Herr Dr. Rennhard, Sie haben nach eigener Aussage die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen stark forciert. Was heisst das konkret und wie umschreiben Sie den aktuellen Entwicklungsstand?
Unser Vorteil als Automationsspezialist ist, dass wir alle Kompetenzen im eigenen Hause haben: Datenbankanbindungen, Energieverbrauchauswertungen, Kommunikationsnetze in der Firma, aber auch zu Kunden über sogenannte Monitoring- oder Remote-Access-Systeme. Da verfügen wir über einen Vorsprung von mehreren Jahren gegenüber dem konventionellen Maschinenbauer, der zum Beispiel eine Steuerung «ab Stange» kauft und sie mit einem Standard-HMI, Human Machine Interface, zum Laufen bringt. Bei LCA wird das HMI kundenspezifisch entwickelt. Dazu gehört eine Auswertung, die sich über die ganze Anlage erstreckt. Unser HMI ist ein Touchscreen, mit welchem die Anlageninformationen auf mehreren Ebenen kommuniziert werden können: zum einen auf der Bedienerebene mit Produktionsinformation, wie Typ, Stückzahlen, Ausschussraten. Dann auf der Werksleiterebene mit Informationen zu Produktivität, Vergleich pro Schicht, Zukunftsplanung und auf speziellen Ebenen für die Software, etwa das Auslesen von Fehlerspeichern und so weiter.
Sehen Sie Ihr Unternehmen hier als Vorreiter?
Ja, eigentlich schon. Denn viele der Inhalte, die uns seit Jahren prägen, bezeichnet man heute als Industrie 4.0. Für uns ist das nicht sehr neu. Neu hingegen sind in der Umgebung das verbesserte Internet weltweit, die Datenübertragungs-Geschwindigkeit sowie alltägliche Geräte wie die Smartphones, mit denen es gelingt, in einer sehr guten Auflösung Grafiken darzustellen.
Welche handfesten Anwendungen der Digitalisierung hat LCA beispielsweise?
Wir haben Anlagen, wo Produktionskennzahlen auf eine Datenbank geschrieben werden, und eine Software, die Zahlen statistisch auswertet. Damit wird die Prozessbeherrschung dokumentiert. Das ist eine typische Anwendung. Prozesskontrolle führen wir seit einiger Zeit mittels Auswertung der Antriebsdaten von Antrieben und visuellen Kontrollen durch Kameras durch. Die heutigen Geräte, allen voran Tablets, bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, diese Daten darzustellen und auszuwerten.
Und auf welchem Stand sind Ihre Kunden?
Unsere Kunden sind die Treiber des Ganzen. Wir liefern sehr viel in die Automobilindustrie. Dort sind die Datenrückverfolgbarkeit, die Auswertung der Produktivität und die Prozessentwicklung sehr wichtig. Rückverfolgbarkeit wegen Haftungsfragen, Produktivität wegen Kostendruck und Prozessentwicklung wegen der kontinuierlichen Verbesserung.
Wie weit ist die Schweiz im Vergleich zum Ausland Ihrer Einschätzung nach?
Wir haben in der Schweiz eine solide Basis dank gut ausgebildeten Leuten mit Berufsbildung oder Hochschulbildung. Viele Mitarbeitende sind zudem mehrsprachig. Bei LCA sind die meisten Mitarbeitenden drei- bis viersprachig – früher vom Migrationshintergrund her eher italienisch und spanisch sprechend, heute vermehrt auch in slawischen Sprachen. Wir finden jetzt sogar Leute, die in der Schweiz leben und chinesisch sprechen. Deren Verfügbarkeit ist sicher ein Vorteil.
Wie beurteilen Sie die Fördermassnahmen in der Initiative «Industrie 4.0» durch die Verbände, die Schulen und die Politik?
Swissmem hat gute Ansätze mit der Initiative «Industrie 2025». Handlungsbedarf für die Verbände sehe ich bei jenen Personenkreisen, die wir als Betrieb direkt nicht erreichen können. Ich meine Schüler im jungen Alter. Verbände in bestimmten 4.0-Wirkungsgebieten sollten aktiv werden im Sektor Informatik. Ein Informatiker ist in der Regel kein Programmierer. Wir müssen die Gesellschaft deshalb sensibilisieren, dass Industrie 4.0 sehr gute Programmierer braucht. Informatik hat bekanntlich mehrere Facetten, zum Beispiel System-Betreiber mit Supportfähigkeit oder Troubleshooter. Der Programmierer dagegen hat beispielsweise die Fähigkeit, eine mathematische Gleichung in ein Programm zu übersetzen. Es sind in der Regel Berufsleute oder Akademiker mit Zusatzausbildung. Diese Sparte müssen wir fördern. Informatik generell, auch das Programmieren, ist beliebt, weil der Beruf einen guten Sozialstatus hat.