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Interview mit Peter Krummen

«Die Software ist das Herz des Betriebs»

Peter Krummen, Geschäftsleiter und Verwaltungsrat der Transportfirma Krummen Kerzers AG, über die Entwicklung von einer Spedition zu einem Allround-Logistikdienstleister, die Digitalisierung im Güterverkehr und die Anforderungen an ein Umweltmanagement.
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Herr Krummen, Ihre Unternehmenshistorie geht bis zu Ihrem Grossvater zurück. Was hat Sie damals bewogen, das Familienunternehmen fortzuführen?
Mein Bruder und ich führen das Geschäft seit zwanzig Jahren in der dritten Generation. Unser Grossvater war Viehhändler und er brauchte Lastwagen, um die Tiere zu transportieren. Als er die Lastwagen nicht mehr benötigte, fragte er meinen Vater, ob er sie übernehmen wolle. Mein Vater, damals etwa 18 Jahre alt, willigte ein, entschloss sich dann aber, die Lastwagen nur noch für Transporte zu benützen. So wurde die Firma zum reinen Transportunternehmen. Mein Zwillingsbruder und ich mussten dann vor 22 Jahren das Unternehmen unter problematischen Umständen rasch übernehmen. Es gab keinen geplanten Start und es war eine schwierige Zeit. Wir bekamen aber eine starke Unterstützung vom Team und auch von Leuten ausserhalb des Unternehmens.

Wie unterscheidet sich Ihr Unternehmen heute von anderen Transportanbietern?
Transportunternehmen können heute nur noch überleben, indem sie sich auf bestimmte Segmente konzentrieren und in diesen eine hohe Flexibilität entwickeln.

Welche Segmente sind dies?
Eines unserer Gebiete ist der Transport von Lebensmitteln und die ergänzenden Logistik-Dienstleistungen. Ein ganz anderes Segment ist der Pharmatransport.

Wie setzen Sie sich gegen die Konkurrenz durch?
In der Schweiz haben wir nur zwei direkte Mitbewerber. In der Vergangenheit waren wir mit allen unseren Angeboten im internationalen Geschäft tätig. Heute haben wir als Schweizer da weitaus weniger Chancen. Die Konkurrenzunternehmen, zum Beispiel aus Osteuropa, können ihre Transporte um einiges billiger anbieten, sie haben weniger Lohn- und Betriebskosten. Im Pharmageschäft führen wir internationale Transporte immer noch durch, häufig nach Grossbritannien. In dem Segment sind die Kundenanforderungen sehr hoch in Bezug auf Qualität, Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit.

Wird sich mit dem Brexit etwas ändern?
Ich hoffe natürlich, dass dieser keine negativen Auswirkungen haben wird. Es können auch neue Chancen entstehen. Die Schweiz exportiert viele Produkte nach England, zum Beispiel Schokolade oder Pharmaprodukte.

Wie soll sich die Schweiz Ihrer Meinung nach zur Europäischen Union stellen?
Das ist eine schwierige Frage. Als ich noch jung war, zählte ich zu den EU-Befürwortern, aber die Entwicklung der EU in den letzten Jahren beurteile ich skeptisch. Die Schweiz hat einen Status, bei dem wir praktisch Mitglied sind, aber nicht mitreden können. Wir haben aber immer noch unsere Grenzen, das ist ein Vorteil. Ich habe den Eindruck, dass wir im Moment von der EU profitieren.

Wie sind die Transporte in die EU und von der EU in die Schweiz geregelt?
Ausländische Unternehmen dürfen in der Schweiz entweder ein- oder ausladen, innerschweizerische Transporte, zum Beispiel von Winterthur nach Genf, können sie also nicht anbieten. Die Schweizer können innerhalb der Schweiz beliebige Transporte ausführen. Umgekehrt unterliegen wir im Ausland denselben Beschränkungen, wir können Waren zum Beispiel von Deutschland nach Frankreich transportieren, aber keine Lieferungen innerhalb von Deutschland anbieten. Geregelt ist das im «Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse».

Die Eidgenössische Zollverwaltung will bis im Jahr 2026 sämtliche Zollprozesse digitalisieren. Grenzübertritte sollen damit vereinfacht und beschleunigt werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung, und was bedeutet dies für Ihre Branche, respektive Ihr Unternehmen?
Das wird für uns eine Produktivitätssteigerung bedeuten. An unseren Zöllen gibt es immer wieder lange Staus, was mit digitalen Zollprozessen vermieden wird. Man kann auch heute schon den Ablauf optimieren, zum Beispiel mit Binnenverzollung, aber so entstehen Zusatzaufwand und Kosten.

