Interviews

Interview mit Andreas Stehrenberger

Die virtuelle Kreditkarte als Bezahlsystem der Zukunft

Andreas Stehrenberger, Geschäftsführer von Air Plus Schweiz, über Kreditkartensysteme für das Business Travel Management, die Digitalisierung im Zahlungsverkehr und Sicherheit bei Geschäftsreisen.
PDF Kaufen

Herr Stehrenberger, Sie sind vor gut zwei Jahren von American Express Global Business Travel als Geschäftsführer zu Air Plus gekommen. Was hat Sie dazu bewegt, von einem Travel-Management-Unternehmen zu einem Finanzdienstleister zu wechseln?
Es gab mehrere Beweggründe, die zu diesem Wechsel geführt haben. Zum einen hat es mich gereizt, die Geschicke des Marktführers im Bereich Zahlungsdienstleister in der Reiseindustrie zu übernehmen und zum anderen die erfolgreiche Entwicklung von Air Plus in der Schweiz weiter fortzuführen respektive weiter auszubauen mit neuen und innovativen Lösungen sowie Produkten.

Air Plus International AG ist eine Tochtergesellschaft der Lufthansa Air Plus Servicekarten GmbH. Was sind die historischen Hintergründe dieser Firma?
1936 entwickelten die Fluggesellschaften die erste Kreditkarte der Welt, die sogenannte UATP-Karte. Dies ist die Bedeutung der ersten Zahl der Kreditkartennummer – UATP-Nummern beginnen mit 1. Diese zeigt die historische Reihenfolge, in der die Kreditkartendienstleister sich am Markt beteiligten. Man wollte mit der UATP-Karte den Einkauf von Kerosin für die Piloten vereinfachen. Früher mussten diese ganze Notenpakete auf ihre Flüge mitnehmen. Das Netzwerk Universal Air Travel Plan (UATP), ein Netzwerk von Fluggesellschaften, hat die Air Plus als Kreditkartenunternehmen gegründet, damit es sich professionell um die Zahlungsvorgänge kümmern kann.

Wie werden Reisen mit Air Plus abgerechnet?
Jede Reise beginnt mit der Buchung der entsprechenden Verkehrsmittel. Dazu wird der Air Plus Company Account, auch Reisestellenkarte genannt, im Reisebüro, bei der Reisestelle, im Online-Buchungssystem oder direkt beim Leistungserbringer hinterlegt. Anschliessend kann die Reise wie gewohnt gebucht werden. Alle Kosten für Verkehrsmittel werden automatisch über den Air Plus Company Account abgerechnet. Basierend auf der Reisestellenkarte, gibt es die Air Plus AIDA Virtual Card, die wir in Zusammenarbeit mit Mastercard anbieten. Mit der virtuellen Kreditkarte kann der Geschäftsreisende Reiseleistungen weltweit bezahlen.

Die virtuelle Kreditkarte von Air Plus ist eine digitale Version einer Mastercard-Kreditkarte, die jeweils nur für die Zahlung einer festgelegten Reiseleistung erstellt wird. Jede Kartennummer lässt sich auf den jeweiligen Verwendungszweck begrenzen und mit Limit und Gültigkeitszeitraum versehen. Man kann die Karte so programmieren, dass sie nur einmal verwendbar ist, dies erhöht die Sicherheit. Die betreffenden Beträge werden dem Kunden in Rechnung gestellt. Mit der UBS Visa Corporate Card Air Plus können alle während der Reise anfallenden geschäftlichen Aufwendungen, zum Beispiel bei Autovermietern, in Hotels, Restaurants usw., bezahlt werden. Sie ist weltweit einsetzbar und verhilft Travel-Managern zu noch mehr Kontroll- und Auswertungsmöglichkeiten bei allen Reisekosten. Noch in diesem Jahr werden wir eine eigene Corporate Card, die eine Plastikkarte ist, herausgeben, zunächst mal für Frankreich.

Air Plus entwickelt die erwähnte einheitliche Corporate Card für 19 europäische Märkte. Wann ist die Karte verfügbar und welche Vorteile bringt sie neben dem höheren Internationalisierungsgrad?
Wir erweitern unser Portfolio um die European Corporate Card Solution. Die neue Kartenlösung unterstützt in Europa tätige Unternehmen und ihre Mitarbeiter dabei, Geschäftsreisen effizienter durchzuführen und zu steuern. Die European Corporate Card ist ab November 2018 zunächst in Frankreich verfügbar. Bis Ende 2019/Anfang 2020 wird sie in 18 weiteren europäischen Ländern verfügbar sein: Neben Deutschland gehören dazu Belgien, Dänemark, Finnland, Grossbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechien und Ungarn.

Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern mit der European Corporate Card Solution eine flexible, sichere, komfortable und weltweit einsetzbare Bezahllösung für geschäftliche Ausgaben auf Reisen. Unternehmen und ihre Mitarbeiter geniessen damit in allen 19 europäischen Ländern künftig einen einheitlichen Service. Statt verschiedener nationaler Bankenpartner ist Air Plus der zentrale Ansprechpartner für alle Belange, was Unternehmen zahlreiche Arbeitsschritte erleichtert. Geschäftsreisende profitieren unterwegs nicht nur von einem umfassenden Versicherungsschutz und dem lokalen Air-Plus-Kundenservice, sondern auch von der grossen Akzeptanz im Mastercard-Netzwerk. In 210 Ländern und Gebieten weltweit können Reisende an über 44 Millionen Mastercard-Akzeptanzstellen mit der Karte bezahlen.

Wer entwickelt heute bei Ihnen die Innovationen?
Wir beschäftigen ein Creative Team, das immer neue Ideen entwickelt, diese der Geschäftsleitung präsentiert und nachher umsetzt. Das ergibt für uns einen Marktvorteil, auch wenn andere Unternehmen uns imitieren. Die virtuelle Kreditkarte zum Beispiel ist eine Entwicklung von Air Plus. Heute haben wir in diesem Bereich das grösste Wachstum. Sie wird laufend verbessert, vor allem im Sicherheitsbereich, sodass Missbräuche immer schwieriger werden.

Ist zu erwarten, dass Kreditkarten in Zukunft nur noch virtuell betrieben werden?
Das erwarten wir. Zum Beispiel haben wir eine App namens «Dine and Go» entwickelt, damit kann man in bestimmten Restaurants buchen und bezahlen, vor allem in Deutschland. Die Rechnung wird direkt auf die Reisestellenkarte abgebucht und man kann den Zahlungsprozess selber auslösen. Der Kunde kommt somit nie mit einer physischen Kreditkarte in Kontakt. Der ganze Bezahlvorgang wird virtuell und unsichtbar abgewickelt.

Sind herkömmliche Kreditkarten wie etwa die von Visa oder Mastercard heute eigentlich noch sicher?
Ja, absolut. Man hat inzwischen sehr hochstehende technische Payment-Card-Standards für die Sicherung entwickelt. Ein Beispiel: Reisebüros übermitteln den Hotels Kreditkartennummern, früher die ganze Nummer, heute muss diese maskiert werden, das heisst die wichtigen Stellen werden durch ein X ersetzt. Ein Hacker kann mit dieser Zahl nichts anfangen. Eine Kreditkarte ist weltweit immer noch sicherer als Bargeld. Wird die Karte missbraucht, können die Kunden die Belastung zurückweisen und man wird nicht auf dem Schaden sitzen bleiben. Oft ist es so, dass die Fehlbuchung offensichtlich ist, zum Beispiel an einem anderen Ort vorgenommen wird als der Kunde sich befindet. Natürlich müssen die Kunden die notwendigen Vorsichtsmassnahmen treffen, zum Beispiel den Pin-Code geheim halten.

Wer kontrolliert die Kreditkartenunternehmen?
Diese unterstehen der Finma und zwar indirekt über eine Selbstregulierungsorganisation (SRO). Diese stellt sicher, dass wir uns an das Geldwäschereigesetz halten. Die Finma kontrolliert aktiv und direkt, ob die SRO die Einhaltung der Geldwäschereivorschriften überwacht. Für unsere Angestellten, die direkt mit dem Geldtransfer zu tun haben, sind Schulungen vorgeschrieben. Es werden laut Vorgaben der zwingenden Vorschriften für die Finma diverse Kriterien überprüft, bevor wir überhaupt ein Unternehmen mit einer Kreditkartenlösung bedienen dürfen. Dies ergibt natürlich einen grösseren bürokratischen Aufwand.

