Interviews

Interview mit Caroline Studer

«Immer mehr Regulierungen machen Produkte ohne Mehrwert teurer»

Caroline Studer, CEO und Delegierte des Verwaltungsrates der M. Opitz & Co. AG, über den unternehmerischen Pioniergeist im Familienunternehmen, Umweltverantwortung als Kosmetikhersteller und den Nutzen der Digitalisierung.
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Die M. Opitz & Co. AG wurde im Jahr 1938 von Emilia Opitz gegründet; mit Ihrer Eigenmarke Mila d’Opiz erinnern Sie an Ihre Grossmutter. Mittlerweile ist mit Ihrer Tochter die vierte Generation im Unternehmen angekommen. Frau Studer, wie haben Sie die unterschiedlichen Nachfolgeprozesse erlebt?
Meine Grossmutter ist in der Nachkriegszeit gross geworden und hat in einer äusserst schwierigen Zeit eine Firma gegründet und aufgebaut. Sie hat zudem ihrer halben Verwandtschaft eine Arbeit und somit ein Einkommen ermöglicht. Sie war hart, streng, hat alles von ihren Angestellten gefordert, war andererseits aber fair und hilfsbereit. Meine Grossmutter hat die Nachfolge schon sehr früh in Angriff genommen und die Firma meinen Eltern übergeben, als die beiden noch nicht 30 Jahre alt waren. Die vollständige Übergabe von meinen Eltern zu mir ist erst dieses Jahr erfolgt, war nicht ganz einfach. 

Und wie hat sich im Laufe der Jahrzehnte der Führungsstil verändert?
Der Führungsstil hat sich ganz klar vom Einzelkämpfer zum Teamplayer verändert.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Unternehmen über mehr als 80 Jahre nur von Frauen geleitet wird. Hatten Ihre Grossmutter und Mutter zur damaligen Zeit auch Schwierigkeiten oder war es eher von Vorteil?
Ich denke, dass sich die Vor- und Nachteile aufgehoben haben. Den Pionierinnen wurde damals eine hohe Achtung und Wertschätzung entgegengebracht, auf der anderen Seite wurden sie aber auch oft geflissentlich übersehen oder einfach nicht berücksichtigt, da das Unternehmertum ganz in Männer­händen war.

Sie stellen kosmetische und pharmazeutische Produkte her. Die Branche muss sich immer mal wieder mit Vorstössen bezüglich Umweltbelastungen und Tierversuchen auseinandersetzen. Ihr Unternehmen arbeitet ja tierversuchsfrei. Gibt es überhaupt noch Tierversuche in der Kosmetikbranche? Und wenn ja, haben Sie als tierfreundliches Unternehmen einen Vorteil?
Tierversuche sind schon lange verpönt und werden vordergründig nicht mehr gemacht. Wir kaufen keine Rohstoffe ein, von denen wir wissen, dass Tierversuche dahinterstecken. Aber wir können nicht 30 und mehr Jahre zurück recherchieren. Heute kann man sich eigentlich nicht mehr blicken lassen, wenn man nicht tierversuchsfrei ist. Somit haben wir keinen Vorteil, das ist ein Muss.

Und zur Umweltfrage: Kosmetik war lange Zeit für die Umwelt ein Problem, weil sie ins Abwasser gelangte. Für die Entfernung von Hormonen aus dem Abwasser wurden Verfahren erst in den letzten zehn Jahren
entwickelt. Wie beurteilen Sie dieses Problem?

Kosmetikteile gelangen auch heute noch ins Wasser, das kann nicht verhindert werden. Daher ist es äusserst wichtig, dass umweltbelastende Roh- und Hilfsstoffe weggelassen oder durch unschädliche ersetzt werden.

