Herr Dr. Geistlich, Ihr Unternehmen ist seit 1851 im Familienbesitz. Begonnen hat alles mit einer Leim produzierenden kleinen Firma in Zürich. Die Entwicklung ging, wie es Ihre Chronik beschreibt, vom Knochen- und Gewebeverarbeiter zum international gefragten Regenerationsexperten. Was ist unter einem Regenerationsexperten zu verstehen?
Die regenerative Medizin will defekte Teile des Körpers wiederherstellen. Dieses Prinzip kann auf Zellen, Gewebe oder auf Organe angewendet werden. Geistlich Pharma hat einen starken Fokus auf die Regeneration von Geweben. Das heisst, wir wollen mit biologischen Matrizen dem Körper helfen, sich selbst zu heilen.
Welche Branchen zählen zu Ihren Abnehmern respektive Zielgruppen?
Unsere Produkte kommen bei Zahnchirurgen, Sportchirurgen und Dermatologen zum Einsatz. Auch klassische Pharmazie findet man bei uns: in den Bereichen Infektionsbekämpfung bei der Dialyse und in der Onkologie.
Welche Produkte sind derzeit am meisten gefragt und welches sind die Hauptumsatzträger?
Unsere Produkte für den Knochen- und Weichgewebeaufbau sind in der Oralchirurgie marktführend.
Sie arbeiten mit Naturmaterialien? Wie setzen Sie diese ein?
Wir reinigen tierisches Gewebe dergestalt auf, dass es geeignet ist, dem menschlichen Körper als Leitschiene für neues Wachstum zu dienen. So werden Rinderknochen in einem zweiwöchigen Prozess zu «Geistlich Bio-Oss», unserem Flaggschiff für die Knochenregeneration. Kollagene vom Schwein werden zur schützenden Membran «Geistlich Bio-Gide» oder zu volumenbildenden Strukturen wie «Geistlich Mucograft» für die Zahnfleischregeneration, «Geistlich Derma-Gide» für Wundheilung oder «Geistlich Chondro-Gide» für den Knorpelaufbau im Gelenk.
Wo lassen Sie Ihre Produkte produzieren?
Wir produzieren sehr vieles selbst, hier in der Schweiz. Der Standort Schweiz ist für uns ideal, denn er verkörpert unseren Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und höchste Qualität. Es gibt hier ein starkes Pharma- und Medtech-Netzwerk und viele gut ausgebildete Leute.
Wie ist Ihr Unternehmen strukturiert und welche Voraussetzungen beziehungsweise Ausbildungen müssen die Mitarbeiter in den entsprechenden Bereichen mitbringen?
Die vertikale Integration bei Geistlich ist sehr hoch. Sie reicht von Beschaffung, Logistik und Produktion über Forschung, Produktregistrierung bis hin zu Verkauf und Schulung. Mechaniker halten die Maschinen in Schuss und IT-Leute kümmern sich um unsere moderne IT-Infrastruktur. Ein Küchenteam hält die Mannschaft bei guter Laune. Das heisst, wir beschäftigen Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Profilen. Häufig bilden wir auch interdisziplinäre oder internationale Teams. Deshalb ist Teamfähigkeit bei uns gerade so wichtig wie eine solide Ausbildung oder ein attraktiver Werdegang.
Wie ist Ihr Vertrieb organisiert?
Die verschiedenen Märkte betreuen wir mit eigenständigen Business Units. Die meisten Produkte verkaufen wir weltweit über unsere zwölf Tochtergesellschaften und über ein grosses Netz von Distributoren und Agenten.
Die Geistlich Pharma AG hat auch eine Niederlassung in China. Wie würden Sie dort die aktuelle Lage beurteilen?
Wir gründeten unsere Tochtergesellschaft in China im Jahre 2008. Schon damals, während der Olympischen Spiele, war die Aufbruchstimmung greifbar. Heute gehört China zu unseren grössten Absatzmärkten. Die Entwicklung ist gewaltig. Für gut positionierte Produkte ist der chinesische Markt sehr attraktiv. Dies ist eine Chance für Europa und vor allem auch für die Schweiz. Auf der anderen Seite ist die Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten ein Risiko für die Versorgung mit Verbrauchsgütern und – wie man in der Corona-Krise gesehen hat – auch für unser Gesundheitswesen.
Und wie laufen die Geschäfte mit Amerika?
Die USA sind einer der wichtigsten Märkte im Gesundheitswesen und auch einer der drei grössten Märkte von uns. Entsprechend ist er sehr dynamisch und umkämpft. Mittlerweile sind Zulassungen für neue Medizinprodukte in den USA schneller zu erreichen als in Europa, weshalb wir neue Produkte vermehrt zuerst in den USA lancieren werden.