Welche Rolle spielt für Sie die Reisesicherheit?
Wir verlassen uns auf die Reiserichtlinien und Hinweise des Bundesamtes. Es ist die Aufgabe der Reisebüros, ihre Kunden über Reiserisiken zu informieren oder Warnungen herauszugeben. Das Reisegeschäft wird zum Beispiel von Terror, so tragisch das ist, nur kurzfristig beeinflusst, hingegen haben die Vulkanausbrüche in Island eine grössere Einbusse hinterlassen und den Tourismus zeitweise fast lahmgelegt. Air Plus sammelt die Daten, die vom Reisebüro kommen, und stellt diese über ein Portal dem Auftraggeber zur Verfügung. So sind Warnungen und Betreuung in Notfällen möglich. Die Arbeitgeber haben eine Sorgfaltspflicht, sie müssen wissen, wo sich ein Mitarbeiter befindet, und ihn wenn nötig warnen oder unterstützen.

Welche Trends gibt es in Bezug auf Geschäftsreisen?
Wir erstellen einmal pro Jahr eine Studie über das Thema Geschäftsreisen, die International Travel Management Study. Dieses Jahr wurden dazu 870 Travel Manager und 2180 Geschäftsreisende in 24 Ländern befragt, also Personen, die sich mit Geschäftsreisen auseinandersetzen. Dieses Jahr wird ganz klar eine Zunahme von Geschäftsreisen erwartet. Der Kursanstieg gegenüber dem Euro verursachte einen kräftigen Impuls für die Exportwirtschaft und sobald diese stimuliert wird, werden auch mehr Geschäftsreisen unternommen und es wird generell mehr in den Verkauf investiert. Die Aufhebung der fixen Untergrenze des Franken-Eurokurses führte zu einem Rückgang von Geschäftreisen.

Muss man nicht gerade bei einer Exportflaute die externen Kunden besonders pflegen?
Das ist richtig, aber die Produkte wurden teurer und die Gewinnmarge geringer. Geschäftsreisen sind das Erste, wobei man kurzfristig sparen kann, ohne dass man im Betrieb viel ändern muss.

Werden Videokonferenzen und ähnliche Techniken dann als Ersatz für Geschäftsreisen genutzt?
Grundsätzlich ersetzen Videokonferenzen die Reisen nicht. Beim Gespräch mit unseren Kunden stellen wir immer wieder fest, dass sie für interne Konferenzen bis etwa eine Stunde gerne diese Technik nutzen, diese ist auf einem hervorragenden Stand und funktioniert auch über Zeitgrenzen hinweg. Schwieriger wird es, wenn mehrere Leute teilnehmen. Der persönliche Kontakt lässt sich nicht durch den Bildschirm ersetzen und wird vor allem bei externen Kontakten immer noch bevorzugt.

Welche Entwicklungen gibt es hinsichtlich Mobilität?
Bis 2016 stellten wir einen Trend zu Billigreisen fest, dieser wurde letztes Jahr gestoppt. Den Grund kennen wir nicht, aber Billigflieger haben Nachteile. Sie sind oft nicht dem Warschauer Abkommen angeschlossen, es gibt Haftungslücken. Bei Verzögerungen, zum Beispiel wegen der Wetterverhältnisse, gibt es bei traditionellen Airlines ein Netzwerk. Beispiel: Wenn die Swiss ausfällt, kann man mit der Lufthansa fliegen, bei Billigflügen muss man auf einen späteren Flug derselben Gesellschaft warten, allenfalls übernachten. Es gibt inzwischen auch bei traditionellen Gesellschaften günstige Möglichkeiten, etwa wenn man kein Gepäck transportieren muss oder wenn man früh bucht.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die bei Geschäftsreisen sparen wollen?
In vielen Firmen fehlt die Kostentransparenz, Buchungen in unterschiedlichen Reisebüros und diverse Zahlungsmethoden sind dafür eine wichtige Ursache. Wir bieten den Unternehmen eine zentrale Finanzierungslösung an. Deswegen ist zu empfehlen, dass man sich möglichst nur für einen Dienstleister beziehungsweise eine zentrale Lösung entscheidet. So verzettelt man sich nicht und gewinnt Marktmacht, sodass man bei Fluggesellschaften, Hotels und so weiter über bessere Konditionen verhandeln kann. Unser Ziel ist, dass die Geschäftsreisekosten für Unternehmen transparent sind.

Porträt