Welche neuen Geschäftsfelder wollen Sie erschliessen?
Wie gesagt, wir waren ursprünglich eine reine Transportfirma. Wir haben viele Stammkunden, wir liefern zum Beispiel Lebensmittel von den Herstellern beziehungsweise Bauernhöfen zu den Grossverteilern. Inzwischen haben wir uns auf dem Gebiet der Lagerung und Logistik weiterentwickelt. Für die Kunden ist es vorteilhaft, wenn sie die vollständigen Dienstleistungen von demselben Unternehmen bekommen. Wenn wir den ganzen Prozess im Griff haben, können wir auch flexibler disponieren und vermeiden, dass unsere Lager oder die der Kunden überfüllt sind oder teilweise leer stehen. Das erleichtert es auch, Transporte effizient und umweltfreundlich zu organisieren.

Sie haben den Green-and-Lean-Preis der GS1 erhalten. Was bedeutet das für Sie?
Wir kannten Green and Lean bereits aus Holland. Der Preis ist eine Anerkennung dafür, dass man bestimmte Verpflichtungen erfüllen will. Wir müssen 20 Prozent des CO2-Ausstosses reduzieren in den nächsten fünf Jahren. Unsere Referenzwerte, die wir auch für einzelne Paletten berechnet haben, beziehen sich auf 2016. Also ist das Ziel bis 2021 zu erreichen, dann erhält man definitiv die Auszeichnung, beziehungsweise das Zertifikat. Zu diesem Zweck haben wir einen Massnahmenplan erstellt. 96 Prozent unseres CO2-Ausstosses wird durch den Dieselverbrauch verursacht, das heisst dieser muss sich verringern.

Wie wollen Sie das erreichen?
Wir führen mit unseren Chauffeuren, die dafür ein Potenzial haben, ein Fahrtraining durch, bei dem sie einen umweltfreundlichen und dieselsparenden Fahrstil erlernen. Neben neuen Anwendungen der Fahrzeugtechnik stehen auch der Fahrzeug-Check und die Wartung auf dem Programm. Ein Fahrercoach betreut ab dem Sommer unsere Chauffeure im Berufsalltag und unterstützt sie mit dreimal wöchentlich stattfindenden Schulungen. Ab 2019 soll auch ein Fahrsimulator für das Training zur Verfügung stehen. Durch diese Massnahmen soll der Treibstoffverbrauch innert drei Jahren um zehn Prozent gesenkt werden.

Worauf achten Sie, wenn Sie neue Fahrzeuge kaufen?
Im Moment brauchen wir keine neuen Autos. Aber wenn wir solche anschaffen müssen, achte ich selbstverständlich darauf, dass sie umweltfreundlich sind und der Benzinverbrauch möglichst niedrig ist. Ich ziehe Elektrofahrzeuge in Betracht, auch wenn noch nicht klar ist, ob sie wirklich umweltfreundlicher sind. Viele Fragen sind noch ungelöst, wie Graue Energie, Material für Akkus und Strombezug. Interessant sind Lastwagen, die mit Flüssigerdgas fahren, dem LNG liquefied natural gas. Diese produzieren fast keine Schadstoffe wie Feinstaub oder «NOx», die gasförmigen Oxide des Stickstoffs.

Was halten Sie von der aktuellen Dieseldiskussion?
Das ist eine politische Diskussion, mit der man den Verkauf von Elektroautos fördern will. Man kann die heutigen Diesel nicht mit denen der 1960er-Jahre vergleichen. Bei der Abgasreinigung von Dieseln hat man in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte erzielt, zum Beispiel mit der «Ad-Blue-Technik». Die Abgase, die solche Motoren einsaugen, sind dreckiger als die, die sie ausstossen. Die Euro-6-Dieselmotoren halte ich für umweltfreundlich.

