Herr Rominger, Sie sind Erfinder und wurden auch schon als Schweizer Daniel Düsentrieb bezeichnet. Wie kam es dazu?
Diese Entwicklung ist eigentlich eher atypisch, ich bin im Klosterdorf Menzingen aufgewachsen und in die Schule gegangen. Dort war zu Beginn Behaviorismus gefragt, sprich Pauken. Beim Studium hat es mich dann fasziniert, über mein Fach hinauszudenken und Bezüge zu anderen Bereichen herzustellen und mich davon inspirieren zu lassen. Das althebräische Wort «Hephatha», was so viel heisst wie «öffne dich», drückt das sehr gut aus. Andererseits ist jemand, der für alles offen ist, auch nicht ganz dicht. Man benötigt im Gehirn auch einen Spamfilter, der Untaugliches ausscheidet.
Woher schöpfen Sie Ihre innovativen Ideen?
Ich kombiniere und /oder übertrage zum Beispiel physikalische Gesetzmässigkeiten mit Grundsätzen aus anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen. Manchmal stosse ich auf Hindernisse. Oder gar auf die wissenschaftliche Meinung, dass bestimmte Vorgänge überhaupt nicht funktionieren können. Dann suche ich Argumente dafür, dass es trotzdem geht, statt Argumente dafür, dass es nicht geht. Das betrachte ich als allgemeinen Grundsatz für Wirtschaft und Politik.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Als ich den Faserverbundkunststoff Hot Polymer CF 273 entwickelte, meinten die Wissenschaftler, dieser liesse sich aus physikalischen Gründen nicht so herstellen, wie ich es mir vorstellte. Wir probierten es aus, und es funktionierte. Den Grund dafür fanden wir auch: Die Kunststoffschmelze des thermoplastischen Faserverbundkunststoffes verhielt sich im Faser-Matrix-Verbund atypisch, was letztlich die gewünschte Produktion möglich machte. Das wusste man vorher nicht und es zeigt: Die Praxis geht vor Computermodellen.
Was ist das Innovative bei Hot Polymer?
Bei Hot Polymer lässt sich Wärme ebenso gut ableiten wie bei Aluminium, deswegen könnte man es beispielsweise als Computerhülle verwenden, um Softwareausfälle durch Hitzestaus zu vermeiden. Man kann diesen Kunststoff im Spritzgussverfahren verarbeiten; das erfordert wesentlich weniger Herstellkosten als beim Aluminium.
In einem Interview haben Sie das Zwicky-Modell erwähnt. Was verstehen Sie darunter und wie wenden Sie es an?
Fritz Zwicky studierte Anfang des vorigen Jahrhunderts an der ETH Zürich und war auch Student bei Albert Einstein. Dieser soll ihm einmal gesagt haben, mit seiner Querdenkerei brächte er es als Wissenschaftler zu nichts. Und das hat ihn angestachelt. Mit seinem morphologischen Kasten hat Fritz Zwicky eine mehrdimensionale Matrix entwickelt, um komplexe Problemstellungen zu lösen. Ganz wichtig dabei ist, dass man aus den eigenen Denkmustern ausbricht und das Undenkbare denkt, nur dann entsteht etwas Neues, das zu einem Ziel führt. Daher auch der Spruch: «If it is tricky, call Zwicky.» Allerdings reicht es meiner Ansicht nach nicht, dass man zum Beispiel seinen morphologischen Kasten, so wie in den Lehrmitteln beschrieben nur im mechanischen Sinne anwendet. Vielmehr scheint mir die zugrundeliegende offene Denkhaltung relevant zu sein. Das heisst, dass die Probleme mit der grösstmöglichen Vorurteilslosigkeit und Loslösung von Konventionen angepackt und das gesamte Spektrum an denkbaren Lösungen abgedeckt werden soll.