Spielen solche Dinge, wie Tierversuche oder auch Umweltproblematiken, eine Rolle in Ihrer Kom­munikation?
Wie gesagt, mit tierversuchsfrei können wir kaum mehr punkten, so weit sind eigentlich alle anderen auch. Mit der Nachhaltigkeit aber schon. Wir heizen mit Fernwärme, machen unseren sauberen, weissen Dampf selber, produzieren somit CO2-neu­tral, recyceln unser Abwasser und kaufen sowohl Verpackung wie auch Rohstoffe wo immer möglich in der Umgebung beziehungsweise dem nahen Ausland ein.

In Ihrem Unternehmen werden die Reststoffe recycelt. Wie funktioniert das? 
Eigentlich gibt es keine Reststoffe, da wir sämtliche Teile der Roh- und Wirkstoffe verarbeiten. Das Schmutzwasser bereiten wir wieder auf.

Und welchen Stellenwert messen Sie generell dem Thema Nachhaltigkeit bei?
Dieser Stellenwert wird immer grösser. Die Menschen sind bereit, mehr zu bezahlen, wenn die Nachhaltigkeit der Produkte gewährt ist und sie sicher sein können, dass die Rohstoffe «gesund» gewonnen worden sind und die Verpackungen in Fa­briken mit guten Bedingungen hergestellt werden.

Kommen wir zu Ihren Produkten. Zunächst: Die Hormoncreme Ihrer Grossmutter war der Starter für die Unternehmensgründung. Hat sich an der Creme oder auch anderen traditionellen Produkten im Laufe der Jahrzehnte etwas verändert?
Extrem stark, die Zusammensetzung von früher würde heute nicht mehr zugelassen. Früher hat es niemandem etwas aus­gemacht, sich tierische Wirkstoffe ins Gesicht zu geben, heute würden die Menschen uns verklagen. Unsere heutige Hormoncreme besteht zu 100 Prozent aus pflanzlichen Vitaminen und Wirkstoffen, ist also – abgesehen von den Emulgatoren – natürlich, organisch, eigentlich vegan.

Woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe?
Die meisten Hightechwirkstoffe beziehen wir aus der Schweiz. Es gibt aber auch Rohstoffe, die von weit herkommen. Sämtliche Lieferanten sind von uns zertifiziert und wir wissen, wo sie produzieren und unter welchen Bedingungen.

Zu welchem Anteil produzieren Sie Ihre Waren selber und wo?
Wir kaufen nur die Rohstoffe ein. Die Kreationen stammen alle aus unserer Forschung & Entwicklung und sämtliche Bulks werden in St. Gallen in unserer Produktion hergestellt.

Kurze Zwischenfrage: Was sind Bulks?
Ein Bulk ist ein steriles Fass, in dem die Creme gelagert wird, bevor man sie in die Dosen oder Tuben abfüllt.

Welches sind Ihre neuesten Innovationen, und sind in Ihrer Branche bestimmte Trends auszumachen?
Das sind sicherlich unsere Stammzellenprodukte wie auch unsere vegane Linie, die mit komplett neuen Wirkstoffen kreiert worden ist.

Wie schützen Sie Ihre Innovationen?
Durch verschlüsselte Rezepturen.

Zu einem überwiegenden Teil gehen Ihre Produkte ins Ausland. Wie ist in dieser Hinsicht der Absatz aufgeteilt, und in welchen Ländern sehen Sie noch Potenzial?
Wir haben einen Exportanteil von circa 85 Prozent. Da zum Glück nun auch die Dach-Länder immer mehr auf Qualität, Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit setzen, werden unsere Schweizer Produkte besser in diesen Ländern verkauft. Im Nahen Osten und in Saudi Arabien sowie in den USA gibt es noch sehr viel Potenzial.

Welche Produkte sind bei Frauen und Männern im Moment besonders beliebt?
Leichte, effektive Seren und Fluids. Die Skin-Whisperer-Pro­duktelinie und die Concentrate erfüllen jeden Anspruch.

Gibt es da länderspezifische Unterschiede?
Sicher. Das hat vor allem mit dem Wetter, den Bedürfnissen und der Bereitschaft, Geld für hochwertige Kosmetik auszugeben, zu tun.

