlich meine Ansichten und Vorschläge einbringe. Wir haben eine hohe Kontinuität bei unseren Führungskräften, die alle schon jahrelang in der Firma. So kann man erfolgreich und kompetent zusammenarbeiten. Gerade in einem dynamischen Umfeld sind Konstanz und gemeinsame Werte wichtig.

Wie ist die Firmennachfolge geplant?

Dafür ist es noch zu früh, die Töchter von Marcel Jüstrich sind noch Teenager. Die Eigentümer haben die Absicht, das Unternehmen weiterhin in der Familie zu führen. Wie genau die Nachfolge geregelt wird und wofür sich die Töchter entscheiden, das lässt sich noch nicht vorhersagen. Die Eltern wollen ihre Kinder auch nicht unter Druck setzen.

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