Ein Containerschiff benötigt gut 10000 Liter Schweröl pro Stunde. Wie könnte man das internationale Transportwesen umweltfreundlicher gestalten?
Die Ansprüche der Konsumenten sind in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Man kauft mit dem Auge, die Tomaten sollen rund und rot sein und die Früchte schön aussehen. Man isst Erdbeeren, Bananen und Mangos im Winter, auch Salat und Blumen kommen dann aus dem Süden. Solange das gewünscht wird, transportiert man Waren. Andererseits habe ich von Studien gehört, die zeigen, dass der Transport von Äpfeln aus Neuseeland nach Europa umweltfreundlicher sei, als einheimische Äpfel den Winter hindurch zu lagern.

Auch wenn lange die politische Absicht vorherrschte, mehr Logistik auf den Schienenverkehr zu leiten, nimmt doch im Gegenteil der Transport auf den Stras­sen deutlich zu. Wie ist das zu erklären?
Kombinierter Verkehr ist über längere Distanzen sinnvoll und für haltbare Waren ohne Ablaufdatum, zum Beispiel Stahl. Lebensmittel lassen sich schwer flexibel mit der Bahn transportieren. Dabei gibt es kaum Zeitspielräume, da geht es um Viertelstunden. Die Kunden müssten den Bahntransport akzeptieren und unterstützen. Beim Pharmatransport übt der Chauffeur eine Kontrollfunktion aus, zum Beispiel ist man darauf angewiesen, dass die Kühlgeräte immer funktionieren. Diese könnten wir zwar während des Zugtransports auf Distanz überwachen, aber wir können nicht den Zug anhalten lassen, weil eines unserer Kühlgeräte ausfällt.

Sie benutzen Transportmanagement-Software? Welche Erfahrungen machen Sie damit?
Software ist der Herzschlag des Betriebes, sie stellt die Planung der Aufträge sicher und funktioniert bei uns sehr gut. Wir pflegen auch viel Datenaustausch mit unseren Kunden und Chauffeuren, die Fahrzeuge sind mit einem Tablet ausgerüstet. Den jungen Chauffeuren steckt die Computertechnik schon fast in den Genen.

Lässt sich künstliche Intelligenz im Verkehr einsetzen?
Künstliche Intelligenz hat Potenzial beim Verkehr. Zum Beispiel bei der Stauoptimierung oder beim Austausch von Ladungen. Das Ziel einer Fahrt wird im System gespeichert und man kann den Verkehrsfluss beobachten. So kann man berechnen, wann ein Fahrzeug leer und für eine neue Ladung verfügbar ist.

Ihre Haltung zu Drohnen und selbstfahrenden Autos?
Gegenüber Drohnen bin ich skeptisch, gerade in der Stadt halte ich sie nicht für unproblematisch. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Post in abgelegenen Gegenden per Drohne ankommt. Hingegen wird es selbstfahrende Lastwagen geben. Das könnte allerdings zu Konflikten mit den von Menschen gesteuerten Fahrzeugen führen. Die Maschine ist immer nur so gut wie sie programmiert wird. Ich sehe ein grosses Potenzial darin, dass man autonome Fahrzeuge auf Hauptrouten, zum Beispiel Genf –Romanshorn, einsetzt, diese dann entlädt und die Feinverteilung mit von Menschen gesteuerten Fahrzeugen durchführt.

Abgesehen von Umweltbedenken sind doch gerade in der Schweiz der infrastrukturelle Strassenausbau wie auch die Auslastung der bestehenden Infrastruktur limitiert. Erkennen Sie hier Höchstgrenzen respektive ein Limit, was die Auslastung zum einen des bestehenden Strassennetzes und zum anderen des Ausbaus von Strassen angeht?
Die Frage ist, wie viel Mobilität man braucht. Der Verkehr ist zu günstig. Wenn man für 39 Franken nach Mallorca fliegen kann, tut man es. Dabei stösst man sicher irgendwann an Grenzen. Man müsste auch die neuen Möglichkeiten anwenden oder weitere entwickeln, um persönliche Kontakte auf Distanz zu pflegen, statt die betreffende Person zu treffen und dafür weit zu fahren.

Wie sieht die Zukunft der Krummen AG aus?
Ich frage mich, ob man in einigen Jahren als Familienunternehmen die Anforderungen unserer Branche noch erfüllen kann. Man muss heute viel mehr regeln und dokumentieren, auch im Bereich des Umweltmanagements. Auch unsere Kunden werden immer grösser und fusionieren, auch im Lebensmittelbereich. Wenn ein Familienmitglied ins Unternehmen eintreten will, unterstützen wir das, wenn es die notwendigen Fähigkeiten dazu hat.

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