Wie setzen Sie sich durch gegen die internationale Konkurrenz?
Mit gleichbleibender Qualität, konsequenter Überarbeitung sämtlicher Rezepturen im Fünf-Jahres-Rhythmus und unserer Schnelligkeit und Zuverlässigkeit.

Sie bieten auch Beratung und Dienstleistungen an? Welche sind da besonders gefragt und von wem?
Da wir hauptsächlich in Fachgeschäften verkaufen, stehen auch immer gut qualifizierte Personen zur Verfügung, die die Vorzüge und die Wirkung der Produkte erklären können. Zu diesen Dienstleitungen gehören auch die Schulungen im Anwendungsbereich.

Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen, und in welchen Bereichen nutzen Sie diese?
Alles, was bei uns ins Haus kommt, wird als Wareneingang erfasst und ist somit digitalisiert. Jeder unserer Rohstoffe, jedes Packmittel, jedes Fertigprodukt muss rückverfolgbar sein. Auch die Produktion und die Konfektion sind über die IT gesteuert. Passieren bei der Bulkproduktion Fehler, stoppt deren Computer den Prozess. 

In welche Richtung wird die digitale Transformation noch führen beziehungsweise welche Folgen wird sie auf Ihr Unternehmen und die Branche haben?
Wir haben noch Nachholbedarf in der Konfektion und der Spedition. Da sind Bestrebungen im Gang, diese Prozesse mit Scannern noch zu verbessern. Optimieren könnte man auch noch mit Algorithmen bei den Abfüllmaschinen, damit man schon viel früher bemerkt, wenn Maschinenteile kurz vor dem Kollaps sind. Ein grosses Thema ist die virtuelle Intelligenz, die physische Anwesenheiten zum Beispiel an Schulungen überflüssig machen könnte.

Was halten Sie vom revidierten Datenschutzgesetz sowie von der EU-Datenschutz-Grundverordnung? 
Wie es meistens mit Gesetzen ist, würde das Gute in der Mitte liegen. Wir sind bereits überreguliert und unsere Branche tendiert dazu, den Bogen zu überspannen.

Ein Dauerbrenner in der wirtschaftspolitischen Diskussion sind die Vereinbarungen zwischen der EU und der Schweiz bezüglich eines möglichen Rahmenvertrages. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich möchte mich politisch nicht äussern. Wir brauchen die EU, sind in vieler Hinsicht abhängig von den diplomatischen Ver­bindungen. Wir haben eine EU-Adresse, damit wir unsere Produkte auch in der EU verkaufen können.

Noch eine Frage zur aktuellen Situation: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Ihr Unter­nehmen und wie gehen Sie damit um?
Da wir – wie bereits erwähnt – hauptsächlich in Fachgeschäften operieren, haben uns die verschiedenen Lockdowns sehr hart getroffen. Hightech-Luxuskosmetik kann man nur beschränkt per Internet verkaufen. Die Kunden und Kundinnen wollen teure Produkte zuerst ausprobieren, was man per Onlineshop schlicht nicht kann.

Frau Studer, eine letzte Frage: Wie bewerten Sie den Standort Schweiz? In welchen Bereichen sehen Sie die Schweiz gut aufgestellt, und wo sehen Sie Optimierungsbedarf?
Da wir hochwertige Qualitätsprodukte kreieren, herstellen und abfüllen, ist der Standort Schweiz für uns optimal. Swiss made ist zu einer Marke geworden, die weltweit gerne gesehen und gekauft wird.

Damit unsere Qualität gleichbleibend auf diesem hohen Niveau bleibt, benötigen wir hoch qualifizierte Personen und einwandfrei arbeitende Maschinen. Jeder muss für seine Branche und Bedürfnisse herausfinden, ob die Schweiz der beste Standort ist oder nicht. Optimierungsbedarf sehe ich in den immer mehr werdenden Regulierungen und neuen Gesetzen. Die machen die Produkte ohne Mehrwert teurer.

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