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Interview mit Martin A. Messner

«Es wäre ein Fehler, Konzernstrukturen aufzubauen.»

Martin A. Messner, CEO der Nüssli-Gruppe, über Konfliktmanagement in der Nachfolgeregelung, den Führungskodex in mittelständischen Unternehmen und die Organisation von Grossprojekten.
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Herr Messner, Sie kamen im März 2014 neu als CEO zur Nüssli-Gruppe. Die Führung des Unternehmens lag bis dahin über mehrere Generationen fest in Familienhand. Welche Verhaltensregeln sind Ihnen wichtig?

Am Anfang steht der Respekt vor der bisherigen Führung und ihren Leistungen. Meine Aufgabe besteht darin, das bisher Erreichte zu analysieren und umsichtig weiterzuentwickeln. Einerseits muss die Nachfolge geregelt werden und andererseits muss die Firma in Zukunft wachsen können, um ihren Erfolg auszubauen. Dabei muss ich verschiedenste Aspekte berücksichtigen: Die Potenziale des Unternehmens sowie die Interessen der Mitarbeitenden und Aktionäre.

Wie gehen Sie Ihre Aufgabe konkret an?

Bei Nüssli gab es zwischen dem Hauptaktionär und dem Verwaltungsrat während vieler Jahre Meinungsverschiedenheiten, welche die gedeihliche Entwicklung des Unternehmens beeinträchtigten. Dieser Konflikt musste konstruktiv und ohne Schuldzuweisungen gelöst werden, indem sich die bisherige Geschäftsleitung aus dem operativen Geschäft zurückzog. Aktionäre und Verwaltungsrat halten nun der neuen Geschäftsleitung den Rücken frei. Natürlich mussten wir schrittweise vorgehen und zuerst die operativen Probleme lösen, denn Anfang dieses Jahres verliessen 40 Mitarbeiter das Unternehmen. Diese konnten wir nicht so einfach durch neue ersetzen.

Man hört, dass Sie auch mit den ehemaligen Mitarbeitenden wieder zusammenarbeiten. Wie funktioniert das?

In einzelnen wenigen Projekten ist das tatsächlich der Fall. Allerdings suchen wir keine langfristige Zusammenarbeit, denn der Abgang dieser Leute, die sich teilweise an einer neuen Konkurrenzfirma beteiligen, ist aus meiner Sicht äusserst unfair. Dennoch ist es uns bereits innerhalb von fünf Monaten gelungen, das Team wieder zur vollen Leistungsstärke zu ergänzen. Ausserdem haben wir die Geschäfte des deutschen Messebauunternehmens Ambrosius sowie 70 Mitarbeitende übernommen. Auch in der Schweiz haben wir hervorragende Fachkräfte rekrutiert.

Das ist ja einmal ein positives Beispiel für eine Konfliktlösung und einen Neuaufbau. Gibt es Ihrer Ansicht nach ein grundsätzliches Prinzip, um solche Fälle zu lösen oder muss man da immer individuell vorgehen?

Grundsätzlich suche ich bei solchen Entwicklungen immer den positiven Ansatz. Es gibt immer etwas Gutes, ganz unabhängig davon, wie gross das Problem auch sein mag. Wer nur das Schlechte sieht oder für jede Kleinigkeit Juristen bemüht, verschwendet seine Ressourcen und kommt selten zum Ziel. Wie man im Einzelnen vorgeht, ist auch Erfahrungssache. Bei uns gab es viel Positives: Wir haben vertrauensvolle langjährige Kundenkontakte, wir konnten neue Kunden gewinnen und wir sind für die nächsten 12 bis 18 Monate voll ausgelastet. So konnten wir das Geschäft neu aufbauen. Nun sind wir daran, die Umfinanzierung vom bisherigen Hauptaktionär auf einen neuen Ankeraktionär einvernehmlich zu regeln. Dies sollte bis Herbst möglich sein.

Wie schützen Sie Ihre Innovationen?

Vorwiegend mit laufend neuen Innovationen. Damit sind wir unseren Mitbewerbern immer eine Nasenlänge voraus. Deshalb setzen wir ganz klar auf hoch motivierte Mitarbeitende. Wir arbeiten in einem äusserst komplexen Umfeld. In unserer Branche müssen wir künstlerische Ideen mit hohen technischen Anforderungen verbinden. Überzeugende Ästhetik und höchste Sicherheit gehören unzertrennbar zusammen. Hinzu kommt: Das Kopieren einer Idee allein bringt nichts. Denn die Idee muss auch fachgerecht umgesetzt werden können – mit den richtigen Mitarbeitenden und Partnern, die über ganz spezifische Fähigkeiten verfügen. Diese Kompetenzen und das dazugehörige professionelle Projektmanagement lassen sich nicht einfach so «abkupfern».

Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen KMU und Konzernen?

Kleine und mittelgrosse Unternehmen sind überschaubar und benötigen keinen grossen organisatorischen Aufwand. Die KMU, die ich kenne, haben ebenfalls einen klaren ethischen Führungskodex. Sie können rasche Entscheidungen fällen und benötigen keinen riesigen Verwaltungsapparat. Andererseits haben kleine und mittelgrosse Unternehmungen weniger Möglichkeiten in der Entwicklung von Know-how. Oft sind sie für die Errichtung von Weiterbildungsorganisationen und einer ausreichenden internationalen Präsenz einfach zu klein.

Es gibt einen starken Trend der kurzfristigen Gewinn­orientierung, ohne langfristige Folgen zu bedenken. Haben nach Ihrer Erfahrung KMU die Tendenz, besonnener zu planen?

Ja, das ist sogar ein Muss. Nüssli ist eine mittelgrosse Firma mit rund 500 Mitarbeitenden und betreibt internationale Geschäfte. Das heisst, wir müssen unsere Ressourcen gezielt einsetzen. Wir müssen nicht dauernd irgendwelche Zahlen zusammenstellen, die niemand braucht. In unserem Fall wäre es ein Fehler, Konzernstrukturen aufzubauen. Wir können unsere Firma mit sehr einfachen Mitteln führen – und haben dennoch jederzeit den Überblick über die Rentabilität unserer Projekte.

Nüssli ist international stark vernetzt. Welche neuen Märkte peilen Sie an?

China ist ein Thema, weil China nach Deutschland und den USA der drittgrösste Markt für Ausstellungen ist. In diesem Bereich sind wir sehr engagiert, inzwischen auch in Abu Dhabi und Dubai. Weitere Märkte sind in Abklärung. Bei deren Erschliessung brauchen wir Kontaktpersonen, die sowohl mit den Gegebenheiten vor Ort als auch mit unserem Geschäft vertraut sind. Und die Gründung einer Niederlassung erfordert Engagement und Ressourcen. Momentan steht die Weltausstellung in Mailand im Vordergrund.

Worauf achten Sie bei der Betreuung internationaler Projekte?

Für uns ist es wichtig, dass wir für die Risiken verantwortlich sind. Das gilt insbesondere bei der Zusammenarbeit mit Unterlieferanten. Ein Beispiel: Für die Weltausstellung bauen wir sechs grosse Pavillons. Es wird mit 20 Millionen Besuchern gerechnet. Weil für uns die Sicherheit an oberster Stelle steht, lassen wir sämtliche Unterlieferanten von der Schweizer Botschaft überprüfen.

Wie lange dauert es, einen Anlass in dieser Grössenordnung vorzubereiten?

Bereits heute arbeiten wir für Grossanlässe, die 2016 und 2019 stattfinden. Wir sind aber auch in der Lage, die Infrastruktur für einen Anlass sehr schnell bereitzustellen. Dabei können wir unsere Kunden optimal unterstützen. Denn wir verfügen über eine spezialisierte Abteilung, welche die Organisationskomitees umfassend unterstützt – bei der Vorbereitung und Planung, aber auch bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen. Eine besondere Spezialität ist die Erstellung von Machbarkeitsstudien, um herauszufinden, ob es unter den Gegebenheiten vor Ort möglich ist, einen Anlass in der gewünschten Form durchzuführen.

Wie gehen Sie mit den Risiken bezüglich der Unternehmenssicherheit um?

Wir verfügen über strenge Sicherheitsrichtlinien. Unsere Statiker arbeiten eng mit Sicherheitsfachleuten zusammen, die auch die Vorschriften des jeweiligen Landes kennen. Die Bauten und das Material müssen zertifiziert sein, das ist Voraussetzung für eine Versicherung. Darum pflegen wir einen engen Kontakt mit den Versicherungsgesellschaften.

Wie arbeiten Sie mit Personal und Unternehmen vor Ort zusammen?

Wir legen grossen Wert darauf, dass das Gewerbe vor Ort – und damit auch die Bevölkerung – von unserer Arbeit mitprofitiert, dies natürlich in Absprache mit dem Auftraggeber. Ganz in diesem Sinne engagieren wir für einen Teil der Arbeit Unternehmen und Mitarbeitende vor Ort. Die Bauleitung und die spezialisierten Arbeiten erfolgen aber durch Mitarbeitende von Nüssli. Zusätzlich engagieren wir jeweils lokale Rechtsberater, zum Beispiel für Bewilligungen.

Wer finanziert solche gross angelegten Projekte im Ausland?

In der Regel ist das jeweils der Auftraggeber. Dieser wird dann häufig noch durch Sponsoren oder auch durch die öffentliche Hand unterstützt. Der Schweizer Pavillon an der nächsten Weltausstellung wird beispielsweise vom Bund finanziert. Und weil beim Pavillon das Thema «Nahrungsmittel» im Mittelpunkt stehen soll, wird das Projekt von den Sponsoren aus der Nahrungsmittelbranche fachlich, materiell und auch finanziell unterstützt.

Wie organisieren Sie bei der Nüssli-Gruppe den Bereich Sicherheit und Umwelt?

Das Umweltmanagement wird auch für uns immer wichtiger. Da unsere Veranstaltungen aber meistens vorübergehend stattfinden, werden die temporären Gebäude und Pavillons nachher wieder abgebaut. So können wir viel Material auch noch für spätere Anlässe nutzen, was zur Nachhaltigkeit und der Schonung der Ressourcen beiträgt. Vor allem sind aber unsere flexiblen Bausysteme für die unterschiedlichsten Projekte nutzbar. Darüber hinaus vermeiden wir mit unseren temporären Bauten permanente und überdimensionierte Bauruinen. Solche Ruinen können für das jeweilige Standortland zu einer gros­sen finanziellen Belastung führen.

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